Korruption und Selbstbedienung
Von Linken gehasst, von Rechten geliebt: Der mächtigen US-amerikanischen Waffenlobby NRA geht es an den Kragen
Wayne LaPierre führt seit rund vier Jahrzehnten das Tagesgeschäft der vermutlich mächtigsten Waffenlobby der Welt. Und lässt sich dafür fürstlich von der NRA (National Rifle Association) vergüten. Zuletzt handelte er einen Vertrag für seine Zeit nach der Pensionierung aus, der ihm 17 Millionen Dollar an Zahlungen verspricht. Für was genau, kann niemand so genau sagen.
Umso detaillierter führt Generalstaatsanwältin Letitia James in den 168 Seiten ihrer Zivilklage auf, wie sich LaPierre und drei andere Mitangeklagte der in New York registrierten Wohlfahrtsorganisation selber Gutes getan haben. Und in den letzten drei Jahren allein dabei 64 Millionen Dollar in die eigenen Taschen umgeleitet haben sollen.
Leben auf großem Fuß
In dieser Zeit spendierte sich der NRA-Chef laut Ermittlungen allein acht Vergnügungsreisen mit seiner Familie im Privatjet auf die Bahamas. Kostenpunkt 500.000 Dollar. Hinzu kommen regelmäßige Chauffeur-Dienste in schwarzen Nobelkarossen, Einkäufe für mehrere hunderttausend Dollar bei einem vornehmen Herren-Ausstatter in Beverly Hills und regelmäßige Mahlzeiten in feinen Restaurants.
Nach dem Massaker an der Highschool von Parkland im US-Bundesstaat Florida 2019 sorgte sich der glühende Unterstützer von US-Präsident Donald Trump nicht um den leichten Zugang zu automatischen Schnellfeuer-Waffen, sondern seine eigene Sicherheit. Er drängte die NRA, ihm ein sechs Millionen Dollar teures Anwesen im französischen Landhausstil in Westlake im US-Bundesstaat Texas zu kaufen, auf dem er vor Übergriffen geschützt sei.
Alles auf Kosten der fünf Millionen Mitglieder großen Organisation, die 1871 einmal mit dem Ziel gegründet wurde, die Ausbildung an der Waffe und das Sportschießen zu fördern. Das etwa 250 Millionen große Jahresbudget lässt genügend Luft, Gelder abzuzweigen.
Als Oliver North in seiner Rolle als Präsident der Organisation versuchte, LaPierre auf die Finger zu schauen, drängte dieser ihn aus der Spitzenposition. Der in der IranContra-Affäre verurteilte Oberstleutnant North gab seinen Job im April 2019 nach nur einer Amtszeit
Nach 18-monatigen Ermittlungen will die Generalstaatsanwältin des US-Bundesstaats New York, Letitia James, die mächtige Waffenlobby-Organisation NRA zerschlagen. auf. Generalstaatsanwältin James trat zu dieser Zeit mit dem Versprechen an, extern gegen die Umtriebe an der Spitze der Waffenlobby zu ermitteln.
Ins Visier der Ermittler geriet auch die Werbeagentur Ackerman McQueen in Oklahoma, die der NRA für die beiden Jahre 2017 und 2018 zusammen 70 Millionen Dollar in Rechnung stellte. Darunter
Millionen für nicht spezifizierte Ausgaben „aus der Tasche“. Dabei soll es sich unter anderen um Luxusausgaben LaPierres gehandelt haben, der diese vor den Aufsichtsgremien und der Steuerbehörde gleichermaßen verschleierte.
„Das war eine Brutstätte der Gier, des Missbrauchs und grober Illegalität“, fasst James die Ergebnisse der 18 Monate langen Ermittlungen zusammen. Weil all dies nichts mehr mit Wohlfahrt zu tun habe, sei die Zeit gekommen, der Organisation den Status abzusprechen und sie aufzulösen. „Niemand
steht über dem Recht.“US-Präsident Trump sprang der bedrängten Lobby zur Seite, die seine Wahl 2016 mit 30 Millionen Dollar unterstützt hatte und auch in diesem Herbst wieder für ihn die Mitglieder mobilisieren will. „Die radikale Linke versucht die NRA zu zerstören“, twitterte der Präsident empört und warnte, „wenn (Joe) Biden Präsident wird, ist Euer zweiter Verfassungszusatz am Ende“. Damit gemeint ist das Recht, Waffen zu tragen. So versucht auch LaPierre die Vorwürfe abzuwehren, die er drei Monate vor den Wahlen als einen durchsichtigen politischen Angriff darstellt. „Wir sind bereit zum Kampf.“
Waffengegner in den USA applaudierten dagegen dem Vorgehen der Chefanklägerin von New York. „Unsere Gedanken und Gebete sind heute bei der NRA“, verhöhnte die Gründerin der Gruppe „Moms Demand Action“, Shannon Watts, unter Anspielung auf die Standard-Phrase der Lobby nach Massenschießereien das Wehklagen der Waffenlobby. „Sie verlieren ihr Geld und die politische Macht so schnell, dass am Ende dieses Falls nichts mehr zum Auflösen übrig bleibt.“
Wir sind bereit zum Kampf. NRA-Chef Wayne LaPierre