Hürde vor dem Hohen Haus?
Aktuell verteilen sich die 60 Abgeordneten in der Chamber auf sieben Parteien. Zum Vergleich: 82 Millionen Deutsche werden im Bundestag ebenfalls durch sieben Parteien vertreten. Während die CSV als größte Fraktion 21 Mitglieder zählt, haben jeweils zwei Abgeordnete die Parteikarte von Déi Lénk und den Piraten. Seit 2013 wird Luxemburg erstmals in seiner Geschichte von einer Koalition aus drei Parteien regiert. Laut dem jüngsten Politmonitor könnten derzeit nur noch CSV (19 Sitze) und DP (15 Sitze) eine Zweierkoalition bilden. Das Großherzogtum liegt damit im europäischen Trend, die Parteienlandschaft
zersplittert zusehends und das Wahlverhalten wird immer volatiler. In Luxemburg kommt noch hinzu, dass traditionell ohnehin eher „Köpfe“als Parteien gewählt werden. Persönliche Sympathie ist für die Wähler wichtiger als das Parteiprogramm. Eine Möglichkeit, eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft zu verhindern, wäre eine Prozenthürde für den Einzug in das Parlament, beispielsweise nach deutschem Vorbild, einzuführen. Doch ist eine solche Maßnahme wirklich im Sinne der Demokratie, oder wird damit der Wählerwillen eines Teils der Bevölkerung ignoriert?
Die Innenministerin hat in den vergangenen Monaten der Corona-Krise kein überzeugendes Bild abgegebenen. Am Anfang der Krise schien die zuständige Ministerin sogar vollends abgetaucht gewesen zu sein. Die Gemeinden waren auf sich alleine gestellt.
Dennoch haben das Gemeindesyndikat Syvicol, zusammen mit den 102 Bürgermeistern und Schöffenräten, die Lage gemeistert. Sie sorgten für eine schnelle Schließung aller öffentlichen Infrastrukturen. Im Handumdrehen wurde das öffentliche Leben neu organisiert.
Natürlich: Alle Entscheidungsträger des öffentlichen Lebens standen extrem unter Druck und mussten schnelle Entscheidungen treffen. Dass sich das Innenministerium als „ministère de Tutelle“der Gemeinden jedoch weitestgehend aus diesem Entscheidungsprozess ausklinkte, ist nicht nachvollziehbar.
Maskenfrage: Parteilogik statt Gemeinwohl
Schlimmer noch: Mehr als einmal machte das Innenministerium den Gemeinden die Entscheidungsfindung sogar noch schwerer. Die Maskenfrage ist hierfür ein gutes Beispiel. Um in ein einigermaßen normales Leben zurückzukehren, stand das Tragen einer Maske außer Frage. Verschiedene, von CSV-Bürgermeistern geführte, Gemeinden thematisierten das Tragen einer Maske im öffentlichen Raum und verteilten auch Masken an ihre Bevölkerung. Nach öffentlichem Druck verschiedener CSV-Mandatsträger entschied letztlich auch die Regierung, dass das Tragen einer Maske zur Pflicht werden sollte.
Indes: Noch einen Tag vor der offiziellen Entscheidung der Maskenpflicht und der Verteilung von fünf Masken pro Bürger stellte die LSAP-Innenministerin noch die Rechtmäßigkeit und den Sinn und Zweck der Maskenverteilung der Gemeinden Hesperingen und Mamer in Frage. Die LSAP-Parteilogik wurde hier über das Gemeinwohl gestellt.
Gemeindefinanzen: kein Rückenwind
Anderes Beispiel: die Gemeindefinanzen. Nachdem die staatlichen Einnahmen in den vergangenen Monaten weggebrochen sind, was ebenfalls einen großen Niederschlag auf die Gemeindefinanzen mit sich bringt, ruft die Innenministerin die Gemeinden weiter zu antizyklischem Handeln auf, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Auf das Wegbrechen der Gemeindefinanzen von der CSVFraktion angesprochen, reagiert die Ministerin eher evasiv und setzt sich auch innerhalb der blau-rot-grünen Regierung und Mehrheit nicht für einen annehmbaren Ausgleich der Verluste bei den Gemeindefinanzen ein.
Weiteres Beispiel: der Wohnungsbau. Im Herbst soll das Gesetz
Mit dem neuen Pacte logement will die Regierung den Anteil an erschwinglichen Wohnungen im Land erhöhen. Die Zahlen – besonders im Mietbereich – zeichnen ein verheerendes Bild der vergangenen Jahre. Aber die Zukunft sieht nicht unbedingt besser aus.
über den „Pacte logement 2.0“in der Abgeordnetenkammer gestimmt werden. Bei diesem Gesetz sollen die Gemeinden mehr Verantwortung im Bereich des erschwinglichen Wohnungsbaus übernehmen. Wenn die Einnahmen den Gemeinden allerdings wegbrechen, dürfte der erschwingliche Wohnungsbau nicht mehr unbedingt oben auf der Prioritätenliste der Gemeinden stehen. Dies wird dann eher der Bau von Schulen, Auffangstrukturen und sonstige Infrastrukturen des öffentlichen Lebens sein.
Die blau-rot-grüne Regierung wird derweil nicht müde, zu behaupten, dass der Wohnungsbau absolute Priorität genießt. In den vergangenen Monaten war davon wenig zu hören und noch weniger zu spüren. Die Zahlen – besonders im Mietbereich – zeichnen ein verheerendes Bild der vergangenen Jahre. Und die Zukunft sieht nicht unbedingt besser aus.
Aus diesem Grund müssen alle Kräfte gebündelt werden, um Verbesserungen bewirken zu können. Die CSV-Fraktion hat ihre parlamentarische Arbeit, im Sinne des erschwinglichen Wohnungsbaus, im Laufe des vergangenen Jahres geleistet. Mit einem 23-Punkte-Programm. Und mit nicht weniger als vier Gesetzestexten und neun Motionen in der Abgeordnetenkammer. Sowohl verschiedene steuerliche Maßnahmen als auch der Miet(options)kauf sowie die Erhöhung des Anteils des „logement à coût modéré“bei einer Erweiterung des Bauperimeters sind nur einige Beispiele des CSV-Maßnahmenkatalogs.
Vorverkaufsrecht faktisch außer Kraft
Dann wird in den kommenden Monaten auch die Sozialkrise ihren kommunalen Niederschlag mit steigenden Anfragen auf Sozialhilfe in den Sozialämtern finden. Das „Pacte logement 2.0“-Gesetz sieht vor, dass die Gemeinden mehr Verantwortung übernehmen sollen. Im Klartext bedeutet das, dass BlauRot-Grün sich einmal mehr ihrer Verantwortung entledigen möchte. Bevor in den Gemeinden oder von den Gemeinden allerdings gebaut werden kann, muss die jeweilige Gemeinde auch im Besitz von ausreichend
Grund und Boden sein. Nur so können Bauprojekte umgesetzt werden.
Mehr Kohäsion, Kohärenz und Mut
Das Vorkaufsrecht stammt aus dem ersten Pacte logement. Dieses Instrument sollte den Gemeinden den Baulandkauf erleichtern. Doch mittlerweile ist faktisch das genaue Gegenteil eingetreten.
Die CSV-Vertreter des hauptstädtischen Schöffenrats haben dies des Öfteren angeprangert. Mit dem Resultat, dass die Preise der Baugrundstücke weiter in schier unendliche Höhen schießen. Die großherzogliche Regierung sieht sich dennoch außerstande, angemessene Maßnahmen, sprich eine Reform der Grundsteuer, sprich eine Definition der Preise des „logement à coût modéré“, auszuarbeiten und umzusetzen. Mit dieser Kopf-inden-Sand-Politik werden wir die Lage nicht in den Griff bekommen.
Die Untätigkeit der blau-rotgrünen Regierung in Sachen Baulandspekulation wird eine große Einflussnahme auf die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Luxemburg haben. Sowohl die Wohnungsbauproblematik als auch das Erschließen von Gewerbeflächen befassen eine ganze Regierung. Das Innenministerium als „ministère de Tutelle“der Gemeinden ist in der Bringschuld bezüglich der Bewertung des Grund und Boden. Ohne erschwingliches Bauland entstehen auch keine erschwinglichen Wohnungen. Durch überteuerte Wohnungsangebote verliert der Wirtschafts- und Finanzstandort Luxemburg an Attraktivität.
Vor allem aber werden Lebensperspektiven der Menschen zerstört. Vor allem von Niedrigverdienern und immer mehr auch von der breiten Mittelschicht. Hier muss die Politik gegensteuern und nicht nur gegenreden. Sonst werden wir die Negativspirale nicht brechen können. Und dann besteht die Gefahr, dass am Ende auch unsere Gesellschaft zerbrechen kann. Dies müssen wir unter allen Umständen verhindern. Mit mehr Kohäsion und Kohärenz. Und auch mit mehr Mut!
Das „Pacte logement 2.0“-Gesetz sieht vor, dass die Gemeinden mehr Verantwortung übernehmen sollen. Im Klartext bedeutet das, dass Blau-Rot-Grün sich einmal mehr ihrer Verantwortung entledigen möchte.
Der Autor ist CSV-Abgeordneter und Bürgermeister der Gemeinde Hesperingen