Schule in Zeiten von Corona
Gesundheitsministerin Lenert und Bildungsminister Meisch stellen den Bericht über die Covid-Infektionen in Schulen vor
Es gab wohl seit dem Beginn der Pandemie kein größeres Streitthema als die Auswirkungen der Schulöffnungen auf die Covid-Infektionsrate. Am Freitag haben Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Bildungsminister Claude Meisch (DP) einen Bericht präsentiert, der die bisherigen Erkenntnisse über die Infektionen von Schülern und Lehrern im Schulalltag analysiert. „Wir haben Daten von der Santé in den Bericht einfließen lassen, diese aber auch in den internationalen Kontext gesetzt“, betont Paul Wilmes, UniProfessor und Mitglied der Corona-Task-Force. „Bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre gibt es international eine Todesrate von 0,03 Prozent“, so Wilmes. Auch schwere Verläufe und Hospitalisierungen sind bei Minderjährigen viel seltener als in der Bevölkerung insgesamt. So erklärt sich, dass es in Luxemburg keinen einzigen Todesfall bei Kindern und Jugendlichen zwischen 0 und 19 Jahren gab. Demnach ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche auch bei der Verbreitung des Virus eine untergeordnete Rolle spielen. Ganz sicher sei man sich in dieser Hinsicht aber noch nicht, so Wilmes.
Wenig Infektionen in den Schulen Während der ersten Welle, zum Beispiel während der Woche vom 23. März, waren Kinder und Jugendliche im Vergleich zum Rest der Gesellschaft nur sehr wenig betroffen, so Paul Wilmes. Auf 100 000 Minderjährige wurden nur 40 positiv getestet. Bei der zweiten Welle sieht es allerdings anders aus. Hier liegen die Zahlen der positiv getesteten Kinder und Jugendlichen in etwa so hoch, wie im Rest der Bevölkerung. Auf 100 000 Minderjährige wurden etwa 100 positiv getestet. „Die Übertragungen fanden vor allem im Haushalt statt“, erklärte Paul Wilmes.
Die Unterschiede zwischen der ersten und der zweiten Welle sind laut Bildungsminister Claude Meisch vor allem darauf zurückzuführen, dass im Frühjahr mehrheitlich symptomatisch getestet wurde. Da Kinder und Jugendliche seltener Symptome zeigen, seien sie wohl nicht so systematisch erfasst worden, wie bei den Large Scale Tests während der zweiten Welle. Lehrerinnen und Lehrer waren etwas weniger von Infektionen betroffen als Arbeitnehmer in anderen Bereichen. Dies hängt, dem Bildungsminister nach, mit den strengen Hygienemaßnahmen zusammen, die in den Schulen gelten. Grundschulkinder infizieren sich seltener als Schüler in der Sekundarschule.
Laetitia Huiart von der Inspection sanitaire de la Direction de la santé erklärte am Freitag, dass die Familie nach wie vor die Hauptinfektionsquelle für Kinder und Jugendliche ist. In 49 Fällen sei es allerdings auch „sehr wahrscheinlich“zu Infektionen unter Schülern in der Schule gekommen. „Dies sind 11,6 Prozent von insgesamt 424 Personen, Schülern und Lehrern, die sich mit dem Virus infiziert haben“, erklärte Laetitia Huiart. „Wir gehen davon aus, dass diese 49 Infizierungen von 29 Personen ausgingen“, fügte sie an. 150 infizierte Kinder und Jugendliche hätten die Krankheit jedoch an niemanden weitergegeben, so Huiart. „Wenn ein Infektionsfall auftritt, sind die Vorsichtsmaßnahmen in Schulen besonders streng“, so die Mitarbeiterin der Inspection sanitaire, „die ganze Klasse muss dann in Quarantäne gehen.“
Insgesamt 2 711 Personen wurden in Quarantäne geschickt, davon wurden später 152 positiv getestet. Insgesamt waren 726 Schüler in Quarantäne, davon wurden 16 positiv getestet.
Die Schule sei aufgrund der Datenlage nicht als Ort mit einem außergewöhnlich hohen Infektionsrisiko einzuschätzen, da sich die Infektionszahlen
bei Kindern und Jugendlichen parallel zum Rest der Gesellschaft entwickelt haben. Es seien keine größeren Infektionscluster im Schulwesen entstanden. Den Effekt der Zusammenlegung der A/B Klassen könne man nicht genau beziffern, da die Datenlage eine solch klare Trennung nicht zulasse.
Recht auf Bildung
„Trotz der Restriktionen haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf Bildung. Wir dürfen keine verlorene Corona-Generation entstehen lassen“, betonte der Bildungsminister. An vielen Jugendlichen seien Lockdown und Homeschooling nicht spurlos vorbeigegangen, die Maßnahmen hätten das Schuljahr 2020 negativ beeinflusst. „Deshalb
wollen wir für die Schulrentrée Nachholkurse anbieten, in der Hoffnung, die Kinder aufzufangen, die in den letzten Monaten den Anschluss verloren haben“, erklärte Meisch.
Man habe gesehen, dass das Virus für Kinder und Jugendliche ungefährlicher sei als für ältere Mitbürger, es gehe also bei den Maßnahmen
vor allem darum, Risikogruppen zu schützen. „Die Erkenntnisse dieses Berichts werden dazu beitragen, dass wir Eltern und Schüler beruhigen können. Die Schule ist kein besonderer Risikoort“, erklärte der Bildungsminister. Der Minister fasste die für ihn wichtigsten Erkenntnisse des Berichts zusammen: „Es gab keine unkontrollierten Infektionsketten in den Schulen. Die Reproduktionszahl in den Schulen lag bei 0,27.“
Die Basisreproduktionszahl – also Erkrankte, die den Erreger weitergegeben haben – gestaltet sich jedoch je nach Schulstufe unterschiedlich. In der Grundschule lag der R-Wert bei 0,20, während er in der Sekundarschule mit 0,38 fast doppelt so hoch war. Zu Anfang der Pandemie sei man noch davon ausgegangen, dass die Schule eine der Hauptinfektionsquellen sein könnte, dies habe sich allerdings nicht bewahrheitet. Schüler seien auch weniger anfällig für einen schweren Krankheitsverlauf.
Trotzdem müsse man auch im kommenden Schuljahr vorsichtig bleiben und verschiedene Maßnahmen beachten. „Dass sich Schüler in der Schule infizieren, ist nicht unmöglich, aber äußerst selten“, so Meisch. Den Bericht würde man in die Überlegungen für das kommende Schuljahr mit einfließen lassen. Man arbeite daher nun an einem Stufenmodell, das in den nächsten Wochen vorgestellt werden soll.
Dass sich Schüler in der Schule infizieren, ist nicht unmöglich – aber äußerst selten. Claude Meisch
Stufenmodell für den Schulanfang Auf die Frage, wie genau das Stufenmodell aussehen soll, antwortete Meisch: „Die genaue Form des Stufenmodells werden wir unter Berücksichtigung des Analyseberichts und in Absprache mit dem Lehrpersonal ausarbeiten.“
Die Einführung eines Stufenmodells bedeutet, dass nicht im ganzen Land zum gleichen Zeitpunkt dieselben Hygiene-Einschränkungen gelten werden. Wie in der Gesellschaft insgesamt hing die Infektionsrate mit der Bevölkerungsdichte der jeweiligen Region zusammen. „In verschiedenen Regionen gab es gar keine Fälle, während es in anderen mehrere gab“, fasste Meisch zusammen. Dazu müsse man die biologischen Unterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen, die daraus resultierenden unterschiedlichen R-Werte in den Überlegungen einbeziehen. Deshalb wird mithilfe der Santé ein Restriktionsminimum ausgearbeitet, das je nach Gefährdungslage der jeweiligen Schule verschärft werden könnte. „Unser Ziel ist es, für das kommende Schuljahr den Unterricht wieder größtmöglich normal zu organisieren“, so Minister Meisch. Dementsprechend sollen keine Schulfächer mehr ausfallen und der Normalunterricht im Respekt der sanitären Restriktionen stattfinden. „Es kann nicht sein, dass systematisch Schulfächer wie der Sportunterricht ausfallen, obwohl die Kinder nach der Schule in den Vereinen Sport treiben können“, bekräftigte Meisch seine Aussage. Ebenfalls sollen Schüler die Möglichkeit erhalten, sich nach dem Sommerurlaub und vor dem Schulbeginn auf Covid testen zu lassen.