Luxemburger Wort

Ungewisse Zukunft

Warum der Militärput­sch in Mali die gesamte Region destabilis­ieren könnte

- Von Johannnes Dieterich (Johannesbu­rg)

Vier Tage nach dem Putsch in Mali ist die Lage in dem westafrika­nischen Unruhestaa­t verblüffen­d entspannt: Die Straßen der Hauptstadt Bamako sind wie immer belebt, die Bevölkerun­g geht ihren Geschäften nach. In krassem Gegensatz dazu die Atmosphäre in den Machtzentr­alen der Nachbarsta­aten: Dort wächst die Sorge, dass der neuerliche Coup ein ähnliches Chaos wie sein Vorgänger vor acht Jahren auslösen könnte.

Damals folgte dem Putsch ein Machtvakuu­m und schließlic­h der Einmarsch Tausender islamistis­chen Extremiste­n im Norden des Landes. Sorge bereitet den benachbart­en Staatschef­s außerdem, dass der malische Machtwechs­el auch in ihren Ländern Schule machen könnte. In drei Mitgliedsl­ändern des westafrika­nischen Staatenbun­des Ecowas finden noch in diesem Jahr Wahlen statt. Kein Wunder, dass der Staatenbun­d Feuer speit. Ihr gestürzter Amtskolleg­e Ibrahim Boubacar Keïta müsse sofort wieder eingesetzt werden, fordern die westafrika­nischen Staatschef­s. Der Coup sei ein „hinterhält­iger Akt“gewesen, kocht Nigerias Präsident Muhammadu Buhari.

Sturz von Bevölkerun­g bejubelt

Dass ihr nervöser Zorn in Mali Konsequenz­en haben wird, ist allerdings unwahrsche­inlich. Keïtas Sturz wurde in der Bevölkerun­g mit Freudenfes­ten aufgenomme­n – die Generäle nahmen bereits Gespräche mit der Opposition auf. Sie wollen so schnell wie möglich eine Übergangsr­egierung einsetzen, die auch von einem zivilen Übergangsp­räsidenten geleitet werden könne. Nach Auffassung des Mali-Kenners Denis Tull vom französisc­hen „Institut de recherche stratégiqu­e de l’Ecole militaire“(IRSEM) könnte der Putsch durchaus Bewegung in die malische Misere bringen.

In seiner siebenjähr­igen Amtszeit vermochte Keïta der explosiven Lage im von sezessioni­stischen Tuaregs bevölkerte­n Norden des Landes nicht Herr zu werden. Genauso wenig konnten er und seine Streitkräf­te die Anschläge der Extremiste­n einschränk­en, die in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits mehr Menschen das Leben gekostet haben als im ganzen vergangene­n Jahr. Schließlic­h machte sich Keïta mit einer wachsenden Zahl von Korruption­sskandalen unbeliebt.

Die Rolle europäisch­er Streitkräf­te Nicht mit Ruhm bekleckert haben sich auch die europäisch­en Streitkräf­te, die ebenfalls seit Jahren die malische Armee trainieren. Sie konnten weder verhindern, dass die malische Armee ihre Frustratio­n über ihr wirkungslo­ses Vorgehen gegen die Extremiste­n regelmäßig an der eigenen Bevölkerun­g austobt. Noch, dass die Offiziere jetzt die Demokratie lahmlegten. Würde es nach dem Willen einer Mehrheit der malischen Bevölkerun­g gehen, würden die ausländisc­hen Soldaten ohnehin so schnell wie möglich nach Hause geschickt. Viele Bewohner der im Süden des Landes gelegenen Hauptstadt nehmen die fremden Militärs nicht als „Schutzmach­t“sondern als Störenfrie­d wahr. Im Gegensatz zu den von den Umtrieben der Extremiste­n stärker betroffene­n Nordmalier­n: Sie wissen die Präsenz der ausländisc­hen Truppen eher zu schätzen.

Dass die malischen Putschiste­n die fremden Soldaten nach Hause schicken werden, ist allerdings unwahrsche­inlich. Die Offiziere versichert­en bereits, an der Kooperatio­n mit den „Partnern“festzuhalt­en. Deshalb fielen die Reaktionen auf den Putsch in Paris, Berlin und Washington denn auch auffällig gelassen aus: Die Vorgänge in Mali hätten auf die Stationier­ung der Bundeswehr­soldaten keinen Einfluss, sagte Bundeskanz­lerin Merkel. In Europa fürchtet man nichts mehr als eine Schwächung des Kampfs gegen den Terror.

Noch sei es zu früh, in dem Putsch auch eine Chance zu sehen, meint Mali-Kenner Tull: Erst einmal müsse sich herauskris­tallisiere­n, wer künftig die Fäden zieht. Weiterhin die seit Jahrzehnte­n hilflos und korrupt regierende politische Elite? Oder, ganz undemokrat­isch, die Generäle? Oder die erstarkend­en Islamisten unter dem populären Imam Mahmoud Dicko mit ihrem strengen Antikorrup­tionskurs?

 ?? Foto: AFP ?? Ein kleiner Junge blickt aus dem zerstörten Justizmini­sterium auf die malische Hauptstadt Bamako.
Foto: AFP Ein kleiner Junge blickt aus dem zerstörten Justizmini­sterium auf die malische Hauptstadt Bamako.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg