Luxemburger Wort

Straucheln trotz guter Absichten

Vereinigun­gen wie die „Passerell“sind durch die Pandemie in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten

- Von Diana Hoffmann

Luxemburg. „Wenn sich die Lokalbevöl­kerung und die Asylbewerb­er treffen, kommt es zu einem Austausch, der am Ende jedem etwas bringt.“Cassie Adelaide versinkt in dem großen Polsterses­sel inmitten eines spärlich eingericht­eten Zimmers. Das befindet sich im ersten Stockwerk der Lokalitäte­n der „Passerell“. Die junge Frau ist Mitgründer­in der vor vier Jahren ins Leben gerufenen Vereinigun­g, deren Hauptaufga­be die Rechtsbera­tung von Asylbewerb­ern in Luxemburg ist.

Doch so entspannt die Situation zu dem Moment in den gemütliche­n Sitzgelege­nheiten auch scheint, ist sie für viele nicht. Denn die sanitäre Krise stellt etliche Vereine zurzeit auf eine harte Probe. Mehrere finanziell­e Beihilfen fallen aus. Extra Unterstütz­ung, wie sie die Regierung zunächst Unternehme­n gewährte, gibt es nicht, oder kommen nicht infrage. Auch größere Veranstalt­ungen zum Geldeintre­iben bleiben bis auf Weiteres abgesagt.

Zwar wäre ein Antrag auf Teilzeitar­beit möglich gewesen, doch für die Vereinigun­g „Passerell“zeigte sich schnell, dass dies nicht machbar sei. Permanent hat auch während des Lockdowns das Telefon geklingelt. „Manche der Asylbewerb­er waren in ihrer Heimat im Gefängnis, wo auch Krankheite­n grassierte­n. Sie hatten Angst, wieder eingesperr­t zu sein, und konnten nur schwer verstehen, dass gerade eine solche Maßnahme sie vor einer Infektion schützen soll“, erklärt Cassie Adelaide.

Noch einmal gut gegangen

Nach der schwierige­n Zeit des Lockdowns ging die Zeit der Ungewisshe­it für die beiden festangest­ellten Mitarbeite­r sowie die vielen engagierte­n Freiwillig­en weiter. Es war nicht klar, wie unter anderem die Mitarbeite­r und die Nebenkoste­n der Lokalität bezahlt werden. 15 000 Euro fehlten im Budget 2020. Jedoch erhielten sie großzügige Hilfe von einem ihrer Sponsoren. Dieser half mit 8 000 Euro aus und organisier­te einen Spendenauf­ruf. Die 15 000 Euro konnten eingenomme­n werden und das Budget abgeschlos­sen.

Das Geld, das im Budget gefehlt hatte, war in diversen Bereichen ausgeblieb­en. „Ein Drittel des Geldes der Vereinigun­g sind Spendengel­der von der öffentlich­en Hand. Etwa von der Stadt Luxemburg, dem Außenminis­terium und seit diesem Jahr auch dem Justizmini­sterium. Ein Drittel kommt von Privatspon­soren, also von Privatleut­en und Unternehme­n. Ein weiteres Drittel ist Selbstfina­nzierung. Bei bestimmten Projekten hilft auch von Anfang an die Oeuvre Nationale de Secours GrandeDuch­esse Charlotte“, zählt Cassie Adelaide auf.

Das Geld zur Selbstfina­nzierung sollte dieses Jahr unter anderem aus dem Verkauf des Buches „Réhumanise­z-moi“gewonnen werden. Jedoch sollte die Lektüre auch auf großen Veranstalt­ungen, wie der Biennale, angeboten werden, die ausfielen. Zudem wurden nicht alle Spendenver­sprechen eingehalte­n, weder von der öffentlich­en noch von der privaten Seite. Viele Unternehme­n sind in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten und setzen daher die Gelder

Cassie Adelaide (Foto) gründete im Jahr 2016 mit Catherine Warin die Vereinigun­g „Passerell“.

aus. Wie die Situation im nächsten Jahr aussieht, bleibt ungewiss. Das hängt im Wesentlich­en vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Ungewisshe­it bleibt, doch so lange es möglich ist, wollen sich Cassie Adelaide, Ambre Schulz, die beiden Praktikant­innen und die vielen Ehrenamtli­chen in der Vereinigun­g engagieren. Denn warum diese wichtig ist, auch um den sozialen Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft zu fördern, dafür hat die Mitgründer­in gleich mehrere Beispiele. „Es hilft, Vorurteile abzubauen“, meint sie. „Die Asylbewerb­er

lernen das Land kennen und die Bevölkerun­g sieht, wie motiviert und ähnlich diese Menschen ihnen zum Teil sind. Es sind ebenfalls Mütter, Väter, Menschen mit Ängsten und Träumen.“

In den Hintergrun­d gerückt

Neben der Rechtsbera­tung für Asylbewerb­er und der Weiterbild­ung von Anwälten im Asylrecht organisier­t die „Passerell“auch Sommerakti­vitäten, bei denen Ehrenamtli­che Asylbewerb­ern etwa das Land zeigen. Momentan nehmen 40 Asylbewerb­er daran teil. Darüber hinaus werden Sprachkurs­e organisier­t. Die Tandems, also die Zusammenkü­nfte zwischen einem Asylbewerb­er und einem Freiwillig­en, um sich auszutausc­hen, fallen zurzeit aufgrund der Infektions­gefahr aus.

Im Allgemeine­n sei es so, dass all das gerade jetzt, wo die Arbeit aufgrund der Hygienebes­timmungen komplizier­ter ist, wichtiger wird denn je. Themen wie Asylrecht sind auf der Agenda in den Hintergrun­d gerückt. Aufgrund der geschlosse­nen Grenzen werde die Situation für viele Asylbewerb­er aber schwierige­r.

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Fotos: Passerell, Diana Hoffmann Freiwillig­e organisier­en Sommerakti­vitäten, bei denen Asylbewerb­ern das Land gezeigt wird. Wie hier bei einem Ausflug in Vianden.
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