Die Rede seines Lebens
Joe Biden hat sich in einem fulminanten Finale des Parteitags der Demokraten als „Retter der Seele Amerikas“empfohlen
Statt Ballons, Konfetti und jubelnden Delegierten gab es am Ende ein Feuerwerk über dem „Chase Center“in Wilmington. Der Kandidat und seine Frau lassen sich von ihren Anhängern auf dem Parkplatz vor der leeren Arena mit Blinken, Hupen und einem Meer aus Sternenbannern sozial distanziert feiern. Auch Kamala Harris und Ehemann Doug sind gekommen. In Maske und sichtbar zufrieden wie Joe Biden, der in den vergangenen vier Tagen jeden Zweifel an der Stimmigkeit seiner Nominierung aus der Welt räumte.
Licht statt Dunkelheit
Ohne Publikum, aber mit viel Gefühl für die Stimmung im Land, setzte Biden zum Abschluss des ersten virtuellen Parteitags in der Geschichte der USA mit seiner Kandidatenrede ein Ausrufezeichen hinter einem sorgfältig komponierten Narrativ. „In diesem Wahlkampf geht es nicht bloß darum, Stimmen zu gewinnen“, sagt der Präsidentschaftskandidat. „Es geht darum, das Herz, und ja, die Seele Amerikas zu gewinnen.“
Die brillante Parteitagsregie der Strategen Stefanie Cutter und Ricky Kirshners, der Erfahrung aus der Produktion der „Super-Bowl“Halbzeitshow hat, legte in den vier Tagen die Stränge an, die Biden zusammen mit seinem Redenschreiber, dem Historiker Jon Meacham, in der Nacht zum Freitag zusammenführte.
Am Anfang des Parteitags stand am Montag der dringende Weckruf der beliebtesten Person des öffentlichen Lebens, Michelle Obama, über die tödlichen Gefahren, die von Donald Trumps zynischer Indifferenz im Angesicht der Corona-Pandemie mit fast sechs Millionen Infizierten und mehr als 171 000 Toten ausgehen.
Es folgte der Gegenentwurf des guten Menschen von Delaware, der sich kümmert. Auf den Punkt gebracht mit dem Versprechen seiner Frau Jill, der Kandidat werde sich um das Land wie um seine eigene Familie kümmern.
Dann kam die existenzielle Warnung Barack Obamas vom Geburtsort der amerikanischen Verfassung über das mögliche Ende der Demokratie in Amerika. Verbunden mit der historischen Nominierung der ersten schwarzen Vizekandidatin.
Biden führt das Narrativ zusammen, indem er die Wahl am 3. November als Entscheidung zwischen Licht und Dunkelheit präsentiert. „Der jetzige Präsident hat Amerika viel zu lang in Dunkelheit gehüllt“, sagte Biden. „Zu viel Wut, zu viel Spaltung. Ich gebe Ihnen mein Wort: Wenn Sie mir die Präsidentschaft anvertrauen, werde ich das Beste in uns suchen, nicht das Schlechteste. Ich werde ein Verbündeter des Lichts, nicht der Dunkelheit sein.“
Biden übertraf alle Erwartungen. Selbst Trumps Haussender Fox News nannte die Rede „enorm effektiv“. Moderator Chris Wallace meinte, er habe die Strategie des Präsidenten durchkreuzt, ihn als senil darzustellen. „Da klafft nun eine große Lücke.“
Andere Analysten sprachen von der besten Rede seines Lebens. Eine, auf die sich Biden seit Eintritt in die Politik als jüngster Senator in der Geschichte des Senats 1972 vorbereitet hat. Emotional, leidenschaftlich und mit einer Intensität, die der Dringlichkeit der Krisen entspricht, in denen sich die USA wiederfinden: ein außer Kontrolle geratenes Virus, struktureller Rassismus, 30 Millionen Arbeitslose und der ignorierte Klimawandel.
„Wenn wir diesem Präsidenten vier weitere Jahre geben, dann wird er weitermachen, was er die vier vergangenen Jahre gemacht hat“, warnt Biden in seiner Kandidatenrede. „Ein Präsident, der keine Verantwortung übernimmt, es ablehnt zu führen, anderen die Schuld zuweist, sich Diktatoren anbiedert und die Flammen des Hasses und der Teilung anfacht.“
Der Demokrat versprach, ein Präsident aller Bürger zu sein, nicht nur der seiner Partei. „Ich werde Amerika beschützen, ich werde uns gegen jede Attacke – sichtbar oder unsichtbar – verteidigen, immer, ohne Ausnahme, jedes Mal.“
Engagierter Kampf gegen Corona Einen guten Teil seiner Ausführungen widmete er der CoronaPandemie, die aus dem sicher geglaubten Wahlsieger Trump einen mutmaßlichen Verlierer gemacht hat. Und Bidens drittem Anlauf auf die Präsidentschaft Sinn verlieh.
„Wir stehen weltweit an der Spitze der Infektionen. Wir stehen weltweit an der Spitze bei den Todeszahlen“, kritisiert Biden den Amtsinhaber. „Diese Tragödie wäre vermeidbar gewesen. In Kanada ist es nicht so schlimm. Oder in Europa. Oder in Japan. Oder an den meisten anderen Orten der Welt.“Statt sich den wissenschaftlichen Fakten zu stellen, behaupte der Präsident, das Virus werde wie durch ein Wunder verschwinden. „Ich habe Neuigkeiten für ihn. Es wird kein Wunder kommen.“
Im Fall seiner Wahl kündigte Biden an, eine nationale Strategie umzusetzen, die neben vermehrten Tests und Schutzausrüstungen eine landesweite Maskenpflicht beinhalte. „Wir werden unsere Wirtschaft nicht wieder in Gang bringen, unsere Kinder nicht sicher zurück in die Schulen schicken können und unsere Leben nicht wieder zurückerhalten, solange wir uns nicht um das Virus kümmern.“
Biden verknüpft das Versagen beim Kampf gegen die Pandemie mit der Verletzung seiner wichtigsten Pflicht gegenüber den Amerikanern. „Er hat uns nicht beschützt.“Kraftvoll verspricht der ehemalige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat auch, wieder an der Seite der Verbündeten und Freunde Amerikas zu stehen. „Ich werde unseren Gegnern klarmachen, dass die Tage vorbei sind, an denen wir uns bei Diktatoren anbiedern.“
Die 25 Minuten lange Rede stand am Ende eines Abends, an dem Bidens ehemalige Konkurrenten um die Nominierung und seine Familie Zeugnis für den Präsidentschaftskandidaten ablegten. Den größten Eindruck hinterließ der 13jährige Brayden Harrington, der vor dem großen Auftritt Bidens von seiner Begegnung mit dem Kandidaten erzählte. „Er sagte mir, dass wir Mitglieder des gleichen Clubs seien: Wir stottern.“Biden habe ihm gezeigt, wie er selbst seine Reden markiere, damit es einfacher sei, sie laut zu sprechen. In einem später eingespielten Film beschrieb Biden selbst, wie er als Kind daran gearbeitet habe, sein Stottern zu überwinden.
Harringtons Zeugnis ist eines von vielen, die während der vier Tage einen grundlegenden Unterschied des demokratischen Kandidaten zu Trump illustrierten. Onkel Joe kann sich einfühlen, zusammenbringen und trösten. Er ist der Anti-Trump, der für ein anderes Amerika steht.
Barnier, zeigten sich nach Abschluss der siebten Verhandlungsrunde am Freitag in Brüssel tief enttäuscht und machten sich gegenseitig schwere Vorwürfe. Die nächste Runde soll in der zweiten Septemberwoche in London stattfinden.