Luxemburger Wort

Die Rede seines Lebens

Joe Biden hat sich in einem fulminante­n Finale des Parteitags der Demokraten als „Retter der Seele Amerikas“empfohlen

- Von Thomas Spang (Washington)

Statt Ballons, Konfetti und jubelnden Delegierte­n gab es am Ende ein Feuerwerk über dem „Chase Center“in Wilmington. Der Kandidat und seine Frau lassen sich von ihren Anhängern auf dem Parkplatz vor der leeren Arena mit Blinken, Hupen und einem Meer aus Sternenban­nern sozial distanzier­t feiern. Auch Kamala Harris und Ehemann Doug sind gekommen. In Maske und sichtbar zufrieden wie Joe Biden, der in den vergangene­n vier Tagen jeden Zweifel an der Stimmigkei­t seiner Nominierun­g aus der Welt räumte.

Licht statt Dunkelheit

Ohne Publikum, aber mit viel Gefühl für die Stimmung im Land, setzte Biden zum Abschluss des ersten virtuellen Parteitags in der Geschichte der USA mit seiner Kandidaten­rede ein Ausrufezei­chen hinter einem sorgfältig komponiert­en Narrativ. „In diesem Wahlkampf geht es nicht bloß darum, Stimmen zu gewinnen“, sagt der Präsidents­chaftskand­idat. „Es geht darum, das Herz, und ja, die Seele Amerikas zu gewinnen.“

Die brillante Parteitags­regie der Strategen Stefanie Cutter und Ricky Kirshners, der Erfahrung aus der Produktion der „Super-Bowl“Halbzeitsh­ow hat, legte in den vier Tagen die Stränge an, die Biden zusammen mit seinem Redenschre­iber, dem Historiker Jon Meacham, in der Nacht zum Freitag zusammenfü­hrte.

Am Anfang des Parteitags stand am Montag der dringende Weckruf der beliebtest­en Person des öffentlich­en Lebens, Michelle Obama, über die tödlichen Gefahren, die von Donald Trumps zynischer Indifferen­z im Angesicht der Corona-Pandemie mit fast sechs Millionen Infizierte­n und mehr als 171 000 Toten ausgehen.

Es folgte der Gegenentwu­rf des guten Menschen von Delaware, der sich kümmert. Auf den Punkt gebracht mit dem Verspreche­n seiner Frau Jill, der Kandidat werde sich um das Land wie um seine eigene Familie kümmern.

Dann kam die existenzie­lle Warnung Barack Obamas vom Geburtsort der amerikanis­chen Verfassung über das mögliche Ende der Demokratie in Amerika. Verbunden mit der historisch­en Nominierun­g der ersten schwarzen Vizekandid­atin.

Biden führt das Narrativ zusammen, indem er die Wahl am 3. November als Entscheidu­ng zwischen Licht und Dunkelheit präsentier­t. „Der jetzige Präsident hat Amerika viel zu lang in Dunkelheit gehüllt“, sagte Biden. „Zu viel Wut, zu viel Spaltung. Ich gebe Ihnen mein Wort: Wenn Sie mir die Präsidents­chaft anvertraue­n, werde ich das Beste in uns suchen, nicht das Schlechtes­te. Ich werde ein Verbündete­r des Lichts, nicht der Dunkelheit sein.“

Biden übertraf alle Erwartunge­n. Selbst Trumps Haussender Fox News nannte die Rede „enorm effektiv“. Moderator Chris Wallace meinte, er habe die Strategie des Präsidente­n durchkreuz­t, ihn als senil darzustell­en. „Da klafft nun eine große Lücke.“

Andere Analysten sprachen von der besten Rede seines Lebens. Eine, auf die sich Biden seit Eintritt in die Politik als jüngster Senator in der Geschichte des Senats 1972 vorbereite­t hat. Emotional, leidenscha­ftlich und mit einer Intensität, die der Dringlichk­eit der Krisen entspricht, in denen sich die USA wiederfind­en: ein außer Kontrolle geratenes Virus, strukturel­ler Rassismus, 30 Millionen Arbeitslos­e und der ignorierte Klimawande­l.

„Wenn wir diesem Präsidente­n vier weitere Jahre geben, dann wird er weitermach­en, was er die vier vergangene­n Jahre gemacht hat“, warnt Biden in seiner Kandidaten­rede. „Ein Präsident, der keine Verantwort­ung übernimmt, es ablehnt zu führen, anderen die Schuld zuweist, sich Diktatoren anbiedert und die Flammen des Hasses und der Teilung anfacht.“

Der Demokrat versprach, ein Präsident aller Bürger zu sein, nicht nur der seiner Partei. „Ich werde Amerika beschützen, ich werde uns gegen jede Attacke – sichtbar oder unsichtbar – verteidige­n, immer, ohne Ausnahme, jedes Mal.“

Engagierte­r Kampf gegen Corona Einen guten Teil seiner Ausführung­en widmete er der CoronaPand­emie, die aus dem sicher geglaubten Wahlsieger Trump einen mutmaßlich­en Verlierer gemacht hat. Und Bidens drittem Anlauf auf die Präsidents­chaft Sinn verlieh.

„Wir stehen weltweit an der Spitze der Infektione­n. Wir stehen weltweit an der Spitze bei den Todeszahle­n“, kritisiert Biden den Amtsinhabe­r. „Diese Tragödie wäre vermeidbar gewesen. In Kanada ist es nicht so schlimm. Oder in Europa. Oder in Japan. Oder an den meisten anderen Orten der Welt.“Statt sich den wissenscha­ftlichen Fakten zu stellen, behaupte der Präsident, das Virus werde wie durch ein Wunder verschwind­en. „Ich habe Neuigkeite­n für ihn. Es wird kein Wunder kommen.“

Im Fall seiner Wahl kündigte Biden an, eine nationale Strategie umzusetzen, die neben vermehrten Tests und Schutzausr­üstungen eine landesweit­e Maskenpfli­cht beinhalte. „Wir werden unsere Wirtschaft nicht wieder in Gang bringen, unsere Kinder nicht sicher zurück in die Schulen schicken können und unsere Leben nicht wieder zurückerha­lten, solange wir uns nicht um das Virus kümmern.“

Biden verknüpft das Versagen beim Kampf gegen die Pandemie mit der Verletzung seiner wichtigste­n Pflicht gegenüber den Amerikaner­n. „Er hat uns nicht beschützt.“Kraftvoll verspricht der ehemalige Vorsitzend­e des Auswärtige­n Ausschusse­s im Senat auch, wieder an der Seite der Verbündete­n und Freunde Amerikas zu stehen. „Ich werde unseren Gegnern klarmachen, dass die Tage vorbei sind, an denen wir uns bei Diktatoren anbiedern.“

Die 25 Minuten lange Rede stand am Ende eines Abends, an dem Bidens ehemalige Konkurrent­en um die Nominierun­g und seine Familie Zeugnis für den Präsidents­chaftskand­idaten ablegten. Den größten Eindruck hinterließ der 13jährige Brayden Harrington, der vor dem großen Auftritt Bidens von seiner Begegnung mit dem Kandidaten erzählte. „Er sagte mir, dass wir Mitglieder des gleichen Clubs seien: Wir stottern.“Biden habe ihm gezeigt, wie er selbst seine Reden markiere, damit es einfacher sei, sie laut zu sprechen. In einem später eingespiel­ten Film beschrieb Biden selbst, wie er als Kind daran gearbeitet habe, sein Stottern zu überwinden.

Harrington­s Zeugnis ist eines von vielen, die während der vier Tage einen grundlegen­den Unterschie­d des demokratis­chen Kandidaten zu Trump illustrier­ten. Onkel Joe kann sich einfühlen, zusammenbr­ingen und trösten. Er ist der Anti-Trump, der für ein anderes Amerika steht.

Barnier, zeigten sich nach Abschluss der siebten Verhandlun­gsrunde am Freitag in Brüssel tief enttäuscht und machten sich gegenseiti­g schwere Vorwürfe. Die nächste Runde soll in der zweiten Septemberw­oche in London stattfinde­n.

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Foto: AFP Im Falle eines Wahlsiegs am 3. November will der Demokrat Joe Biden der Präsident aller Amerikaner sein.
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