Paradies in Gefahr
Flora und Fauna sind bedroht – Tonnen von Schweröl fließen derzeit in das Meer vor der Insel Mauritius
Im Urlaubsparadies Mauritius bahnt sich eine womöglich katastrophale Ölpest an, nachdem an der Ostküste der Insel im Indischen Ozean ein Tanker auf eine Korallenbank aufgelaufen ist und nun auseinander zu brechen droht. Das unter der Flagge Panamas fahrende japanische Schiff „MV Wakashio“war bereits am 25. Juli bei schwerem Wetter auf Grund gelaufen, hatte jedoch zunächst kein Öl verloren.
Am vergangenen Donnerstag brach jedoch der Brennstofftank des 300 Meter langen Schiffes auf und setzte in unmittelbarer Nähe zu einem geschützten Feuchtgebiet und einem Meeresschutzgebiet Tonnen von Schweröl frei. Die „MV Wakashio“war auf ihrer Fahrt von China nach Brasilien mit einem Treibstoffvorrat von 3 800 Tonnen Schweröl sowie 200 Tonnen Diesel beladen – ihre Frachttanks, die mehr als 200 000 Tonnen Rohöl fassen, sind glücklicherweise jedoch leer.
Raue See erschwert erste Rettungsaktionen
Versuche, den Treibstofftank des Schiffes leer zu pumpen, mussten angesichts der rauen See abgebrochen werden. Auch die 20-köpfige Crew der Wakashio wurde inzwischen evakuiert. Seit Donnerstag ergießt sich aus dem Tanker allerdings ein breiter Strom an Schweröl, der sowohl das Feuchtgebiet Pointe d’Esny wie auch ein weltberühmtes Schnorchel-Paradies, die „Blaue Bucht“, bedroht. Dort sind zahllose Fische, Pflanzen und Insekten beheimatet, die es teilweise nur auf Mauritius gibt.
„Ich bin so zornig!“, zitiert die Washington Post den ehemaligen
Parlamentarier Sunil Dowarkasing, der sich inzwischen dem Naturschutz verschrieben hat: „Zwölf Tage lang hat die Regierung untätig zugeschaut, wie sich hier eine Umweltkatastrophe anbahnte.“Dem Ökologen zufolge handelt es sich bei den Korallenbänken vor der mauritischen Küste um einzigartige, bis zu 100 Jahre alten Gebilde von Steinkorallen. Außerdem seien Mangrovenhaine und nirgendwo anders beheimatete Chamäleons bedroht.
Die Regierung von Mauritius rief inzwischen den Notstand über den 1,3 Millionen Einwohner zählenden Inselstaat aus. „Eine vergleichbare Katastrophe hat es hier noch nie gegeben“, sagte Fischerei-Minister Sudheer Maudhoo: „Wir sind nicht ausreichend ausgerüstet, um einem derartigen Problem begegnen zu können.“
Premierminister Pravin Jugnauth bat sowohl die Vereinten Nationen wie auch die französische Regierung um Hilfe: Die zu Frankreich gehörende Insel Réunion ist nur gut 100 Kilometer von Mauritius entfernt. Von dort wurde am Wochenende ein Flugzeug mit Experten sowie ein Schiff mit Geräten zur Eindämmung des Ölteppichs auf den Weg gebracht. „Wenn die Artenvielfalt gefährdet wird, ist Eile geboten“, textete Staatschef Emmanuel Macron am Samstag auf Twitter: „Frankreich ist da. Wir stehen an der Seite der Mauritier.“
Japanische Reederei verspricht Verantwortung zu tragen
Nagashiki Shipping, die japanische Reederei der Wakashio, meldete sich unterdessen mit der Versicherung zu Wort, ihre ökologische Verantwortung „außerordentlich ernst“zu nehmen. Sie werde alles unternehmen, um gemeinsam mit beauftragten Partnerfirmen das Öl-Leck zu schließen und die genaue Ursache des Unglücks an den Tag zu bringen. Allerdings konnten wegen des Wellengangs bisher am Schiff selber keine Arbeiten verrichtet werden: Das Wetter soll sich sogar noch verschlechtern. Ein völliges Auseinanderbrechen der „WV Wakashio“hätte katastrophale Folgen, sagen Experten.
Die mauritische Bevölkerung sucht den Ölteppich derzeit mit von Zuckerrohrblättern gefüllten Säcken einzudämmen. Friseure der Insel boten den Bewohnern kostenloses Haare-Schneiden an, weil Haare ebenfalls das Schweröl an sich binden. Mauritius ist sowohl auf den Fischfang angewiesen wie auf die Einnahmen aus dem Tourismus: Im vergangenen Jahr besuchten insgesamt 1,4 Millionen Urlauber das Insel-Paradies.
Wegen der Corona-Pandemie kam diese Einnahmequelle seit April dieses Jahres bereits völlig zum Erliegen: Obwohl Mauritius die Ausbreitung des Virus schnell unter Kontrolle bringen konnte.
Greenpeace sieht nun „Tausende an Tierarten“in Gefahr, „mit schrecklichen Folgen für die Wirtschaft von Mauritius, seine Ernährungssicherheit und das Gesundheitswesen“, heißt es in einer Mitteilung der Umweltschutzorganisation. „Einmal mehr sehen wir die Risiken des Erdölhandels: Die Verschlimmerung der Klimakrise, die Zerstörung der Ozeane und der Artenvielfalt, sowie die Gefährdung der Lebensgrundlage der Bevölkerung“.