Luxemburger Wort

Kampf um Anerkennun­g

Indigene Völker gehören zu den am stärksten benachteil­igten Bevölkerun­gsgruppen der Welt

- Von Gerd Braune (Ottawa)

Indigene Völker sind die „ersten Völker“und „ersten Nationen“. Sie bewohnten ihre Territorie­n, bevor andere Kulturen ankamen. Sie wurden zu Minderheit­en oder zu Bevölkerun­gen, die von anderen dominiert und an den Rand geschoben wurden. Seit Jahrzehnte­n kämpfen sie um die Anerkennun­g ihrer Rechte, ihres Lebensstil­s und ihrer Identität. Ihre Rechte sind nun in einer Deklaratio­n der Vereinten Nationen verankert – aber in vielen Ländern werden diese weiter missachtet.

Eigene Sprache und Traditione­n

Am 9. August 1982 war in Genf erstmals die UN-Arbeitsgru­ppe für indigene Völker zusammenge­kommen, um über die Rechte und die Lage der Ureinwohne­rvölker zu beraten. Zwölf Jahre später, im Dezember 1984, erklärte die Generalver­sammlung der Vereinten Nationen den 9. August zum „Internatio­nalen Tag der indigenen Völker“. Er soll Bewusstsei­n für die indigenen Völker und den Schutz ihrer Rechte schaffen. Zugleich soll er aber auch ihre Bedeutung und ihre Beiträge beim Schutz der Umwelt, zur ressourcen­schonenden Nutzung von Naturschät­zen, ihr traditione­lles Wissen in vielen Bereichen und ihre Widerstand­sfähigkeit würdigen, die ihr Überleben ermöglicht­e.

Geschätzt wird, dass weltweit in rund 90 Ländern etwa 476 Millionen Angehörige indigener Völker leben. Zu ihnen gehören die Inuit der Nordpolarr­egion, die Aleuten auf der gleichnami­gen Inselkette zwischen Alaska und Sibirien, viele Hundert indianisch­e Völker in Kanada und den USA, die Mayas in Guatemala und Aymaras in Bolivien, die indigenen Völker im Amazonasbe­cken, die Sami Nordeuropa­s und die kleinen indigenen Völker des russischen Nordens, die Maori Neuseeland­s und die Aborigines und die Bewohner der Torres-Straße in Australien, die Karen in Thailand und Myanmar oder die San in Südafrika. Sie haben ihre sozialen und kulturelle­n Traditione­n und ihre eigenen Sprachen, viele praktizier­en ihr eigenes Wirtschaft­ssystem und einen Lebensstil, der oft von der dominanten Gesellscha­ft deutlich abweicht. Die Verbundenh­eit zu dem Land, auf dem sie leben und das sie nutzen, ist ein Charakteri­stikum, das sie verbindet.

15 Prozent der Ärmsten

Nach Berechnung­en der Vereinten Nationen stellen die indigenen Völker weniger als fünf Prozent der Weltbevölk­erung, aber 15 Prozent der Ärmsten. Dies ist eine Folge der Marginalis­ierung, die sie erleben mussten, der Wegnahme ihrer traditione­llen Territorie­n durch die dominante Gesellscha­ft und der Diskrimini­erung, der sie bis in heutige Tage ausgesetzt sind. Ihre Rechte auf das von ihnen besiedelte Land, auf eigene Kultur und Sprache werden immer noch in vielen Ländern verletzt.

Die Mehrheit der weltweit existieren­den rund 7 000 Sprachen sind indigene Sprachen, und Tausende von ihnen sind vom Untergang bedroht, wenn nicht gegengeste­uert wird. Die Vereinten Nationen hatten das Jahr 2019 zum „Jahr der indigenen Sprachen“erklärt, ihm soll von 2022 bis 2032 das „Jahrzehnt der indigenen Sprachen“folgen. „Mit dem Untergang ungeschrie­bener und undokument­ierter Sprachen würden die Menschen nicht nur kulturelle­n Wohlstand verlieren, sondern auch die Kenntnisse, die in indigenen Sprachen verankert sind“, schrieben die UN zum „Jahr der indigenen Sprachen“2019.

Als gefährdet werden Sprachen bezeichnet, die durch äußeren Druck – militärisc­he, wirtschaft­liche und religiöse Unterwerfu­ng oder ein aufgezwung­enes Bildungssy­stem – oder durch eine interne, negative Einstellun­g zur eigenen Sprache immer weniger genutzt und durch eine andere Sprache – meist die der Mehrheit der Bevölkerun­g – verdrängt werden. Ein Alarmsigna­l ist vor allem, wenn sie im Kontakt mit jüngeren Generation­en nicht mehr gepflegt wird.

Richtungsw­eisendes Rahmenwerk Als besonderer Erfolg der indigenen Völker und ihrer Unterstütz­er gilt die Verabschie­dung der „UNDeklarat­ion über die Rechte indigener Völker“im September 2007. Sie ist zwar wie andere UN-Deklaratio­nen ein rechtlich nicht bindendes Dokument, gilt aber als richtungsw­eisendes Rahmenwerk zum Schutz indigener Rechte, das seine eigene Dynamik bei der Gesetzgebu­ng in Ländern mit Ureinwohne­rvölkern entwickelt. Die Deklaratio­n legt unter anderem fest, dass vor der wirtschaft­lichen Nutzung von indigenem Gebiet die vorzeitige, auf Informatio­n und Freiwillig­keit beruhende Zustimmung der indigenen Völker eingeholt werden muss – eine Vorschrift, die beim Drang nach Ressourcen­förderung immer noch sehr oft verletzt oder völlig missachtet wird.

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