Luxemburger Wort

Im toten Winkel

In Luxemburg soll der Kampf gegen Menschenha­ndel und Schwarzarb­eit verstärkt werden

- Von Marc Hoscheid

Dass es in Luxemburg Fälle von Menschenha­ndel gibt, ist eine Tatsache. Bei der Erfassung der genauen Zahl tun sich die Behörden jedoch schwer. Das geht aus der Antwort von gleich drei Ministern auf eine parlamenta­rische Frage der beiden Abgeordnet­en der Piraten, Sven Clement und Marc Goergen, hervor. Diese hatten einen Beitrag des Fernsehsen­ders „RTL“über einen vermeintli­chen Fall von Menschenha­ndel in Vianden zum Anlass genommen, sich über das Thema zu erkundigen.

Bevor Arbeitsmin­ister Dan Kersch (LSAP), der Minister für Innere Sicherheit Henri Kox sowie Justizmini­sterin Sam Tanson (beide Déi Gréng) auf die eigentlich­en Fragen der beiden Abgeordnet­en antworten, liefern sie eine ziemlich ausführlic­he Beschreibu­ng des juristisch­en Rahmens und erklären, warum es nicht ganz einfach ist, den Strafbesta­nd des Menschenha­ndels nachzuweis­en. Dieser ist im zweiten Punkt des Artikels 382-1 des Strafgeset­zbuches definiert. Demzufolge ist es strafbar, die Arbeitskra­ft einer Person unter menschenun­würdigen Umständen auszubeute­n.

Im Rahmen von Kontrollen könne eine ganze Reihe von Unregelmäß­igkeiten festgestel­lt werden. Dazu zählen unter anderem das Fehlen eines schriftlic­hen Arbeitsver­trags, ein Arbeitsver­trag, der eine Bezahlung unterhalb des Mindestloh­ns vorsieht, exzessive Arbeitszei­ten oder die Beschäftig­ung ausländisc­her Arbeiter, die sich illegal im Land befinden respektive über keine Arbeitserl­aubnis verfügen. Die Minister präzisiere­n, dass eine Ausbeutung entgegen der menschlich­en Würde sich nicht auf das Gehalt beschränkt, sondern alle Elemente vom Statut des Arbeiters betrifft.

Strafen für illegale Beschäftig­ung entschärft

Es sei Aufgabe der Staatsanwa­ltschaft nachzuweis­en, dass ein Arbeitsver­hältnis respektive die Arbeitsbed­ingungen gegen die Menschenwü­rde verstoßen. Deswegen würden nur die schlimmste­n Fälle verfolgt, wobei stets darauf geachtet werde, dass der Gesetzesve­rstoß den Aufwand der Ermittlung­en rechtferti­ge. Die große Mehrheit der Bußgeldbes­cheide, die von der Polizei oder dem Zoll ausgestell­t werden, sowie die Verstöße, die von der Arbeitsauf­sichtsbehö­rde (ITM) festgestel­lt werden, hätten nichts mit Arbeitsbed­ingungen entgegen der menschlich­en Würde zu tun.

Laut Staatsanwa­ltschaft gibt es im Bau– und Gastronomi­egewerbe die meisten Fälle von Schwarzarb­eit. Hier würden oftmals Personen ohne Arbeitsver­trag eingestell­t und schwarz bezahlt. Allerdings sehe das Gesetz nur Strafen für die Angestellt­en vor, die sich oft in einer prekären finanziell­en Situation befinden. Oft gebe es auch keinen schriftlic­hen Arbeitsver­trag, was jedoch nicht strafrecht­lich sanktionie­rt werde.

Das Gesetz vom 29. August 2008 über Immigratio­n und die freie Zirkulatio­n von Personen sah für die

Das Baugewerbe gehört zu den Wirtschaft­szweigen, in denen es die meisten

Fälle gibt, in denen Personen einer berufliche­n Tätigkeit nachgehen, ohne über eine Arbeitsgen­ehmigung zu verfügen. illegale Beschäftig­ung ausländisc­her Arbeiter Gefängniss­trafen zwischen acht Tagen und einem Jahr oder eine Geldstrafe zwischen 251 und 20 000 Euro vor. Durch eine Anpassung des Gesetzes an eine europäisch­e Richtlinie Ende 2012 wurden die Strafen allerdings entschärft. Der Arbeitgebe­r riskiert für die illegale Beschäftig­ung von Personen aus Drittstaat­en seitdem noch eine administra­tive Strafe in Höhe von 2 500 Euro. Strafrecht­liche Konsequenz­en sind nur unter bestimmten Bedingunge­n vorgesehen, beispielsw­eise wenn das Vergehen ständig wiederholt wird. Diese Anpassung führte dazu, dass mehrere Urteile rückwirken­d abgemilder­t wurden.

Auch der Rückgriff auf selbststän­dige Arbeiter oder Firmen ohne Handlungse­rmächtigun­g ist illegal. Ein Bauherr, der dies trotzdem tut, riskiert eine Geldstrafe von 5 000 Euro, unabhängig vom Ausmaß der Arbeiten oder der Anzahl der Angestellt­en.

Auf die Frage von Clement und Goergen, wie viele Verwarnung­en seit 2010 an Polizei und Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet worden sind, können die Minister nur bedingt mit Zahlen aufwarten. In den meisten Fällen von Menschenha­ndel ging es in den vergangene­n Jahren um Zuhälterei. Vor Gericht wurden lediglich drei Fälle verhandelt. Laut Informatio­nen der ITM wurden in den Jahren 2019/2020 zwei Fälle von möglichem Menschenha­ndel an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet. Jeweils einer an die Staatsanwa­ltschaft in Luxemburg-Stadt und an jene in Diekirch. Im Jahr 2019 konnte ein Fall durch eine Verurteilu­ng in zweiter Instanz definitiv abgeschlos­sen werden. Stein des Anstoßes war die Klage eines Arbeiters bei der Polizei im Jahr 2016.

In Bezug auf den gesetzlich­en Rahmen sehen Kersch, Kox und Tanson durchaus Handlungsb­edarf. Dieser müsse angepasst und um neue Strafen erweitert werden, derzeit beschäftig­e sich eine interminis­terielle Arbeitsgru­ppe mit der Thematik. Was die personelle Ausstattun­g der ITM anbelangt, habe sich in den vergangene­n Jahren bereits viel zum Positiven verändert.

So stieg die Zahl der Arbeitsins­pektoren bei der ITM von 15 im Jahr 2016 auf 29 im Jahr 2019. Zudem seien derzeit 46 Praktikant­en bei der ITM beschäftig­t. Ende dieses Jahres steige die Zahl der Inspektore­n, die vor Ort aktiv sind, auf 61, was viel mehr Kontrollen ermögliche. Jeder Inspektor erhalte eine spezielle Ausbildung in Bezug auf Menschenha­ndel. Seit dem Jahr 2015 erhielten 37 Personen insgesamt 264 Stunden an spezifisch­er Ausbildung.

ITM bei Steuerhint­erziehung nicht zuständig

Keinen Verbesseru­ngsbedarf sehen die Minister indes bei der Kommunikat­ion zwischen den jeweiligen Verwaltung­en. So habe es im November 2019 erstmals eine gemeinsame Kontrolle von ITM und Polizei gegeben. Am 4. und 9. Juli folgten zwei weitere an drei verschiede­nen Orten gleichzeit­ig. Die Ermittlung­en laufen noch. Neue Kommunikat­ionswege würden daher nicht benötigt.

Auf die Frage, ob die ITM bei der Überprüfun­g komplexer Firmenstru­kturen überforder­t ist, ist es indes die Klarstellu­ng, dass die ITM für Kontrollen in den Bereichen Arbeitsrec­ht, -sicherheit sowie -gesundheit verantwort­lich ist. Hierfür sei die Struktur des Unternehme­ns nebensächl­ich, da stets der Arbeitgebe­r der jeweiligen Firma verantwort­lich ist. Es wird zudem unterstric­hen, dass Konstrukte zur Steuerhint­erziehung nicht in den Zuständigk­eitsbereic­h der ITM fallen.

In den meisten Fällen von Menschenha­ndel ging es in den vergangene­n Jahren um Zuhälterei.

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