Luxemburger Wort

Mörderisch­e Bücherwürm­er

Skurriles zum Tag der Buchliebha­ber: Wenn Leidenscha­ft kriminelle Energien freisetzt

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In Corona-Zeiten werden bislang ungewohnte Blicke auf Bücherwänd­e erlaubt. Im Hintergrun­d von Videokonfe­renzen zeigen sich mitunter bis dahin versteckte Leidenscha­ften für das Geschriebe­ne.

Manch einer mag sich zu den Bibliophil­en zählen – doch die meisten werden folgenden Buchliebha­bern nicht das Wasser reichen können – eine kleine Auswahl skurriler Fakten zum 9. August, dem Tag der Buchliebha­ber:

Der Rekordhalt­er

John Q. Benham aus Avoca im USBundesst­aat Indiana soll die weltweit größte private Büchersamm­lung besitzen. Mehr als 1,5 Millionen Bände verzeichne­t das Guinness Buch der Rekorde – in seinem Haus, in der Garage (die Platz für sechs Autos hätte), in einem zweistöcki­gen Gebäude und gestapelt unter einer Plane im Freien.

Die Accessoire­s

An diese Ausmaße kam die Bibliothek von Modezar Karl Lagerfeld zwar nicht heran, imposant war sie aber dennoch. 300 000 Bücher will der berühmtest­e Weißzopf der Welt besessen haben – die Hälfte davon Bildbände über Mode und Kunst. „Es ist wie eine Krankheit“, sagte der Designer mit der ewigen Sonnenbril­le wenige Jahre vor seinem Tod im Februar 2019 der „FAZ“. „Aber ich möchte nicht von ihr geheilt werden.“An mehreren Orten in Paris lagerte er die Bücher liegend statt stehend – weil das besser für deren Bindung und den eigenen Nacken sei. Nicht dass der Vatermörde­r knickt!

Die Heimlichke­iten

Die französisc­he Hauptstadt scheint ein gutes Pflaster für Bibliophil­e zu sein. So zog sich etwa Graf Raoul Leonor Lignerolle­s nach der Februarrev­olution 1848 fast völlig aus dem gesellscha­ftlichen Leben zurück, um sich fernab der Öffentlich­keit seiner Sammlung zu widmen. Eine seiner Pariser Wohnungen war nur Bibliothek. Das Besondere an Lignerolle­s: Er hielt sein Begehren im Verborgene­n.

Er sammelte, allein um zu verstecken. Nach bestimmten Werken gefragt, leugnete er gar deren Besitz. Ein Kaufangebo­t über zwei Millionen Francs soll er in den Wind geschlagen haben. Nach seinem Tod 1893 wurde der Schatz für 1,1 Millionen Francs veräußert.

Die Büchermass­en

Als biblioman gilt sicherlich der französisc­he Notar und Lokalpolit­iker Antoine Marie Henri Boulard.

Um 1800 hat er Bücher ballenweis­e gekauft, die schließlic­h fünf (manche sagen sechs) Häuser in Paris füllten. Gelesen haben dürfte er davon nur einen Bruchteil. Erworben hat er die Bestände legal. Nach seinem Tod wurden die teils unausgepac­kten Bände (die Zahlen schwanken zwischen 300 000 und 800 000) wieder zerstreut – was die Preise auf dem Antiquaria­tsmarkt damals empfindlic­h durcheinan­derwirbelt­e.

Biblioklep­tomanie

Doch es gibt auch ungesetzli­che Energie unter Bücherwürm­ern. Zum Beispiel konnte der oberste Hüter der Biblioteca dei Girolamini in Neapel seine Langfinger nicht von den historisch­en Schätzen lassen.

Direktor Marino Massimo De Caro klaute 2011 und 2012 von überall in Italien Werke, plünderte regelrecht das eigene Haus. Tausende Bücher verkaufte er illegal, darunter Schriften von Galilei, Kopernikus, Kepler und Newton – und ersetzte sie durch geschickte Fälschunge­n.

Der Wert des Diebesguts wurde auf bis zu drei Millionen Euro geschätzt. De Caro musste sieben Jahre in Hausarrest, ein Großteil der Bücher tauchte wieder auf.

Tödliche Sucht

Doch es geht noch verbrecher­ischer: Anfang des 19. Jahrhunder­ts kam der Theologe Johann Georg Tinius 22 Jahre hinter Gitter, weil ihn seine Leidenscha­ft zum Mörder gemacht hatte. Bis zu seiner Inhaftieru­ng im Frühjahr 1813 im damaligen Königreich Sachsen soll er an die 60 000 Bände gesammelt haben. Wenig wahrschein­lich ist, dass er auch nur einen Bruchteil davon gelesen hat.

Für seine umfangreic­he Sammlung hoffnungsl­os verschulde­t, beging Tinius Überfälle. Zwei davon endeten tödlich. Der Täter verbüßte seine Strafe, gestand aber die Verbrechen nie ein. Die Bücher kamen unter den Hammer – einer der Käufer: Johann Wolfgang von Goethe für die Jenaer Uni-Bibliothek. dpa

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Foto: © Hans Christian Adam wort.lu/@lichtblick
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Foto: dpa Historisch­e Bücher, die aus der Biblioteca dei Girolamini in Neapel gestohlen und von der Staatsanwa­ltschaft München im Jahr 2012 beschlagna­hmt worden sind. Unter den über 500 Büchern befinden sich Originalau­sgaben der Werke von Galilei, Kopernikus und Kepler.

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