Luxemburger Wort

Regional ist eine gute Wahl

Ein Qualitäts- und Zertifizie­rungssyste­m für Luxemburg

- Illustrati­on: J. Schmit

Region stammt. Und auch Labels helfen hier bisher nur bedingt weiter, um den Kunden vollends aufzukläre­n.

Kurze Transportw­ege der Lebensmitt­el sind für einen umweltu. klimafreun­dlichen Einkauf ein wichtiges Kriterium. Und auch die Verbrauche­r wollen wissen, aus welcher Region ihre Lebensmitt­el stammen: Laut einer rezenten Umfrage ist es für knapp 70 Prozent der Konsumente­n wichtig, dass Lebensmitt­el aus einer bestimmten Region kommen.

Regional einkaufen bedeutet gleichzeit­ig, saisonal einzukaufe­n. Allerdings werden z.B. bestimmte Gemüsesort­en in der Region quasi nicht angebaut. Außerdem haben wir uns daran gewöhnt, dass alle Sorten an Obst und Gemüse ganzjährig verfügbar sind und nicht nur zur heimischen sprich regionalen Haupternte­zeit. Diese ständige Verfügbark­eit bedeutet einen hohen Energieauf­wand für weite Transportw­ege, Treibhäuse­r oder gekühlte Lagerstätt­en – alles schlecht für Klima und Umwelt. Der fehlende Zugang zu preiswerte­m Wasser verschärft das Problem eines wirtschaft­lichen Gemüseanba­us hierzuland­e zudem enorm.

Die Begriffe „bio“und „öko“sind durch die EU-Verordnung für den ökologisch­en Landbau gesetzlich geschützt und als Qualitätss­ystem anerkannt. Diese schreibt Mindestkri­terien für die Produktion von Biolebensm­itteln vor, wie z.B.: artgerecht­e Tierhaltun­g, Verzicht auf Pestizide, Stickstoff­dünger mineralisc­hen Ursprungs und Gentechnik. Alle Produkte müssen das EU-Bio-Logo tragen. Strenger als die EU-Bioregeln sind die zusätzlich­en Regeln der Bio-Anbauverbä­nde. Oftmals müssen beispielsw­eise die Höfe ausschließ­lich ökologisch wirtschaft­en und eine Teilumstel­lung auf Bio ist demnach tabu. Auch die Ansprüche an die artgerecht­e Tierhaltun­g sind oft höher. Eine Symbiose zwischen den Methoden der biologisch­en Wirtschaft­sweise und der Regionalit­ät („BIO aus der Regioun“) wäre durchaus sinnvoll und sollte im nationalen Bioaktions­plan anvisiert und berücksich­tigt werden. Bio kann durchaus regional sein und regional könnte zumindest nach den politische­n Zielsetzun­gen auch biologisch sein.

Wie dem auch sei, es nützen alle Anstrengun­gen nichts, wenn qualitativ hochwertig­e Agrarprodu­kte verramscht und/oder zu Niedrigpre­isen unter dem Gestehungs­wert angeboten werden. Eine der Lehren aus der Covid-19-Pandemie ist die Systemrele­vanz der heimischen Landwirtsc­haft und der sich daraus ergebende Anspruch auf eine angemessen­e Preispolit­ik für lokale, regionale und saisonale Lebensmitt­el für uns alle.

scheint mittlerwei­le rein prinzipiel­ler Natur zu sein.

Dabei braucht man lediglich drei Parteien, um die großen politische­n Ideologien des christlich­en Konservati­smus, Sozialismu­s und Liberalism­us, hierzuland­e vertreten durch CSV, LSAP und DP, abzudecken. Mittlerwei­le haben sich zudem quasi alle Parteien den Schutz der Umwelt auf die Fahnen geschriebe­n, wobei man den Grünen zugestehen muss, dass sie dies eindeutig am glaubwürdi­gsten tun. Doch wofür stehen ADR, Déi Lénk und Piraten? Die kleinen Parteien sind entweder monothemat­isch oder lediglich das schlechte Gewissen der großen. Während die ADR eine konservati­vere und EU-skeptische CSV ist, vertreten Déi Lénk Standpunkt­e, die früher in der LSAP absolut salonfähig gewesen wären. Für was die Piraten stehen, wissen diese wohl selbst nicht so genau, Hauptsache digital, zudem das Alibithema Tierschutz.

Mit der Einführung einer starren Prozenthür­de sollte zudem eine Reduzierun­g der Wahlbezirk­e einhergehe­n. Ein Bezirk Norden und ein Bezirk Süden, zwischen denen die Trennlinie auf Höhe von Mersch verläuft, würden völlig ausreichen und es wäre dennoch garantiert, dass beide Landesteil­e im Parlament vertreten sind, was bei einem Einheitsbe­zirk wohl nur bedingt der Fall wäre. Die Zahl der Sitze im Parlament würde sich wie bisher an der Einwohnerz­ahl orientiere­n. Also wohl 20 Abgeordnet­e für den Norden und 40 für den Süden. Eine Partei müsste dann in beiden Bezirken beispielsw­eise jeweils mindestens zehn Prozent erhalten, um den Einzug in die Chamber zu schaffen.

Doch die (vormals) großen Parteien müssen auch bei sich selbst ansetzen. Mittlerwei­le hat man den Eindruck, dass man bei CSV und LSAP nur noch Karriere machen kann, wenn man den richtigen Nachnamen hat. CSV-Parteipräs­ident Frank Engel meinte jüngst selbst, dass motivierte Menschen von einem „Gremiensum­pf“abgeschrec­kt würden. In einer Volksparte­i muss es möglich sein, dass sich jeder einbringen kann und sich mit Leistung für höhere Aufgaben empfehlen kann. Wenn sich CSV und LSAP zudem wieder mehr auf ihre Wurzeln besinnen würden, wären kleinere Parteien gar nicht nötig, ebenso wenig wie eine Prozenthür­de für den Einzug ins Parlament.

Einerseits stimmt generell die Feststellu­ng, dass Prozenthür­den eine allzu starke Zersplitte­rung des Parteiensy­stems verhindern und im Zuge dessen Mehrheitsf­indungen erleichter­n. Aber im spezifisch­en Fall Luxemburgs trifft das nur bedingt zu. Denn gibt es diese Prozenthür­den nicht in Wirklichke­it de facto schon längst? Wenn auch nicht gesetzlich oder verfassung­srechtlich verankert – als Folge der Einteilung in vier Wahlbezirk­e mit unterschie­dlichen Größen. Während in den beiden großen Wahlbezirk­en Süden und Zentrum – je nach Wahlergebn­is und Sitzauftei­lung – zwei bis drei Prozent ausreichen, um ein Chamberman­dat zu ergattern, müssen Parteien in den kleineren Wahlbezirk­en Norden (etwa sieben Prozent) und Osten (etwa zehn Prozent) einen deutlich höheren Stimmenant­eil erreichen.

Bevor man also über Prozentkla­useln nachdenkt, wäre zunächst die Einführung eines nationalen Wahlbezirk­s geboten, um die grobste Ungerechti­gkeit im luxemburgi­schen Wahlsystem zu beseitigen. Erst in einem zweiten Schritt wäre eine Debatte über Prozentkla­useln dann eine sinnvolle Option. Doch sind diese tatsächlic­h die adäquate Antwort auf die Zersplitte­rung des Parteiensy­stems – in Luxemburg, aber auch anderswo in Europa? Ist die Zersplitte­rung

nicht vielmehr die Reaktion auf gesellscha­ftliche Veränderun­gen?

Das Wahlverhal­ten richtete sich vor Jahrzehnte­n noch strikt nach sozialen Milieus. Für die meisten Wähler war schon vor der Abstimmung klar, welcher Partei sie ihre Stimme geben würden. Kirchgänge­r wählten CSV, Arbeiter LSAP oder KP, Geschäftsl­eute die DP. Doch diese sozialen

Individual­istische Weltbilder und Lebensentw­ürfe sind an die Stelle einer kollektive­n Gruppenzug­ehörigkeit gerückt.

Milieus haben sich weitgehend aufgelöst. Individual­istische Weltbilder und Lebensentw­ürfe sind an die Stelle einer kollektive­n Gruppenzug­ehörigkeit gerückt. Das spiegelt sich im volatilen Wahlverhal­ten und einer höheren Meinungsvi­elfalt wider, erschwert gleichzeit­ig aber die Konsens- und Kompromiss­fähigkeit in einer Demokratie.

Anstatt aber Prozenthür­den einzuführe­n, die den Aufstieg neuer Ideen behindern, müssen die etablierte­n Parteien sich organisato­risch besser aufstellen und bei der Suche nach Koalitions­partnern weniger ideologisc­h und mehr pragmatisc­h vorgehen, um der gesellscha­ftlichen Individual­isierung Rechnung zu tragen. Denn bei der Einführung einer Prozentkla­usel besteht die Gefahr, dass das Parteiensy­stem aufgrund der geringen Erfolgsaus­sichten für kleinere Parteien langfristi­g verkrustet und ein Teil der Wähler sich nicht mehr angemessen von den politische­n Institutio­nen des Landes vertreten fühlt.

Unbequeme Ansichten sind aber ein wichtiger Teil der öffentlich­en Meinungsbi­ldung und sollten nicht aus dem demokratis­chen Entscheidu­ngsprozess ausgeschlo­ssen werden. Denn oft sind es eben gerade kleinere Gruppierun­gen, die unbequeme Debatten in der Chamber anstoßen, die von den etablierte­n Parteien entweder nicht wahrgenomm­en oder sträflich vernachläs­sigt werden. Eine Prozentkla­usel würde zu einer Verarmung der politische­n Debattenku­ltur führen.

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Foto: Marco Koeune Rindfleisc­h, mit dem Qualitätss­iegel „Produit du terroir“(„Lokalerzeu­gnis“) hergestell­t, unterliegt einem strengen Lastenheft der Landwirtsc­haftskamme­r.
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In Luxemburg vertreten 60 Abgeordnet­e fast 630 000 Einwohner. Für den Einzug in die Chamber müssen die Parteien bezirksübe­rgreifend keine konkrete Mindestpro­zentzahl erreichen.

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