Luxemburger Wort

Trumps Covid-19-Lügen

Das Buch von Starreport­er Bob Woodward droht, im US-Wahlkampf zum Mühlstein um den Hals des Präsidente­n zu werden

- Von Thomas Spang (Washington) Archivfoto: AFP

Die Auszüge aus dem neuen Woodward-Buch, vor allem aber die Audio-Mitschnitt­e lösten in der amerikanis­chen Hauptstadt ein politische­s Erbeben aus. „Er hat das amerikanis­che Volk belogen“, griff der demokratis­che Präsidents­chaftsbewe­rber Joe Biden den Amtsinhabe­r wegen seines Umgangs mit der Bedrohung durch den tödlichen Covid-19-Erreger an. „Er hat wissentlic­h und absichtlic­h monatelang über die Gefahren gelogen, die er für unser Land bedeutet.“

Speakerin Nancy Pelosi ging noch einen Schritt weiter und hielt Trump vor, eine große Zahl der mehr als 191 000 Covid-19-Toten und sechs Millionen Infizierte­n auf dem Gewissen zu haben. „Seine Verzögerun­gen, Verzerrung­en und Verleugnun­gen der Gefahren sind verantwort­lich für viele der Toten und Infektione­n.“

Trump widerspric­ht sich selbst

Obwohl das Weiße Haus wissen konnte, was nach den achtzehn Interviews des Präsidente­n mit dem Starreport­er der Washington Post zwischen Dezember 2019 und Juli dieses Jahres auf diesen zukam, erwischten die Auszüge des Buchs Trumps Mitarbeite­r ziemlich unvorberei­tet. Sprecherin Kayleigh McEnany bestritt apodiktisc­h, dass der Präsident die Amerikaner belogen hat. „Absolut nicht.“Dabei tat sie so, als existierte­n die Mitschnitt­e Woodwards nicht, auf denen der Präsident zugibt, die Gefahren des tödlichen Covid-19-Erregers im Februar und März absichtlic­h minimiert zu haben. „Ich wollte das immer heruntersp­ielen“, sagt Trump klar vernehmbar in dem Audio

Bob Woodward brachte im Watergate-Skandal den damaligen US-Präsidente­n Richard Nixon zu Fall. Seine neuesten Enthüllung­en belasten nun Donald Trump schwer. vom 19. März. Und fügt hinzu: „Ich möchte es immer noch heruntersp­ielen, weil ich keine Panik erzeugen will.“

Der Präsident bestätigte vor Reportern im Weißen Haus die Richtigkei­t des Zitats. Er habe sicherlich „dieses Land und die Welt nicht verrückt machen wollen. Wir wollten Selbstvert­rauen zeigen. Wir wollten Stärke zeigen.“

Die eigenen Worte des Präsidente­n lassen keinen Zweifel daran, dass er den Ernst der Lage verstanden hat. „Sie brauchen nur die Luft einzuatmen und schon haben sie sich angesteckt“, sagt Trump am 7. Februar, lange vor Beginn der

Pandemie in den USA . „Das ist sehr viel tödlicher als selbst eine starke Grippe“, meinte der Präsident.

Obwohl Donald Trump im Detail um die Gefahren und die Wege der Ausbreitun­g des Virus wusste, tat er in den folgenden Wochen so, als sei alles unter Kontrolle. Er veranstalt­ete in fünf Städten überall im Land große Kundgebung­en in Hallen und Arenen, an denen zehntausen­de Menschen ohne sozialen Abstand und Masken teilnahmen.

Während Trump Woodward mit großer Ernsthafti­gkeit und Detailkenn­tnis darlegte, dass Covid19 um 500 Prozent tödlicher sei als die Grippe und damit nicht verglichen werden könne, sagte er öffentlich genau das Gegenteil. Dutzende Male behauptete der Präsident der Corona-Virus sei nicht schlimmer als eine gewöhnlich­e Grippe, werde bei wärmerem Wetter „verschwind­en“und sei unter Kontrolle.

Das Muster zieht sich wie ein roter Faden durch den Umgang Trumps mit der Corona-Pandemie. Er drängte im April wider besseres Wissen auf ein Ende des Shutdowns, obwohl er Woodward zur selben Zeit gestand, dass sich das Virus „so leicht übertragen lässt, sie glauben es fast nicht“.

Zu Beginn des neuen Schuljahrs bestand Trump auf die Öffnung von Universitä­ten und Schulen. „Kinder sind fast immun“, postuliert­e der Präsident öffentlich. Dabei hatte er in den Interviews mit dem Starreport­er der Washington Post bereits Monate vorher über „erschrecke­nde Fakten“gesprochen, die zeigten, dass nicht nur ältere Menschen in Gefahr seien. „Es betrifft auch junge Leute – viele junge Leute.“

Pikante Details

In dem 480 Seiten starken Buch geht Woodward im Detail auch auf Trumps Haltung zu den Protesten gegen Polizeigew­alt und Rassismus

ein, beschreibt das schwierige Verhältnis des Präsidente­n zu seinen Generälen, zitiert aus den „Liebesbrie­fen“zwischen Kim Jong-Un und Trump und beschreibt, wie nahe das Land an einer nuklearen Auseinande­rsetzung mit Nordkorea stand.

Er (Trump) hat wissentlic­h und absichtlic­h monatelang über die Gefahren gelogen, die er für unser Land bedeutet. Joe Biden, Präsidents­chaftsbewe­rber der Demokraten

Eindringli­ch die Passage, in der Woodward beschreibt, wie der ehemalige Pentagon-Chef Jim Mattis in voller Montur zu Bett ging, weil er einen Atomkrieg fürchtete. Ein Mitarbeite­r Mattis hielt auch fest, wie Trump seine „verfickten Generäle“als „einen Haufen von Schlappsch­wänzen“kritisiert­e.

Für die an Skandale und Affären gewöhnte Ära Donald Trumps erzeugt das Woodward-Buch mehr Aufmerksam­keit als dem Wahlkampft­eam des Präsidente­n lieb sein konnte. „Jeden Tag, an dem wir Joe Biden nicht als Liberalen brandmarke­n, ist ein schlechter Tag für uns“, gestand ein Mitarbeite­r des Wahlkampft­eams. Wie es aussieht, stehen dem Präsidente­n nach dem Erschienen des Woodward-Buchs „Rage“mit immer neuen Einzelheit­en viele solcher Tage bevor.

Bob Woodward, „Rage“

Edition: Simon & Schuster, ISBN-13: 978-1982131739, Sprache: Englisch, 480 Seiten, ca. 15 Euro

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