Duell der Tormaschinen
Die Champions-League-Finalteilnehmer Paris SG und FC Bayern lieben das Offensivspiel
Auf dieses Endspiel blickt ganz Europa. Bayern München gegen Paris SG könnte wegen des Auflaufs der Fußballstars und zweier Teams in großer Form ein Spektakel werden, auch wenn der äußere Rahmen ohne Fans im Estadio da Luz am Sonntag (Anpfiff um 21 Uhr) coronabedingt ein trister sein wird.
Die Hauptdarsteller auf dem Spielfeld in Lissabon werden dennoch vor Leidenschaft brennen, wie Bayern-Kapitän Manuel Neuer sagte: „Jetzt freuen wir uns auf das Endspiel gegen PSG. Wir haben so lange dafür gekämpft und gearbeitet und wollen dieses Finale gewinnen.“Ein Vergleich der Mannschaftsteile und der beiden Finaltrainer.
Tor
Paris SG: Die Nummer eins heißt Keylor Navas und gewann die Königsklasse drei Mal nacheinander mit Real Madrid. Allerdings verletzte sich der 33-Jährige aus Costa Rica im Viertelfinale gegen Bergamo. Gegen Bayern dürfte er wieder fit sein. Dies würde den Franzosen in die Karten spielen. Sein im Halbfinale gegen RB Leipzig zu Null haltender Vertreter Sergio Rico hat auch Endspielerfahrung: Der 26 Jahre alte Spanier stand im Tor, als der FC Sevilla 2015 die Europa League gewann.
FC Bayern: Neuer ist einer der ganz großen Bayern-Trümpfe. Champions-League-Sieger 2013, Weltmeister 2014, endspielerprobt und ein kolossaler Rückhalt. „Manuel ist einmalig“, sagte Oliver Kahn nach dem 3:0 im Halbfinale gegen Lyon, in dem Neuer allein gegen Ekambi mit einer Weltklasseaktion das Anschlusstor verhinderte. Der frühere Torwart Kahn, der Vorstandsmitglied beim deutschen
Rekordmeister ist, weiß nur zu gut, was der Mann im Münchner Tor leisten muss: „Er wird nicht dauerbeschäftigt, aber wenn er gebraucht wird, muss er da sein.“Neuer war das bislang in Lissabon.
Abwehr
Paris SG: Der 35-jährige Kapitän Thiago Silva geht in sein letztes Spiel als Pariser Abwehrchef. Neben ihm verteidigt der robuste, aber auch fehlerhafte Presnel Kimpembe. Die Außenverteidiger haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Der gelernte Innenverteidiger Thilo Kehrer ist stark in der Defensive, schaltet sich jedoch kaum ins Offensivspiel ein. Der ehemalige Bayern-Spieler Juan Bernat liebt es, auf der linken Seite nach vorne zu stürmen. Er leistet sich aber öfters Stellungsfehler.
FC Bayern: Trainer Hansi Flick hat aus der Not heraus eine Abwehrreihe geschaffen, die Erstaunliches leistet. David Alaba verteidigt nicht mehr links, sondern als Chef im Zentrum. Daneben ist Jérôme Boateng wieder stark und wichtig geworden. Wenn wie gegen Lyon die Muskeln streiken, muss der von einem Kreuzbandriss genesene Niklas Süle ran. Links hinten ist Alphonso Davies die Entdeckung der Saison: Weltklassesolo gegen Barcelona, defensiv wacklig gegen Lyon. Rechts hinten musste Joshua Kimmich aushelfen. Aber Benjamin Pavard kam gegen Lyon nach Verletzung schon kurz zurück.
Mittelfeld
Paris SG: Die Schwachstelle des französischen Meisters? Trainer Thomas Tuchel zieht in wichtigen Spielen immer den gelernten Verteidiger
Marquinhos vor, um sein Team zu stabilisieren. Dessen wichtigster Nebenmann, Marco Verratti, ist zudem nicht richtig fit. Von allen anderen Kandidaten wie dem Spanier Ander Herrera, dem Argentinier Leandro Paredes oder dem Senegalesen Idrissa Gueye verkörpert kein PSG-Akteur gehobene internationale Klasse.
FC Bayern: Im Maschinenraum zwischen Abwehr und Angriff sind die Münchner top bestückt. Weil Kimmich nach rechts hinten ausweichen musste, bilden der inzwischen auch grätschende Edeltechniker Thiago Alcantara und der dynamische Leon Goretzka die Doppelsechs. Für den 29-jährigen Thiago dürfte das Finale das Abschiedsspiel im Bayern-Trikot sein, er wechselt wohl zum FC Liverpool.
Angriff:
Paris SG: Paris hat den teuersten Sturm der Welt. Die beiden Stars Neymar und Kylian Mbappé kosteten den Club zusammen geschätzte 400 Millionen Euro an Ablösesummen. Obwohl Weltmeister Mbappé verletzt in Portugal ankam, drehten beide Angreifer beim Finalturnier auf. Kahn warnt vor Kontern nach eigenen Ballverlusten: „Dann geht die Post ab über Mbappé, über Neymar, dann knallt's meistens.“Der „dritte Mann“vorne ist der Argentinier Angel di Maria, der unter Tuchel wieder zu der Form fand, mit der er schon bei Real Madrid die Königsklasse gewann.
FC Bayern: Die Münchner Offensivabteilung kostete weniger Geld, aber sie produziert Tore am Fließband: 42 in zehn Königsklassenpartien. Robert Lewandowski traf 15 Mal, Lyon-Bezwinger Serge
Gnabry neun Mal. Thomas Müller ist unter Flick wieder wichtig, der Ur-Bayer steht vor seinem vierten Champions-League-Finale nach 2010, 2012 und 2013. Der robuste Ivan Perisic verlor mit Kroatien 2018 das WM-Finale gegen Frankreich. Kingsley Coman und Philippe Coutinho waren bislang Edeljoker.
Trainer
Paris SG: Soll man Tuchel beneiden, weil er in Paris mit lauter Ausnahmespielern arbeiten darf? Oder eher bemitleiden, weil bei diesem Club nichts außer dem Gewinn der Champions League zählt? So weit wie Tuchel kamen mit PSG weder Carlo Ancelotti noch Laurent Blanc noch der Spanier Unai Emery. Unter seiner Führung ordnen sich sogar die großen Namen wie Neymar und Mbappé der Teamtaktik unter. „Thomas macht einen sensationellen Job“, sagte Finalkontrahent Flick.
FC Bayern: Sensationell wäre als Beurteilung der Arbeit von Flick in den ersten neun Monaten als Chefcoach untertrieben. Er hat alle überrascht, vielleicht sogar sich selbst. Flick kam im Sommer 2019 als Assistent, war dann erst für zwei Spiele und später bis zum Jahresende Chefcoach. Inzwischen ist der ehemalige Assistent von Joachim Löw – das Duo holte 2014 mit Deutschland den WM-Titel – Doublégewinner und 2020 mit seinem Team ungeschlagen. Sein Vertrag wurde in der Corona-Pause gleich bis 2023 verlängert. Besonnenheit, Empathie und eine klare Strategie zeichnen den Ex-Profi aus. Am Sonntagabend könnte der 55-jährige Flick der zweite Münchner Triplé-Trainer nach Jupp Heynckes (2013) werden. dpa