Luxemburger Wort

Eine Karriere voller Fehltritte

In der Netflix-Doku „Anelka – l’incompris“will der ehemalige französisc­he Fußballpro­fi sein Image aufpoliere­n

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Nicolas Anelka ist eines von vielen Fußballtal­enten, die eine noch erfolgreic­here Karriere hätten haben können, wenn sie in ihrer Laufbahn manchmal klügere Entscheidu­ngen getroffen hätten.

Kaum ein Spieler war während seiner Karriere in so viele Skandale verwickelt wie Anelka. Logischerw­eise wurde der talentiert­e Stürmer deshalb oft als Enfant terrible abgestempe­lt.

In der Netflix-Doku „Anelka – l’incompris“versucht der ehemalige französisc­he Fußballpro­fi nun, sein Image aufzupolie­ren. Anelka fühlt sich in seiner Zeit als Fußballpro­fi, in der er durchaus den ein oder anderen Pokal in die Höhe recken durfte, in vielen Situatione­n missversta­nden. Ehemalige Weggefährt­en wie Thierry Henry und Patrice Evra sowie langjährig­e Freunde wie der Schauspiel­er Omar Sy kommen zu Wort und versuchen zu übermittel­n, dass der heute 41-Jährige ganz anders sei, als ihn viele in der Öffentlich­keit wahrgenomm­en haben. Anelka sei nicht arrogant, er sei reserviert und

Anelka – l’incompris

Länge: 94 Minuten sehr selbstbewu­sst. Zudem sei er äußerst sensibel. Er habe sich nie von seinem Weg abbringen und verbiegen lassen.

Rummel und Presse

Anelka gibt während der 94 Minuten zwar zu, dass er den ein oder anderen Fehler in seiner Karriere begangen hat. Meistens versucht er jedoch die Schuld bei anderen zu suchen.

Bei Paris SG fühlte er sich zu Beginn seiner Karriere nicht wertgeschä­tzt. Er wollte mit 16, 17 Jahren eine Art Stammplatz­garantie. Arsène Wenger bemerkte die Unzufriede­nheit seines von sich überzeugte­n Landsmanns und holte ihn zum FC Arsenal. Doch auch in London brachte Anelka keine Geduld auf und wollte die Mannschaft wegen mangelnder Einsatzcha­ncen kurz vor einem Spiel verlassen. Es kostete Wenger viel Überzeugun­gskraft, um ihn zum Bleiben zu überreden. Eine gute Entscheidu­ng, denn danach kam Anelka in Form.

Der Wechsel zu Real Madrid sollte 1999 der Höhepunkt seiner Karriere werden. Doch Anelka kam mit dem Druck und Rummel in Madrid nicht klar. Er war gehemmt und konnte seine Torjägerqu­alitäten plötzlich nicht wie gewohnt unter Beweis stellen. Mit der Kritik an seiner Person und dem Interesse der Presse für sein Privatlebe­n kam er einfach nicht klar. Es folgte die Rückkehr nach Paris. 69 Mal läuft Nicolas Anelka für Frankreich auf.

Ohnehin hatte Anelka während seiner gesamten Laufbahn ein sehr komplizier­tes Verhältnis zu den Medien. Mehrmals fühlte er sich auch von diesen missversta­nden, Interviews gab er fast keine.

Obwohl der Stürmersta­r 69 Länderspie­le für Frankreich bestritt, hatte er oft eine eher problemati­sche Zeit im Trikot der Equipe tricolore. 1998 nahm ihn Aimé Jacquet nicht mit zur Weltmeiste­rschaft im eigenen Land. Als das Team den Titel holte, wäre Anelka gerne dabei gewesen. Zwei Jahre

später durfte er bei der Europameis­terschaft mitspielen. Gute Leistungen brachte er jedoch nicht. Am Ende holte Frankreich dennoch den Pokal. „Da ich nicht viel dazu beigetrage­n habe, würde ich diesen Titel auch aus meinem Palmarès streichen“, meint Anelka.

Späte Klarstellu­ng

Anschließe­nd musste er bis zur EM 2008 warten, ehe er wieder ein Turnier für Frankreich bestreiten durfte. Sein letzter großer Auftritt war die WM 2010 in Südafrika. Anelka wollte kurz vor der WM seinen Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft verkünden, ließ sich jedoch von einigen Teamkolleg­en überreden, dies erst nach dem Turnier zu tun. Doch erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Während der Halbzeitpa­use der WM-Partie gegen Mexiko überwarf sich der Angreifer mit Trainer Raymond Domenech und wurde anschließe­nd vom Verband gesperrt. Was folgte, war das Fiasko von Knysna (südafrikan­ische Stadt), als die französisc­he Nationalma­nnschaft streikte und nicht am Training teilnahm.

Die französisc­he Sportzeitu­ng „L’Equipe“widmete Anelka die Titelseite mit einer Beleidigun­g, die der Stürmer gegenüber Domenech geäußert haben soll. Anelka zog vor Gericht und reichte eine Klage wegen Verleumdun­g ein. Erst acht Jahre später stellte Domenech klar, dass der von

„L'Equipe“abgedruckt­e Satz in der Tat nie in der Umkleide gefallen war.

Und auch im Spätherbst seiner Laufbahn, in der er es ihn zu insgesamt 13 Clubs verschlug, folgte noch ein Skandal. Aufgrund des Quenelle-Grußes war er während seiner Zeit bei West Bromwich Albion erneut negativ aufgefalle­n.

Druck auf Söhne

In der Doku erfährt man leider nicht viel Neues über den 41-jährigen Anelka. Die Karriere des Torjägers wird größtentei­ls nacherzähl­t. Interessan­t sind jedoch die wenigen privaten Einblicke, die Anelka dem Zuschauer gewährt. Mit seiner Frau Barbara und seinen drei Kindern lebt der Franzose mittlerwei­le in Dubai. Die beiden Söhne spielen Fußball und erhalten vom Vater Ratschläge. In den paar Szenen, in denen Anelka mit seinen Söhnen über deren Fähigkeite­n spricht, merkt man, dass er viel von ihnen verlangt und möglicherw­eise sogar zu viel Druck aufbaut. Dies wäre eine weitere Fehlentsch­eidung im Leben des einstigen Megatalent­s. kev

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Foto: LW-Archiv
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