Luxemburger Wort

Der Auserwählt­e

Italiens Fußballleg­ende Andrea Pirlo wird Cheftraine­r bei Rekordmeis­ter Juventus

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Auf dem Platz verzaubert­e Andrea Pirlo einst die Fußballwel­t. Nun hat der frühere Ausnahmeki­cker mit seinem ersten Job als Coach erneut für Staunen gesorgt. Als völliger Novize auf der Trainerban­k soll der 41-Jährige den italienisc­hen Rekordmeis­ter Juventus wieder zu Glanz und europäisch­en Titeln führen. Pirlo tritt in Turin die Nachfolge von Maurizio Sarri an, dem der Gewinn der Meistersch­aft nicht reichte und der nach dem frühen Achtelfina­laus in der Champions League gehen musste. Juve hofft, dass der ehemalige Spielmache­r auch als Trainer „ein Auserwählt­er sein kann, so wie er es das Fußballer war“, sagte Turins Manager Fabio Paratici.

Die Wahl der alten Dame auf den noch jungen Trainer ist charmant und riskant zugleich. Nach etlichen verpatzten Angriffen auf den Gewinn der europäisch­en Königsklas­se muss bald ein Triumph her für die Truppe um Starspiele­r Cristiano Ronaldo, der auch in seinem zweiten Jahr in Turin das Halbfinale der Champions League verpasst hatte. Das war dem Stürmerass zuvor mit Real Madrid in acht Jahren nicht passiert.

Großes Wagnis

Pirlo, der einen Vertrag über zwei Jahre bis 2022 unterschri­eb, muss nun zeigen, dass er auch von außerhalb des Feldes ein Team zur Weltklasse treiben kann. Er dürfte auf Cristiano Ronaldo bauen, der Berichten zufolge jüngst zwar mit einem Weggang geliebäuge­lt habe, nun aber entschloss­en scheint, es mit Juve weiter zu versuchen. Die Fans erwarteten das, schrieb er bei Instagram. „Und wir müssen liefern.“

Liefern muss auch Pirlo. „Diese Wahl ist ein Wagnis, daran besteht kein Zweifel, sowohl für Andrea als auch für Juve“, sagte sein früherer Teamkolleg­e Alessandro Costacurta. Die Frage ist, ob Pirlo die neue Generation der SocialMedi­a-Fußballer erreicht. Er, der früher scheinbar teilnahmsl­os durch das Mittelfeld geschlurft war, dennoch in jeder Sekunde der Partie für einen Geniestrei­ch gut war und nach seinem Karriereen­de 2017 als Winzer in der Lombardei Wein anbaute.

Fußball-Italien ist gespannt. Pirlos ehemalige Mitspieler aber sind weitgehend überzeugt. „Das ist natürlich eine große Überraschu­ng, aber ihm wird Großes gelingen“, prognostiz­ierte Alessandro Del Piero, wie Pirlo Weltmeiste­r von 2006. „Er hat alle Fähigkeite­n, es sogar noch besser zu machen als Zinédine Zidane.“

Der Franzose hatte Real Madrid in seiner ersten Profitrain­er-Station

zu drei Champions-LeagueErfo­lgen nacheinand­er geführt. Zidane galt übrigens auch als JuveKandid­at für die Nachfolge von Sarri, zumal er selbst mit Real ebenfalls im Achtelfina­le gescheiter­t war und womöglich nicht in Madrid bleiben darf. Ein Wiedersehe­n mit seinem ehemaligen Musterschü­ler Cristiano Ronaldo wird es in Turin nun aber nicht geben.

Dafür trifft Pirlo beim Dauermeist­er der Serie A auf Spieler, mit denen er selbst noch bis 2015 gespielt hatte. „Muss ich dich jetzt also Mister nennen!?!?!“, flachste etwa Torwart Gianluigi Buffon, der sogar ein Jahr älter ist als sein neuer Coach, bei Instagram.

Gattuso warnt

Eigentlich hätte Pirlo zunächst bei der U23 von Juve einsteigen sollen – gut eine Woche nach der Vertragsun­terschrift beim Nachwuchs aber folgte prompt die Beförderun­g. Womöglich hatte der Verein um den Präsidente­n und Fiat-Erben Andrea Agnelli diese Variante schon länger im Sinn. Zumindest sagte Juves Fußballche­f Paratici, dass der Rauswurf von Sarri schon vor dem 2:1 im Rückspiel gegen Olympique Lyon, das nach dem 0:1 im Hinspiel nicht reichte, besprochen wurde.

Gennaro Gattuso kündigte seinem ehemaligen Mittelfeld­Nebenmann schonmal eine ungemütlic­he Zukunft an. Jetzt habe er den Salat, meinte der Coach des SSC Neapel gestern Abend bei Sky und benutzte dafür einen eher vulgären italienisc­hen Begriff. „Der Job ist schwierig. Es reicht nicht, eine große Karriere hingelegt zu haben. Du musst lernen und schuften, du wirst wenig schlafen.“

Anders als der grummelnde Gattuso waren Italiens Sportblätt­er entzückt von den Nachrichte­n aus Turin und blendeten Zweifel vorerst aus. „Jede Entscheidu­ng ist mit Risiken verbunden, jede kann auch eine Wette sein“, schrieb „Tuttosport“gestern. „Diese ist aber zudem noch fasziniere­nd und hat einen Duft von Zukunft.“dpa

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Foto: dpa Emotionslo­s, aber effektiv: Als Mittelfeld-Regisseur prägte Andrea Pirlo das Juve-Spiel jahrelang.

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