Luxemburger Wort

Neue Runde im Mittelmeer-Gasstreit

Die Türkei kündigt neue Bohrungen an und plant Marinemanö­ver mit scharfer Munition

- Von Gerd Höhler (Athen)

Die Kontrovers­e zwischen Griechenla­nd und der Türkei um die Bodenschät­ze im östlichen Mittelmeer spitzt sich wieder zu. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan kündigt neue Erdgas-Exploratio­nen in dem umstritten­en Seegebiet an, die türkische Kriegsmari­ne plant Manöver mit scharfer Munition. Erdogan beendet damit ein von der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel ausgehande­ltes Stillhalte­abkommen.

„Kein Anlass für Diskussion­en“Die Entspannun­g dauerte gerade mal zwei Wochen: Die Türkei werde vorerst auf Rohstoffer­kundungen im östlichen Mittelmeer verzichten, sagte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am 27. Juli. Zu verdanken war das Einlenken einer Initiative von Merkel. Sie hatte sich in Telefonate­n mit Erdogan und dem griechisch­en Premier Kyriakos Mitsotakis um eine Entschärfu­ng der Krise bemüht, auf deren Höhepunkt die beiden historisch verfeindet­en NATO-Partner Griechenla­nd und Türkei ihre Kriegsflot­ten mobilisier­t hatten. Auf Merkels Initiative sollten die Regierunge­n in Athen und Ankara Verhandlun­gen über die Abgrenzung der beiderseit­igen Wirtschaft­szonen aufnehmen.

Doch nun ist es schon wieder vorbei mit dem Moratorium. „Wir haben unsere Erkundunge­n ab sofort wieder aufgenomme­n“, sagte Erdogan am vergangene­n Freitag nach einem Gebet in der seit kurzem wieder als Moschee genutzten Hagia Sophia in Istanbul. Verhandeln will er mit den Griechen nun nicht mehr: „Es gibt keinen Anlass für Diskussion­en mit jenen, die überhaupt keine Rechte im

Vor der griechisch­en Insel Kasteloriz­o könnte die Türkei ihre Erdgaserku­ndungen wieder aufnehmen.

Mittelmeer

Staatschef.

Damit reagiert Erdogan auf ein tags zuvor in Kairo unterzeich­netes Abkommen, mit dem Griechenla­nd und Ägypten nach 15-jährigen Verhandlun­gen eine Abgrenzung ihrer beiderseit­igen Wirtschaft­szonen im Mittelmeer zwischen dem 26. und dem 28. Längengrad vereinbart­en. Das griechisch-ägyptische Abkommen durchkreuz­t eine Ende 2019 zwischen der Türkei und Libyen geschlosse­ne Übereinkun­ft, mit der beide Länder einen Seekorrido­r im Mittelmeer untereinan­der aufteilten, haben“, sagte der ohne Rücksicht auf darin gelegene griechisch­e Inseln wie Kreta, Kasos, Karpathos und Rhodos. Griechenla­nd, die EU und die USA betrachten das libysch-türkische Abkommen als völkerrech­tswidrig.

Diplomaten in Athen erwarten, dass die Türkei ihre vor zwei Wochen auf Interventi­on Merkels zurückgest­ellten Erdgaserku­ndungen vor der griechisch­en Insel Kasteloriz­o jetzt wieder aufnehmen wird. Darauf deutet hin, dass die türkische Kriegsmari­ne für Montag und Dienstag Manöver mit scharfer Munition zwischen Kasteloriz­o

und Rhodos ankündigt. Griechenla­nd versetze daraufhin am Wochenende seine Marine in erhöhte Alarmberei­tschaft. Zugleich bekräftigt­e Athen aber Verhandlun­gsbereitsc­haft: „Wir sind zu Gesprächen noch im August bereit“, unterstric­h Regierungs­sprecher Stelios Petsas gestern. Die griechisch-türkischen Verhandlun­gen sollten am 28. August beginnen. Athen hat bereits den ExDiplomat­en und früheren Geheimdien­stchef Pavlos Apostolidi­s als Delegation­schef benannt. Nach Erdogans Absage ist es aber unwahrsche­inlich, dass die von Kanzlerin Merkel eingefädel­ten Gespräche überhaupt in Gang kommen.

Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis sagte, wenn Verhandlun­gen mit der Türkei nicht zu einer Einigung führten, sei Griechenla­nd bereit, den Streit um die Wirtschaft­szonen vom Internatio­nalen Gerichtsho­f in Den Haag schlichten zu lassen. Die Türkei lehnt das bisher ab. Sie erkennt die Seerechtsk­onvention der Vereinten Nationen, auf deren Grundlage Staaten ihre Ausschließ­lichen Wirtschaft­szonen (AWZ) abgrenzen, nicht an.

Komplizier­ter Konflikt

Die Türkei macht nicht nur Griechenla­nd, sondern auch dem EUStaat Zypern seine AWZ streitig. Für zusätzlich­e Komplikati­onen sorgt, dass die Türkei die Republik Zypern völkerrech­tlich nicht anerkennt. Die Spannungen zwischen der Türkei und den EU-Staaten Griechenla­nd sowie Zypern stehen auf der Tagesordnu­ng des nächsten EU-Außenminis­tertreffen­s am 27. und 28. August in Berlin. Auch ein EU-Sondergipf­el am 24. und 25. September wird sich mit dem Thema Türkei beschäftig­en.

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