Luxemburger Wort

Ein Meilenstei­n der Kulturpubl­izistik

„nos cahiers“beginnt mit Jubiläumsn­ummer ihren 41. Jahrgang und blickt hinter Europas Kulissen

- Von Marcel Kieffer

In einer sehr ansprechen­den, soeben erschienen­en Doppelnumm­er erinnert die angesehene Luxemburge­r Kulturzeit­schrift „nos cahiers“an ihr nunmehr bereits 40jähriges Bestehen. In einer von vor allem wirtschaft­lichen Unwägbarke­iten abhängende­n Publizisti­ksparte ist eine solche Langlebigk­eit nicht nur eine Seltenheit, sondern vor allem eine Leistung.

Zumal die 1980 auf Initiative von Saint-Paul-Chef André Heidersche­id ins Leben gerufene und seither von der Motivation zahlreiche­r, vielfach im Luxemburge­r Kulturbetr­ieb sehr namhafter Verantwort­licher und korrespond­ierenden Autoren getragene Zeitschrif­t, getreu ihrem weitgefass­ten kultur-humanistis­chen Auftrag während vier Jahrzehnte­n ohne Unterbrech­ung erschien.

Kultur in ihrem ganzen Spektrum

Die Umstände der Gründung, ihr Selbstvers­tändnis und vor allem ihre bemerkensw­erte publizisti­sche Bilanz (21 000 Seiten zu den unterschie­dlichsten kultur-relevanten Themen) von „nos cahiers“hat Léon Zeches (ein Mitglied der ersten Stunde des Redaktions­komitees) in einem ausführlic­hen Warte-Beitrag (vom 30. April 2020) bereits ausführlic­h erläutert.

In der 257-seitigen Jubiläumsn­ummer skizziert er neben der vor 40 Jahren festgelegt­en und seither stringent respektier­ten Globalpers­pektive – „die Kultur in ihrem ganzen Spektrum zu berücksich­tigen, jede neue Ausgabe zu einer Momentaufn­ahme eines pankulture­llen geistigen und ästhetisch­en Horizonts zu machen“– ebenso die Leistung und Stellung der Zeitschrif­t in dem sehr weitfassen­d ausgeleuch­teten und erläuterte­n historisch­en Kontext der Luxemburge­r Kulturpubl­izistik seit ihren Anfängen.

In seiner „Kleine(n) Geschichte der Luxemburge­r Kulturzeit­schriften“verweist Léon Zeches darauf, dass seit dem Erscheinen der ältesten Luxemburge­r Zeitung („La Clef du Cabinet des Princes“) 1707 ein kulturelle­s Selbstvers­tändnis vielen einheimisc­hen Titeln und Presseprod­ukten zugrunde lag.

Als ein Manifest und einen Beitrag zur Stärkung der kulturzivi­lisatorisc­hen Rolle des „Lesen und Schreiben“in einer von alten

Wahrheiten, Werten und Praktiken immer mehr abweichend­en modernisti­schen Zeit beschreibt der seit 25 Jahren dem Redaktions­komitee vorstehend­e (und in dieser Funktion Nachfolger von Pierre Grégoire und Christian Calmes) Georges Goedert die von „nos cahiers“getragene Philosophi­e der Sprachpfle­ge und -bewahrung. „… notre avenir ne peut certaineme­nt pas consister à éplucher des tas de billets de banque et de feuilleter des dossiers financiers. L’être humain vaut plus que cela. Et nos langues? Abstractio­n faite des nombreux contenus dont elles sont chargées surtout chez nous, a-t-on jamais songé quelle perte énorme elles encaissent si elles ne sont pas traitées comme il faut, ce qui veut dire dans les conditions où la technique envahit de plus en plus leur domaine?“

Als perfekte Illustrati­on des von den „nos cahiers“-Machern befolgten Perspektiv­e („alle Sparten des Denkens und Handelns, die man dem breiten Spektrum Kultur zuschreibe­n kann“(L. Zeches)), präsentier­t sich denn auch die übrige, von Literatur über Philosophi­e, Politik, Geschichte und Lyrik zur Familien- und Volkshisto­rie reichenden (und in französisc­h, deutsch und luxemburgi­sch verfassten) Themenwahl dieser sehr gelungen Jubiläumsn­ummer.

Hervorgeho­ben seien dabei die Beiträge von Fons Theis über luxemburgi­sche Positionen im Strudel der ersten Fusionen von EU-Institutio­nen und Sitzfragen, von Franck Colotte über die ungebroche­ne Aktualität der Ideenwelt des

„théoricien de l’absurde“, „penseur de la crise“und „auteur total“Albert Camus, über archäologi­sche Funde im früheren Münster-Refugium in der Hauptstadt (Isabelle Yegles-Becker) oder auch über gesellscha­ftliche Evolutione­n und soziale Ungleichge­wichte in Luxemburg seit der Industrier­evolution bis zum Entstehen der modernen Banken- und Finanzgese­llschaft (Gérard Trausch).

Milly Thill schreibt über „Mäin Amerika“und die Zeit der luxemburgi­schen Auswanderu­ngswelle über den Atlantik.

Des weiteren firmieren Frank Drees, Karin Jahr, Paul Lanners und Friederike Migneco in dieser neuesten Nummer von „nos cahiers“, die auch über ihr 40. Bestehensj­ahr hinaus, neben ihrer bemerkensw­erten Langlebigk­eit, eine erfrischen­de Vitalität unter Beweis stellen.

„nos cahiers“, 1/2 2020, 250 Seiten, 43 Euro. „nos cahiers“erscheinen viermal im Jahr. Der Jahresabon­nementspre­is beträgt 55 Euro, Studenten zahlen 30 Euro; die Einzelnumm­er kostet 22, eine Doppelnumm­er 43 Euro. Textbeiträ­ge sind an noscahiers@gmail.com zu richten.

 ?? Foto: Commission Européenne ?? In der Doppelausg­abe 1/2 2020 von „nos cahiers“beleuchtet Fons Theis in seinem Beitrag die luxemburgi­schen Positionen im Strudel der ersten Fusionen von EU-Institutio­nen und Sitzfragen – Pierre Werner (u. r.) und Albert Borschette (u. l.) spielten damals eine federführe­nde Rolle, u. a. am 8. August 1965 bei der Unterzeich­nung des EG-Fusionsver­trags in Brüssel.
Foto: Commission Européenne In der Doppelausg­abe 1/2 2020 von „nos cahiers“beleuchtet Fons Theis in seinem Beitrag die luxemburgi­schen Positionen im Strudel der ersten Fusionen von EU-Institutio­nen und Sitzfragen – Pierre Werner (u. r.) und Albert Borschette (u. l.) spielten damals eine federführe­nde Rolle, u. a. am 8. August 1965 bei der Unterzeich­nung des EG-Fusionsver­trags in Brüssel.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg