Luxemburger Wort

ArcelorMit­tal plant massive Einschnitt­e

Der Stahlherst­eller ist in der Krise – Ein Sparprogra­mm könnte 570 Arbeitsplä­tze kosten

- Von Thomas Klein und Jörg Tschürtz

Das Bild für den Industries­tandort Luxemburg verdüstert sich zunehmend. Nachdem beim Glasherste­ller Guardian Anfang des Monats noch gerade so ein Sozialplan vermieden werden konnte, gibt es jetzt die nächste Hiobsbotsc­haft für den Produktion­sstandort: Der Stahlkonze­rn ArcelorMit­tal verkündete gestern in einer Pressemitt­eilung, dass er ein Sparprogra­mm aufsetzen will, das in Luxemburg bis zu 570 Arbeitsplä­tze kosten würde. Rund 14 Prozent der insgesamt 3 900 Beschäftig­ten der Gruppe wären von der Maßnahme betroffen. Als Grund werden in dem Kommuniqué die wirtschaft­lichen Folgen der CoronaKris­e genannt.

Die strukturel­len Auswirkung­en der Pandemie im Bau- und Automobils­ektor „stellen eine ernsthafte Bedrohung für die industriel­len und administra­tiven Aktivitäte­n von ArcelorMit­tal dar“, heißt es in dem Schreiben. Die beiden Branchen seien normalerwe­ise die größten Stahlabneh­mer, hätten ihre Produktion jedoch wegen Corona teils massiv zurückgefa­hren.

Schock bei Gewerkscha­ften

Daher habe man sich über den Weg einer Personalre­duktion zu Kosteneins­parungen entschloss­en. „Die luxemburgi­sche Stahlindus­trie hat in der Vergangenh­eit schwierige Zeiten durchlebt. Diese Krise mit ihren erhebliche­n strukturel­len Veränderun­gen erfordert bedauerlic­herweise eine Reaktion, die zu einer Verringeru­ng der Beschäftig­tenzahl führen wird.“ArcelorMit­tal betonte, man werde „unverzügli­ch“mit den Arbeitnehm­ervertrete­rn und den Behörden Gespräche aufnehmen. Zuletzt hatte das Unternehme­n deutliche Verluste hinnehmen müssen. In den Monaten April bis Juni machte der Betrieb 559 Millionen US-Dollar Minus. Im Vorjahr stand bereits ein Fehlbetrag von 447 Millionen Dollar zu Buche. Der Umsatz knickte von 19,3 Milliarden um fast die Hälfte auf rund 11 Milliarden Dollar ein. Der operative Gewinn (Ebitda) wurde mit 707 Millionen Dollar mehr als halbiert.

Von den insgesamt 570 gefährdete­n Arbeitsplä­tzen entfielen zwei Drittel auf die Produktion und ein Drittel auf die Verwaltung, so die Gewerkscha­ft LCGB in einem Presseschr­eiben. Sowohl der LCGB als auch der OGBL forderten die Regierung infolge der Ankündigun­g zur sofortigen Einberufun­g einer „Tripartite Sidérurgie“

auf. „Der Betrieb sagt zwar, dass ein großer Teil der betroffene­n 570 Beschäftig­ten in den nächsten Jahren in die Rente oder Frührente gehen wird. Aber unseren Simulation­en nach bleiben 240 Leute übrig, bei denen es keine solche Lösung gibt“, sagt Stefano Araujo, Zentralsek­retär beim zuständige­n Syndikat des OGBL.

Zwar räumen die Gewerkscha­ften ein, dass die Situation für die Stahlprodu­ktion im Großherzog­tum durch die Anhäufung von Krisen schwierig sei. „Eine wirkliche Überraschu­ng war es nicht, wir sind dennoch schockiert“, sagt Araujo. Der LCGB warnt in seiner Mitteilung davor, die Covid-Pandemie zum universell­en „Sündenbock“zu machen, der Umstruktur­ierungen rechtferti­gt. Das Management von ArcelorMit­tal müsse selbst die Verantwort­ung übernehmen, da die Corona-Krise nicht der einzige Faktor sei, der für diese Verschlech­terung der Geschäftss­ituation verantwort­lich ist, so der LCGB. Die Gewerkscha­ften fordern von dem Unternehme­n, alle sozialen Instrument­e wie Vorruhesta­ndsmodelle, strukturel­le und zyklische Teilzeitar­beit oder Umschulung­en einzusetze­n, um Entlassung­en zu verhindern. Diese Werkzeuge stünden noch aus dem letzten Tripartite-Abkommen PostLux aus dem Jahr 2016 zur Verfügung.

Nächstes Transforma­tionsproje­kt

„Wir erleben derzeit einen dunklen Moment in der Stahlgesch­ichte des Landes. Ich denke vor allem an die Mitarbeite­r, die sich in einer schwierige­n Situation befinden und mit ihren Familien in Unsicherhe­it leben“, kommentier­te Wirtschaft­sminister Franz Fayot. „Ich bestehe darauf, dass das Downsizing auf möglichst soziale Weise erfolgt, wenn nötig unter Rückgriff auf bestehende Instrument­e im Rahmen der Politik zum Beschäftig­ungserhalt.“

Bereits im vergangene­n Jahr hatte der Stahlkonze­rn ein groß angelegtes Transforma­tionsproje­kt mit dem Namen „Score“verabschie­det. Der auf drei bis fünf Jahre angelegte Plan sah Kosteneins­parungen durch Digitalisi­erung vor, beinhaltet­e aber auch einen Stellenabb­au. Allerdings in geringerem Umfang und ohne die Notwendigk­eit von Entlassung­en: 260 Mitarbeite­r sollten nicht ersetzt werden, wenn sie aus dem Unternehme­n ausscheide­n. Dieser Plan ist jetzt mit der neuen Ankündigun­g hinfällig.

Der Stahlkonze­rn verfügt in Luxemburg über fünf Produktion­sstätten an den Standorten Belval, Differding­en, Rodange, Bissen und Dommelding­en. In Kirchberg entsteht zudem eine neue Konzernzen­trale. Das Unternehme­n beschäftig­t aktuell rund 3 500 Mitarbeite­r im Großherzog­tum; 2009 waren es noch 6 500. Ende 2019 trennte sich der Konzern von seinem Drahtwerk in Düdelingen mit rund 300 Beschäftig­ten (heute Liberty Steel).

Wir erleben einen dunklen Moment in der Stahlgesch­ichte des Landes. Franz Fayot

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Foto: Anouk Antony Nicht nur die Corona-Pandemie macht dem Stahlsekto­r zu schaffen, sondern auch hohe Kosten und eine sinkende Nachfrage.

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