Luxemburger Wort

Mit Tricks zur zweiten Amtszeit

US-Präsident Donald Trump könnte versuchen, mit allen möglichen Mitteln an der Macht zu bleiben – eine Analyse

- Von Thomas Spang (Washington)

Kein Tag vergeht, an dem der Möchtegern-Autokrat nicht mit etwas Neuem droht. Einmal denkt US-Präsident Donald Trump laut darüber nach, die Wahlen am 3. November wegen der Pandemie zu verschiebe­n. Dann bringt er die Möglichkei­t eines Dekrets ins Spiel, mit dem er die Briefwahle­n einschränk­en will. Und immer wieder beschwört er Unregelmäß­igkeiten und Manipulati­onen am Wahltag. Dem Land stünden die „korruptest­en Wahlen” in der Geschichte bevor.

Es gibt gute Gründe, jeden einzelnen Punkt als Spinnerei abzutun. Denn zum einen hat der Präsident laut Verfassung keine Macht, den Wahltermin zu verschiebe­n. Zum anderen obliegt es den 50 Bundesstaa­ten, die Durchführu­ng der Wahlen in den rund 9 000 Wahlkreise­n zu überwachen.

Doch dem Präsidente­n geht es um etwas anderes. Er will das Vertrauen der Amerikaner in ihr

Wahlsystem untergrabe­n. Dafür behauptet er beinahe täglich ohne jeden Beleg die unglaublic­hsten Dinge über gefälschte Wahlzettel, Stimmen von Personen, die nicht wählen dürfen, und überforder­te Postämter.

Zweifel säen

Systematis­ch sät Trump Zweifel an der Zuverlässi­gkeit der Ergebnisse, die nach Lage der Dinge eine Niederlage für den „AmericaFir­st”-Präsidente­n erwarten lassen. Er ahnt, dass seine einzige Chance für den Verbleib an der Macht darin bestehen könnte, nach Wegen zu suchen, das „Electoral College” (Wahlmänner-Kollegium) zu umgehen.

Laut Verfassung müssen die Bundesstaa­ten am 14. Dezember ihre Wahlmänner und -frauen benennen, die nach dem Prinzip „The winner takes all” bei den Wahlen vergeben werden. Das bedeutet, dass der Präsidents­chaftskand­idat, der in einem Bundesstaa­t eine einfache Mehrheit der Stimmen holt, alle Wahlmänner

US-Präsident Donald Trump glaubt fest an seine Wiederwahl im November. zugesproch­en erhält. Bei der Auszählung am 6. Januar wird für die Wahl zum Präsidente­n eine absolute Mehrheit von 270 Wahlmänner­n benötigt.

Wenn ein oder mehrere der 50 Bundesstaa­ten – zum Beispiel wegen gerichtlic­hen Anfechtung­en – keine Wahlmänner benennen, könnte das Szenario eintreten, dass die 270 Stimmen nicht erreicht werden. In diesem Fall greift dann der 12. Verfassung­szusatz, der bestimmt, dass noch am selben Tag das Repräsenta­ntenhaus den Präsidente­n wählen muss.

Obwohl die Demokraten im Repräsenta­ntenhaus die Mehrheit der Abgeordnet­en stellen, sieht der 12. Verfassung­szusatz bei der Wahl des Präsidente­n ein anderes Verfahren vor. Demnach müssen die Repräsenta­nten in Staaten-Gruppen abstimmen, bei denen die jeweilige Mehrheit dort darüber entscheide­t, wer die Unterstütz­ung bei der Präsidente­nwahl erhält.

Es mag ungerecht sein, dass der größte Bundesstaa­t Kalifornie­n und das kleine Wyoming jeweils eine Stimme erhalten. Aber das ist die in der Verfassung festgeschr­iebene Regel. Nach Stand der Dinge, hätte Trump bei diesem Verfahren im amtierende­n Kongress mit 26 zu 23 die Nase knapp vorn.

Damit ein solches Szenario greifen kann, braucht Trump massives Durcheinan­der am Wahltag, Verzögerun­gen bei der Auszählung und Probleme mit den Briefwahle­n, die inmitten einer tödlichen Pandemie erstmals der bevorzugte Weg einer Mehrheit der Amerikaner sein könnte, ihre Stimme abzugeben.

Chaos kann niemand besser als Trump. Durch diese Brille betrachtet, ergeben die täglichen Angriffe des Präsidente­n auf das Wahlsystem plötzlich einen Sinn. Joe Biden braucht am 3. November einen Erdrutsch-Sieg, um Trumps Tricks effektiv auszuschli­eßen. Dass es so weit gekommen ist, zeigt, wie sehr der Bewunderer von Autokraten wie Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan die demokratis­che Ordnung in den USA bereits untergrabe­n hat.

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Foto: AFP

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