Wer hat Angst vorm Weißen Haus …
Die Deutschen fürchten sich vor dem Corona-Virus viel weniger als vor US-Präsident Donald Trump
Kann gut sein, dass er die Sache „great“findet. Oder gleich „gigantic“. Acht Wochen vor der Präsidentenwahl könnte Donald Trump Ermunterung nötig haben. Denn vorgestern hat für den US-Präsidenten „Coronagate“begonnen: Der Journalist Bob Woodward enthüllt in seinem Buch „Rage“(„Wut“), dass Trump die Gefahren der Corona-Pandemie bewusst heruntergespielt hat. Der Autor zitiert den Präsidenten wörtlich: „Ich wollte nicht, dass die Leute Angst haben, ich wollte keine Panik verursachen, wie man so sagt.“Seit die „Washington Post“das Buch des Journalisten, der mit Carl Bernstein die Watergate-Affäre enthüllte, druckt, beben die USA. Ein wenig. Angehörige nennen Trump den Totengräber ihrer an Covid gestorbenen Verwandten. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden heißt sein Verhalten „widerlich“und „Verrat an den amerikanischen Bürgern“. Und während der Mann im Weißen Haus noch schläft, am Donnerstag um 5 Uhr Washingtoner Zeit, wird jenseits des Atlantiks bekannt: Die Deutschen fürchten sich vor Donald Trump fast doppelt so sehr wie vor dem Corona-Virus.
Virus nicht mal unter Top Ten
Herausgefunden hat das die Versicherung R + V, die seit 29 Jahren in einer repräsentativen Umfrage „Die Ängste der Deutschen“erkunden lässt. 2020 rangiert die „Gefährlichere Welt durch TrumpPolitik“
auf Platz 1. Noch vor allen wirtschaftlichen Sorgen, die die Deutschen traditionell schwer plagen: steigende Lebenshaltungskosten, höhere Steuern zur Finanzierung der EU-Verschuldung, die Talfahrt der deutschen Konjunktur. Und sozusagen himmelweit vor der Angst vor Corona oder sonstigen schweren Erkrankungen.
Das Virus kommt nicht einmal unter die Top Ten der Angstmacher: Abgeschlagen landet es auf Platz 17. Der Heidelberger Politologe Manfred G. Schmidt, der Befragung und Auswertung seit 16 Jahren wissenschaftlich betreut, sagt, dass Trump „regelmäßig für schwerste internationale Verwicklungen“sorge und Verbündete attackiere: Das irritiere die Deutschen
schwer. Insgesamt allerdings sind sie in diesem erwiesenen Krisenjahr so furchtlos wie niemals in den vergangenen drei Jahrzehnten: Der Gesamtindex liegt bei 37; 2016, als viele Flüchtlinge durch Europa zogen und in Deutschland blieben, erreichte er den Rekordwert von 52. Die Angst vor dem unberechenbaren Trump steigt zwar mit dem Alter; aber ob 14 bis 19 oder älter als 60 oder dazwischen: Immer ist sie stärker als jede andere. Nur die alte Republik und ihr neuer Teil sind sich – wie so oft – nicht einig: Der Westen fürchtet nichts mehr als den Mann im Weißen Haus – den Osten ängstigt etliches viel ärger. Vorneweg, der Staat könnte durch Flüchtlinge überfordert sein; dann, es könnte Spannungen durch den Zuzug von Ausländern geben. Und noch einiges mehr.
Ob Trump, indirekt, auch den überraschendsten Wert beeinflusst – oder vielleicht doch eher das Pandemie-Virus: nicht heraus. Jedenfalls haben die Deutschen noch niemals so wenig Angst davor gehabt, ihre Politiker könnten überfordert sein. Und noch nie haben sie deren Arbeit mit „befriedigend“so positiv bewertet.
Für Trump gilt das „Befriedigend“freilich nicht. Der hat vor dem Schlafengehen zu seiner Corona-Verharmlosung gesagt: „Ich werde natürlich nicht dieses Land oder die Welt in Aufruhr versetzen.“Was Deutschland betrifft, hat er offensichtlich versagt. Aber so wie seine Beziehung zu Berlin ganz grundsätzlich ist, muss ihn das nicht grämen. Und wer weiß: Falls „Die Ängste der Deutschen“überhaupt wahrgenommen werden im Weißen Haus – ob sie den Präsidenten nicht sehr stolz machen. Er besetzt Platz 1. Er ist – wenn man Umfragen glauben mag – der allergrößte Angstmacher. Wenn nicht der Welt – dann immerhin zwischen Flensburg und Füssen.