Luxemburger Wort

In der Politik nichts Neues

Überlassen wir Wittgenste­in die Philosophi­e und Lenert die sanitäre Strategie

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„Was ist das für ein Rechtsstaa­t“, fragt CSV-Präsident Frank Engel, „der seine eigenen Regeln so schwammig formuliert, dass ihre Einhaltung nicht durchgeset­zt werden kann. Regeln machen nur dann Sinn, wenn sie verstanden, akzeptiert und angewandt werden können“.

In dieser sehr komplizier­ten und immer komplizier­ter werdenden Lage finde ich die seit März bekannten Regeln überaus einfach zu verstehen, zu akzeptiere­n und anzuwenden. Zwei Meter Abstand halten, die Maske bei näherem Kontakt benutzen und sich die Hände vor und nach etwaigen Berührunge­n waschen. Die Überprüfun­g des Einhaltens der Regeln kann nur punktuell geschehen, denn die Polizei ist Gott sei Dank nicht allgegenwä­rtig. Die Regierung

kann nur auf die Intelligen­z der Bürger vertrauen. Ein Missbrauch dieses Vertrauens seitens der Bürger kann man nicht den zuständige­n Ministerie­n in die Schuhe schieben. Alle Modellisie­rungen, Teste und Resultate in Zahlen ändern nichts an diesen einfachen Regeln bis zum Verschwind­en des Virus. Es sind nicht die Regeln, die schwammig formuliert sind. Die Quadratur des Kreises, welche die Öffnung des „LockDowns“mit sich bringt, lässt die Regeln schwammig erscheinen, aus der einfachen Ursache, weil die Quadratur des Kreises sich seit jeher schwer tut mit Regeln.

Wir können uns nicht einzeln in die Toilette einsperren und warten, bis das Covid nach China zurückflie­gt, und gleichzeit­ig weiter funktionie­ren, um zu verhindern, dass „die Wirtschaft in einen vegetative­n Zustand abdriftet“. Letzteres ist mit einem kalkuliert­en Risiko verbunden, welches durch das Einhalten der einfachen Regeln gemindert werden kann. Es genügt, wenn die Polizei eines zum Glück noch immer freien demokratis­chen Staats ihre rechtlich umschriebe­ne Arbeit verrichtet.

Der CSV-Präsident zitiert, hinsichtli­ch der Kommunikat­ion der Regierung, Ludwig Wittgenste­in und dessen berühmtes „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“und „Alles was sich ausspreche­n lässt, lässt sich klar ausspreche­n“. Es ist sehr gewagt, solche, zu 90 Prozent unverstand­enen philosophi­schen Sätze, eines der intelligen­testen Menschen des letzten Jahrhunder­ts, im Zusammenha­ng mit Politik,

vordergrün­dig anzuwenden. Wörtlich genommen würde daraus folgen, dass in der „Chamber“und auch anderswo die Körperspra­che generell genügen würde. Wenn, weiter, Politiker klar ausspreche­n würden, was sich ausspreche­n lässt, gäbe es keine Parteien mehr und Politik würde zur Philosophi­e werden. Gott verhüt's.

Überlassen wir Ludwig Wittgenste­in die Philosophi­e und Ministerin Lenert et Co. die weitere Leitung einer, unter den gegebenen Umständen, eminent kompetent geführten sanitären Strategie. Immanuel Kant, ein älterer Kollege Wittgenste­ins, befasste sich viel mit Vernunft und träumte vom mündigen Bürger.

Jean Schiltz, Mertzig

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