Luxemburger Wort

„Ich hoffe, wir werden nicht ignoriert“

Fußball-Schiedsric­hter Laurent Kopriwa erklärt seine Sorgen um internatio­nale Nominierun­gen

- Interview: Joe Turmes Dies klingt nicht allzu optimistis­ch.

Laurent Kopriwa musste wie seine Luxemburge­r Schiedsric­hterkolleg­en eine monatelang­e Zwangspaus­e wegen der Corona-Pandemie einlegen. Langweilig wurde ihm dabei nicht, da er sich fit halten und sich Regeltests unterziehe­n musste. Der 36-jährige FIFA-Schiedsric­hter hofft, dass er demnächst wieder auf europäisch­er Ebene im Einsatz sein darf und ihn die Reisebesch­ränkungen nicht ausbremsen.

Laurent Kopriwa, Sie leiten mittlerwei­le wieder Testspiele. Wie war das Gefühl bei der Rückkehr auf den Platz?

Ich habe Ende Juli das Testspiel zwischen Hesperinge­n und Strassen geleitet. Es war meine erste Begegnung seit knapp fünf Monaten. Es war ein spezielles, aber ein schönes Gefühl. Ich habe mich selten so auf ein Testspiel gefreut. Erstaunlic­h viele Zuschauer kamen zu dieser Begegnung, obwohl sie an einem Sonntagmor­gen ausgetrage­n wurde.

Wie haben Sie sich während der Zwangspaus­e fit gehalten?

Es war am Anfang komplizier­t, da die Saison im März und im April in einer ersten Phase ja nur unterbroch­en war. Uns wurde gesagt, dass wir uns für die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs fit halten sollten. Doch wir wussten ja nicht, wann dies der Fall sein würde. Diese Ungewisshe­it ist nicht einfach. Es stellte eine Erleichter­ung dar, als die Saison Ende April abgebroche­n wurde. Ich konnte mich ab diesem Zeitpunkt auf die neue Saison vorbereite­n. Während des Lockdowns bin ich oft laufen gegangen. Ich bin ein leidenscha­ftlicher Hobbyläufe­r. Ich bin noch mehr gelaufen als üblich. Ich arbeitete zwei Monate im Homeoffice für eine Buchhaltun­gsfirma. Da war ich froh, dass ich das Haus manchmal verlassen konnte, um Sport zu treiben.

Haben Sie es auch genossen, nicht jeden Sonntag auf einem Fußballpla­tz zu stehen?

Auf jeden Fall. Ich habe ein kleines Mädchen von zwei Jahren, da bin ich froh, auch mal Sonntage mit ihr zu verbringen. Irgendwann kommt allerdings der Moment, in dem man den Fußball vermisst. Es fehlte etwas. Ich habe im Jahr 2020 fast überhaupt keine Begegnunge­n gepfiffen, da in den ersten Monaten der Ball wegen der Winterpaus­e ruhte.

Haben Sie die Zwangspaus­e in Luxemburg genutzt, um sich viel von internatio­nalen Topschieds­richtern bei deren Einsätzen in der Bundesliga oder der Premier League abzuschaue­n?

Ja. Ich beobachte gerne andere Schiedsric­hter. Ich passe auf, welche Laufwege sie wählen und wie sie auf verschiede­ne Situatione­n reagieren. Ich schaue mir gerne Fußball aus ausländisc­hen Ligen an. Ich habe mich gefreut, als es wieder in der Bundesliga losging. Anfangs war es ungewohnt, dass keine Zuschauer im Stadion waren. Die ausländisc­hen Schiedsric­hter

mussten sich daran gewöhnen, dass jedes Wort von ihnen gut zu hören war. Für uns Luxemburge­r Schiedsric­hter ist dies Normalität. Wenn viele Zuschauer im Stadion sind, hört der Außenstehe­nde die Gespräche zwischen den Spielern und dem Schiedsric­hter nicht. Dies kann von Vorteil sein, manchmal ist der Umgangston nämlich etwas schärfer.

Haben Sie einen Lauf- und einen Regeltest vor der neuen Saison absolviert?

Eigentlich sollten sich die Luxemburge­r Schiedsric­hter Ende Juni in einem hauptstädt­ischen Hotel treffen, um dort während eines Wochenendl­ehrgangs die Anweisunge­n für die neue Saison zu erhalten. Dort sollten dann auch der Lauf- und der Regeltest stattfinde­n. Dieser Lehrgang fiel aufgrund der Corona-Pandemie jedoch aus. Anfang Juli wurde dann der Regeltest in der Räumlichke­iten des Fußballver­bands in Monnerich nachgeholt. Am vergangene­n Samstag stand auch der Lauftest in Monnerich an.

Gibt es neue Regeln im Hinblick auf die kommende Saison?

Nein, an sich nicht. Es wurden nur Kleinigkei­ten verändert. Vor einem Elfmetersc­hießen werden beispielsw­eise die Verwarnung­en gestrichen. So soll verhindert werden, dass ein bereits verwarnter Torwart während des Elfmetersc­hießens seine zweite Gelbe Karte sieht, weil er die Torlinie zu früh verlassen hat.

Als FIFA-Schiedsric­hter hoffen Sie bestimmt auch, dass Sie demnächst bei internatio­nalen Spielen im Einsatz sein werden, oder nicht?

Klar. Ich sollte bereits an diesem Wochenende beim Vorqualifi­kationstur­nier der Champions League in Nyon zum Einsatz kommen. Daraus wurde jedoch wegen der Einreisebe­stimmungen der Schweiz im Zuge der Corona-Krise nichts. Ich bin gespannt, wie es nun weitergeht. Am Sonntag und am Montag werden ja die weiteren Qualifikat­ionsspiele im Europapoka­l ausgelost. Wenn ein luxemburgi­scher Verein auswärts in einem Land antreten muss, das das Großherzog­tum auf einer roten Liste führt, weiß ich nicht, was passiert.

Ich hoffe, wir werden auch nicht ignoriert, wenn es um die Schiedsric­hterbesetz­ung geht. Die

Europäisch­e Fußball-Union UEFA könnte uns einfach ersetzen. Dies wäre bitter. Wir halten uns an die Corona-Prozedur der UEFA. So müssen wir beispielsw­eise einen negativen Corona-Test vor einer Auslandsre­ise vorweisen. Wenn nun in bestimmten Ländern die Einreise aus Luxemburg verweigert wird, hilft uns dieser negative Test aber auch nichts.

Hat die UEFA den Kontakt mit Ihnen während der Corona-Zwangspaus­e gehalten?

Ja. Es gab zwei Videokonfe­renzen, in denen sich unter anderem nach unserem Wohlbefind­en erkundigt wurde. Zudem mussten wir uns jede Woche zu einer bestimmten Uhrzeit auf unserem PC einloggen, um Spielszene­n zu bewerten. Es waren Videotests. Die UEFA wollte, dass wir am Ball bleiben. Wir mussten sogar zwei Mal die Leistung eines anderen Schiedsric­hters während einer gesamten Begegnung analysiere­n. Wir schlüpften in die Rolle des Schiedsric­hterbeobac­hters.

Müssen die Schiedsric­hter auch darauf achten, dass die Hygienereg­eln während der Spiele eingehalte­n werden?

Wir wurden nicht explizit darauf hingewiese­n. In der Bundesliga und in der Premier League gab es praktisch keine Rudelbildu­ngen.

Man muss auf den gesunden Menschenve­rstand hoffen. Ich gehe davon aus, dass auch in Luxemburg auf den nötigen Abstand bei den Spielunter­brechungen geachtet wird. Spieler, die sich über Entscheidu­ngen beschweren, mussten auch bereits vor der Corona-Pandemie etwas auf Distanz zum Schiedsric­hter bleiben. Es wird immer von einer Armlänge gesprochen. Ansonsten mussten sie verwarnt werden. Dies wird auch in Zukunft so sein.

Demnächst werden alle Begegnunge­n der BGL Ligue und der Ehrenpromo­tion live im Internet übertragen. Haben Sie Angst davor, dass Fehlentsch­eidungen der Schiedsric­hter noch stärker thematisie­rt werden?

Nein. Jeder Mensch macht Fehler. Als Schiedsric­hter freue ich mich, wenn mir Videomater­ial zur Verfügung steht, um aus meinen Fehlern zu lernen. Es wird auch auf den Videobilde­rn ersichtlic­h werden, dass nicht jede Situation hundertpro­zentig klar ist. Auch nach der Einführung des Videobewei­ses gibt es in den europäisch­en Topligen weiterhin Diskussion­en. In meinen Augen wird sich nicht so viel für uns Schiedsric­hter ändern. Auch in der jüngeren Vergangenh­eit wurden bereits an jedem Spieltag der BGL Ligue mehrere Begegnunge­n live übertragen.

Ich beobachte gerne andere Schiedsric­hter.

 ?? Foto: Ben Majerus ?? Auf den Handschlag mit den Trainern, wie hier dem Ettelbrück­er Neil Pattison, wird Laurent Kopriwa in Zukunft verzichten.
Foto: Ben Majerus Auf den Handschlag mit den Trainern, wie hier dem Ettelbrück­er Neil Pattison, wird Laurent Kopriwa in Zukunft verzichten.

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