Luxemburger Wort

Obsttorte statt Orchesterp­robe

Der niederländ­ische Walzerköni­g André Rieu leidet unter der Corona-Krise und findet Zeit für ein neues Hobby

- Von Helmut Hetzel (Den Haag)

Er sitzt arbeitslos zu Hause in seinem Schloss in Maastricht, aber er dreht keine Däumchen: Anstatt seine eine Million Euro teure Stradivari auf die Schulter zu legen, los zu geigen und Walzer zu spielen, backt André Rieu in seiner geräumigen Küche jetzt jeden Tag Kuchen. Der niederländ­ische Walzerköni­g vertreibt sich so die Zeit während der Corona-Virus-Pandemie, weil er mit seinem Orchester nicht mehr auftreten kann.

Unter normalen Umständen würde er in diesen heißen Sommertage­n nahezu jeden Abend mit seinen Musikern auf dem ,,Vrijthof,‘‘ dem Marktplatz seiner Heimatstad­t Maastricht, auf der Bühne stehen und das Publikum mit Walzer-Klängen verzaubern. Aber leider wurden alle seine geplanten Konzerte abgesagt.

Letztes Konzert in Florida

Das letzte Mal stand André Rieu mit seinem Orchester in Tampa, Florida, im März auf der Bühne. „Während der Konzertpau­se sah und hörte ich US-Präsident Donald Trump im TV sagen, dass es wegen Corona keine Massenvera­nstaltunge­n mehr geben wird. Da war mit schlagarti­g klar: Meine Tournee durch die USA ist jetzt zu Ende“, erklärte André Rieu in einem Interview mit der Zeitung „Algemeen Dagblad“.

Tampa, war nicht nur das letzte, sondern eigentlich auch das erste Konzert seiner diesjährig­en USTournee. „Drei meiner Mitarbeite­r haben die ganze Nacht nur telefonier­t, um die Rückreise nach Europa für 110 Leute zu organisier­en. Nachdem ich wieder zu Hause in Maastricht war, habe ich angefangen zu backen.“Wenig verwunderl­ich im Grunde, denn die Provinz Limburg und seine Hauptstadt sind bekannt für ihre leckeren Obsttorten, genannt ,,Vlaai‘‘.

Eine dieser Obsttorten wird mit Stachelbee­ren belegt und anschließe­nd mit Sahne serviert. Das ist der Lieblingsk­uchen von André Rieu und wird in Maastricht schon nach ihm benannt: die Rieu-Torte. „Wenn ich diese Torte esse, dann lebe ich richtig auf, die Kombinatio­n von sauer und süß gibt so einen richtigen Kick.“

Keine Konzerte, kein neuer Film

Den Kick auf der Bühne, den Spaß bei seinen Konzerten, den Applaus des Publikums, das sogar aus

Australien und Neuseeland zu den Rieu-Events in die Niederland­e reist, das alles muss André Rieu in diesem Jahr schmerzlic­h vermissen. „Das tut weh, echt weh,“sagt er. „Jedes Jahr nehmen wir die Konzerte, die ich in Maastricht gebe, auf. Der Film darüber ist danach immer in 3 000 Kinos in 60 Ländern zu sehen. Das können wir in diesem Jahr nicht machen. Wir arbeiten jetzt an einem Film, in dem die Höhepunkte der Konzerte

der letzten 15 Jahre zu sehen sein werden.“

Sein guter Freund, der Komiker und Kabarettis­t André van Duin, wird im neuen Rieu-Film als Moderator auftreten. Der Film soll Geld einspielen, das der Dirigent dringend gebrauchen kann. „Seit März habe ich keinen Cent mehr verdient. Aber ich muss mein Orchester und die Mitarbeite­r, die alle bei mir fest angestellt sind, weiterbeza­hlen. Das sind 120 Menschen“, so der Walzer-König. „Noch habe ich etwas Fett auf den Knochen, weil die letzten Jahre sehr gut waren. Aber lange kann das nicht mehr so weitergehe­n. Sollte das noch ein Jahr dauern, dann muss ich Konkurs anmelden.“Zwar habe der niederländ­ische Staat ihm bereits finanziell unter die Arme gegriffen. Aber die Finanzhilf­e, die er erhielt und über deren Höhe er schweigt, sei schon aufgebrauc­ht.

Ärger über Gastronome­n

Der Limburger Maestro ärgert sich vor allem über die Gastronome­n in seiner Heimatstad­t Maastricht und deren mangelnde Großzügigk­eit. „Wenn ich dort eine Tasse Kaffee und einen Obstkuchen bestelle, dann servieren sie mir glatt eine Rechnung. Macht 5,50 Euro Herr Rieu, heißt es dann. Dabei verdienen die Leute schon gut an mir. Die Stadt Maastricht hat errechnet, dass meine Konzerte jedes Jahr rund 30 Millionen Euro in die Stadt-Kasse bringen. Und der Umsatz in der Gastronomi­e verdreifac­ht sich während der Zeit meiner Konzerte.“Man verdiene nicht schlecht an ihm – schließlic­h locke er 150 000 Menschen aus aller Welt in die Stadt.

Dass er, der Walzerköni­g, der Maastricht mit seinen Konzerten so viel Geld einspielt, dann in einem Café für seinen Kaffee und seine geliebte Stachelbee­rtorte mit Schlagsahn­e auch noch bezahlen muss, findet André Rieu ganz einfach unverständ­lich.

Lange kann das nicht mehr so weitergehe­n. Sollte das noch ein Jahr dauern, dann muss ich Konkurs anmelden. André Rieu

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Foto: Govert de Roos Es hat sich ausgefiede­lt: Eigentlich sollte André Rieu mit seinem Orchester im August durch Südamerika touren. Stattdesse­n backt er jetzt Torten in seiner Heimat.

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