Luxemburger Wort

Der Mann, der den Libanon blockiert

Seit 1992 steht Hassan Nasrallah an der Spitze der von Iran unterstütz­ten Schiiten-Miliz Hisbollah

- Von Pierre Heumann (Tel Aviv)

Um westliche Hilfe für die auf zehn bis 15 Milliarden Dollar geschätzte­n Kosten des Wiederaufb­aus Beiruts zu erhalten, wird die libanesisc­he Regierung ihre Fähigkeit beweisen müssen, Reformen durchzuzie­hen. Zudem müsste sie sich aus der Klammer der Hisbollah befreien, die von vielen als Terrororga­nisation angesehen wird.

Aber die vom Iran unterstütz­te Hisbollah hat ihren Einfluss im Libanon konsolidie­rt und verfügt über ein großes Waffenarse­nal.

Ohne Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah läuft im Libanon nichts. Der Chef der „Partei Gottes“(Hisbollah) bekleidet zwar keine politische­n Ämter in Beirut. Aber in wichtigen Ministerie­n führen seine Anhänger Nasrallahs Befehle aus. Zudem hat der bald 60-Jährige mit Präsident Michel Aoun seit Jahren einen nützlichen Verbündete­n, der Nasrallahs Einfluss im Libanon weiter festigt. Seit im Januar Hassan Diab, einer seiner Vertrauten, Premier wurde, ist Nasrallahs Machtnetz perfekt. In Beirut sprechen deshalb viele von

„Nasrallahs Kabinett“– die einen mit Hochachtun­g, die anderen mit Verachtung. Viele zweifeln an seiner Behauptung, keine Verantwort­ung für die verheerend­e Explosion vom 4. August zu tragen, weil die Hisbollah für einen großen Teil der Hafenanlag­en zuständig ist.

Der vollbärtig­e Libanese hat aus der Hisbollah, die einst eine islamistis­che Mini-Miliz war, die stärkste nicht-staatliche militärisc­he Organisati­on im Nahen Osten gemacht. Die Hisbollah ist ein Staat im Staat. Nasrallah hat ihren Einfluss zudem auf die nationale Politik ausgedehnt. Die Grundlage dazu legte er mit dem Aufbau eines dichten, landesweit­en Netzwerks von sozialen und medizinisc­hen Einrichtun­gen sowie von Schulen, mit dem er das staatliche Versagen

kompensier­t und wo vor allem Anhänger der Hisbollah, aber auch die Armen Hilfe bekommen.

Dabei geht es für ihn, den tief gläubigen Schiiten, stets auch um Religion. Nasrallah ist überzeugt, dass der schiitisch­e Islam die Probleme jeder Gesellscha­ft lösen könne.

Kriege mit Israel

Und doch: Dass der Libanon jetzt auf den Abgrund zusteuert, ist vor allem das Resultat seiner Hisbollah. Denn er verfolgt in seiner Machtposit­ion Interessen, die denjenigen des Libanon widersprec­hen. So fühlt er sich mit dem Iran seit Jahrzehnte­n eng verbunden, obwohl dieser den Libanon benutzt, um die Dominanz Teherans im Nahen Ostens auszubauen.

Die Religionss­tudien, die Nasrallah im Irak begonnen hatte, schloss er in der schiitisch­en Pilgerstad­t Qom im Iran ab, bevor er in seine Heimat zurückkehr­te, um im libanesisc­hen Bürgerkrie­g auf Seiten der schiitisch­en Milizen vor allem gegen die Christen zu kämpfen. Dabei war er so erfolgreic­h, dass er 1992 an die Spitze der Hisbollah

aufstieg, nachdem sein Vorgänger von Israel getötet worden war. Und kein geringerer als Ayatollah Khamenei setzt sich dafür ein, dass sein Favorit Nasrallah den Topjob erhielt.

Nasrallahs Nähe zu Teheran führte dazu, dass der Geldstrom aus den mit dem Iran verfeindet­en Golfländer­n versiegte, der für den Libanon lebenswich­tig ist. Als Stellvertr­eter des Iran hat der Hisbollah-Chef sein Land in den vergangene­n Jahren wiederholt in Kriege mit Israel verwickelt, die im ganzen Land zu Verwüstung­en führten. Im syrischen Bürgerkrie­g lässt er seine Milizen ebenfalls für iranische Interessen kämpfen. Die Unterstütz­ung des syrischen Präsidente­n stößt im Libanon zwar auf Kritik. Aber, so argumentie­rt Nasrallah, man müsse den Rebellen, die Assad entmachten wollen, Einhalt gebieten, denn sie seien eine existenzie­lle Gefahr für die Schiiten im ganzen Nahen Osten. Was Nasrallah nicht sagte: Die „Gefahr“bezieht sich allerdings weniger auf den Libanon mit seiner Vielzahl von ethnischen Gruppen, sondern vor allem auf den Iran.

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Foto: AFP Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ist überzeugt, dass der schiitisch­e Islam die Probleme jeder Gesellscha­ft lösen könne.

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