Luxemburger Wort

„Vor niemandem Angst“

Arnaud Démare will Mailand-Sanremo gewinnen – auch ohne seinen Teamkolleg­en Kevin Geniets

- Von Joe Geimer

„Unser Aufgebot für Mailand-Sanremo ist sehr, sehr leistungss­tark. Die Mannschaft hat eine Menge Selbstvert­rauen getankt. Mit ihr wird zu rechnen sein.“Diese Worte stammen von Julien Pinot. Der Trainer des französisc­hen Teams Groupama-FDJ ist von den Qualitäten seiner Fahrer überzeugt und freut sich auf den heutigen Tag, an dem der Klassiker Mailand-Sanremo ansteht.

Das Lob von Pinot betrifft ebenfalls Kevin Geniets – auch wenn der Luxemburge­r nun doch nicht am Start des Radsport-Monuments sein wird. Eigentlich sollte der 23-Jährige seine Premiere bei der Classiciss­ima feiern. Doch dann machten die Organisato­ren ihm einen Strich durch die Rechnung. Vor zehn Tagen erklärte RCS Sport, dass pro Team nur sechs anstatt der üblichen sieben Fahrer zugelassen seien, dies damit man noch zwei zusätzlich­e italienisc­he Zweitdivis­ionäre einladen könne. Gesagt, getan. Nicht weniger als 27 Teams machen sich heute in Mailand auf den 305 km (!) langen Parcours.

Démare gewinnt Generalpro­be

Geniets ist natürlich enttäuscht, dass er passen muss. Er versteht die Entscheidu­ng seines Teams aber sehr gut: „Arnaud Démare ist der Kapitän. Hinzu kommen seine vier Leute aus dem Sprintzug (Ignatas Konovalova­s, Miles Scotson, Ramon Sinkeldam, Jacopo Guarnieri) und Stefan Küng. Es ist nachzuvoll­ziehen, dass es mich erwischt hat.“Schade ist die NichtBerüc­ksichtigun­g des talentiert­en

Profis aus Esch dennoch. Die Form passt nämlich. Am Mittwoch bei Mailand-Turin wusste er zu gefallen. Beim ältesten Eintagesre­nnen der Welt fuhr er zwar lediglich als 137. mit einem Rückstand von 5'07'' ins Ziel, doch Geniets hatte seinen Job erledigt. Er war sehr aktiv und sorgte auf den letzten Kilometern dafür, dass Démares Sprintzug Fahrt aufnehmen konnte. „Mailand-Turin lief aus meiner Sicht sehr zufriedens­tellend. Meine Leistung war gut. Ich habe noch nicht oft mit Arnauds Gruppe gearbeitet. Dafür lief es ziemlich ordentlich“, erklärt Geniets.

Das grenzt an Untertreib­ung. Denn Démare zündete am Mittwoch auf den letzten Hektometer­n zum richtigen Zeitpunkt den Turbo und feierte einen überzeugen­den Triumph. Normalerwe­ise kämpfen bei Mailand-Turin die Kletterer an der Basilica di Superga um den Sieg. Doch durch eine Streckenän­derung stand die 101. Ausgabe des Halbklassi­kers, der normalerwe­ise Anfang Oktober ausgetrage­n wird, unter ganz anderen Vorzeichen: Auf dem flachen Parcours konnten diesmal die Sprinter ihre Form vor MailandSan­remo testen. Démare entschied das Kräftemess­en zu seinen Gunsten und katapultie­rte sich für den heutigen Kraftakt zumindest in die Rolle des Mitfavorit­en.

„Das war ein wichtiges Rennen. Durch den Sieg fahre ich mit viel Selbstbewu­sstsein nach Sanremo“, beschrieb Démare seine Gefühlslag­e in Turin. „Nach der Quarantäne sind wir sehr froh, wieder Rennen fahren zu können. Bei der Burgos-Rundfahrt hatten wir schon ein schönes Comeback, die Mannschaft funktionie­rte auch da sehr gut.“

Für den Franzosen ist das Teamwork kein Zufall: „Meine Teamkolleg­en und ich kennen uns sehr gut. Die gesamte Mannschaft ist gut in Form. Ich fühle mich richtig stark.“Démare legte gestern nach: „Wir haben vor niemandem Angst. Unsere Ambitionen sind sehr hoch, da brauchen wir uns nichts vorzumache­n.“

Fast ganz neue Strecke

Der 28-Jährige geht das heutige Rennen demnach mit breiter Brust an. Geniets kann dies verstehen: „Arnaud kann gewinnen. Er ist in meinen Augen stark genug. Allerdings muss alles klappen, damit er jubeln darf.“Wie man es macht, weiß Démare. Vor vier Jahren war kein Kraut gegen ihn gewachsen.

Im Vergleich zu damals ist der Kurs diesmal ein anderer. In Folge der Corona-Restriktio­nen musste er fast völlig neu gestaltet werden. Lediglich die letzten 36 Kilometer bleiben unveränder­t. Aus dem Rennen genommen werden, mussten die Anstiege Turchino, Capo Mele, Capo Cerva und Capo Berta sowie die rund 130 Kilometer lange Passage entlang der Ligurische­n Küste. Der Parcours wurde stattdesse­n weiter ins Landesinne­re verlegt. Erhalten bleibt jedoch zumindest das traditione­lle

Finale mit der Cipressa, dem Poggio und der Ankunft auf der Via Roma.

Jungels zusammen mit Alaphilipp­e

Démare muss sich vorsehen. An starken Konkurrent­en wird es von 10.50 Uhr an nicht fehlen. Vorjahress­ieger Julian Alaphilipp­e (Deceuninck) darf natürlich nicht fehlen. Der Franzose wird von Bob Jungels, dem einzigen Luxemburge­r Teilnehmer, unterstütz­t. Und dann ist da noch Philippe Gilbert (B/Lotto). Der 38-Jährige steht vor einer ganz besonderen Mission: Bei einem Triumph würde er in den elitären Kreis der Fahrer eintreten, die alle fünf Radsport-Monumente gewonnen haben. Das ist bislang nur Rik van Looy, Eddy Merckx und Roger de Vlaeminck gelungen. Démare will verhindern, dass daraus ein belgisches Quartett wird – auch ohne die tatkräftig­e Unterstütz­ung von Geniets.

Arnaud kann gewinnen. Er ist in meinen Augen stark genug. Kevin Geniets

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Foto: AFP Arnaud Démare tankt beim Halbklassi­ker Mailand-Turin eine Menge Selbstvert­rauen.

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