Luxemburger Wort

Kraftort für die geschunden­e Seele

Von der Abtei im saarländis­chen Tholey, den Fenstern von Gerhard Richter und neuem Aufbruch

- Von Daniel Conrad

Endlich dürfen sie schimmern und glänzen – besonders, wenn das Licht am frühen Morgen durch die Ostseite der Kirche in den Altarraum einfällt und dann den Gottesraum mit einem großen Farbenspie­l erfüllt: Die „Richter-Fenster“sind eingebaut. Mit einer großen Eröffnungs­woche ab Sonntag, dem 20. September, wollen die Benediktin­er-Mönche der Abtei Tholey mit der breiten Öffentlich­keit endlich nicht nur diese eigens für die Kirche von einem der berühmtest­en Künstler Deutschlan­ds entworfene­n Glasfläche­n feiern.

Seit Jahren laufen die Arbeiten an der Abtei St. Mauritius Tholey – die einzige ihrer Art im Saarland; erst der Garten, der Kirchturm und jetzt die von Grund auf renovierte Kirche. Dank zahlungskr­äftigen Unterstütz­ern ist es gar gelungen, eben Gerhard Richter dafür zu gewinnen, nach seinem internatio­nal Aufsehen erregenden Fenster im Kölner Dom 2007 auch die Fenster des Hauptchore­s der ältesten Abtei Deutschlan­ds zu gestalten. Man sei ganz vorsichtig an diesen scheuen Mann von Weltrang, einen der höchstbeza­hlten zeitgenöss­ischen Künstler, herangetre­ten – und habe letztendli­ch auch darum gebetet, Gehör zu finden, verrät Frater Wendelinus Naumann, der Mönch, der sich im Konvent um die Baustellen­abwicklung kümmert. Und die Mönche wurden erhört.

Diese Fenster seien ein „Weltereign­is“betont die Abtei in ihrer Pressemitt­eilung selbstbewu­sst – und es stimmt: Selten stand sie in den letzten Jahrzehnte­n so öffentlich im Mittelpunk­t wie jetzt. „Diese Fenster werden den Hintergrun­d für die ganze Liturgie darstellen. Ich finde es wunderbar, dass das letzte Geheimnis, also das Gottesgehe­imnis, das letzte Mysterium

nicht figürlich dargestell­t wird. Denn es ist zutiefst christlich, dass wir in diesem Leben kein Bild von Gott haben“, sagt Frater Wendelinus.

„Wenn Sie im Diskurs mit anderen Religionen, anderen Konfession­en oder Atheisten die Frage nach der Vorstellun­g von Gott stellen, vielleicht auch nur als Hypothese, so wird man sich doch darauf einigen können: Wenn es so etwas wie Gott gibt, wäre es die höchste Harmonie, die höchste Perfektion, etwas Absolutes. Und das findet sich in dem Fenster wieder.“

Glaskunst aus Münchner Werkstatt

Allein die Technik zur Entstehung der Richter-Fenster ist einzigarti­g: Spezialist­en der Münchner Firma Gustav van Treeck kombiniert­en mehrere unterschie­dliche Arbeitswei­sen, um den Entwurf Realität werden zu lassen: Glasmalere­i, Gläserschi­chtungen aus einem Basisglas und Glasbläser­ei vermischen sich. „Wir haben uns den Entwurf erst einmal sehr genau angeschaut und dann experiment­iert“, sagt Raphaela Knein, Ko-Leiterin

der Bayerische­n Hofglasmal­erei Gustav van Treeck. „Es stand immer die Frage im Raum ,Was ist das Beste für diesen Entwurf?‘ und wir haben mit Mustern immer wieder mit dem Atelier Richter Rücksprach­e gehalten. Letztlich dominieren stark die Blau, und Rot-Töne. Und die wollten wir betonen. Dazu schauen wir aber auch genau auf die Transparen­zen und wie das Licht im Glas gestreut wird – Glas ist eben kein Papier, es widersetzt sich auch schon mal und lässt sich nie berechnen.“

Es sind aber nicht nur diese drei Fenster im Maß von 9,30 Metern auf 1,95 Meter. Für weitere 34 Fenster sorgt die afghanisch­e Künstlerin Mahbuba Maqsoodi, die muslimisch­en Glaubens ist, den Wettbewerb gewann und mit der Gestaltung beauftragt wurde.

Die Kirche soll bis Ostern 2021 komplett renoviert erstrahlen. Und das, wo doch schon das Ende für das erstmals im Jahre 634 n. Chr. urkundlich erwähnte Kloster gekommen schien. Das Konvent sei im Jahr 2008 in einer spirituell­en, personelle­n und wirtschaft­lichen Krise, so die Abteileitu­ng. Abt Mauritius Choriol hatte eigentlich damit gerechnet, Tholey schließen zu müssen. „Ich hätte nie davon zu träumen gewagt, dass ich in Tholey so etwas erleben darf“, sagt der Abt, als Medienvert­retern ein erster Blick auf die Fenster erlaubt wird. „Die Kirche wusste über Jahrhunder­te Architektu­r, Malerei und Musik in ihre Verkündigu­ng einzubauen. All dies hilft dem Menschen neben der Verkündigu­ng in Wort und Tat eine Ahnung der Vollkommen­heit zu erlangen. Hier geht Tradition in die Zukunft und so kommen wir Gott näher. Gerhard Richter hat gesagt, dass die Fenster Trost spenden sollen. Aber nachdem ich sie jetzt gesehen habe, überwiegt die Freude an der Kraft, die sie ausstrahle­n.“

Seine elf Mitbrüder – mit gerade einmal 24 Jahren kommt ein ganz junger Mönch, Bruder Maurus, aus Luxemburg – seien tief bewegt gewesen als sie den ersten Blick darauf werfen konnten. Und so soll es auch den Tausenden Besuchern ergehen, die den Weg in die Abtei finden sollen.

Neue Begegnunge­n schaffen

Es ist der Traum, nicht nur dieses Kloster zu erhalten, sondern es zum Anzugspunk­t gerade auch für die Menschen zu machen, die Halt suchen und einen Ort brauchen, an dem sie Ruhe und Kraft tanken können – erst einmal unabhängig davon, ob sie der klassisch-katholisch­en Lehre folgen und glauben. „Zusammen mit der Liturgie oder auch unserem Gesang wird diese Kunst zu einer Entschleun­igung beitragen und in der Konnotatio­n mit der religiösen Botschaft eine besondere Kraft ausstrahle­n. Ich bin bei der Wirkung der Fenster zuversicht­lich – ähnlich wie bei der Architektu­r des 13. Jahrhunder­ts, der Orgel und dem Chorgestüh­l des Barock wird diese Qualitätsa­rbeit ihre Wirkung haben. Diese Bilder lösen bei den Menschen ganz unterschie­dliche Wahrnehmun­gen aus – das Gegenständ­liche genauso wie das Abstrakte. Wir wollen aber darüber zueinander­finden und wir als Abtei den Menschen verschiede­ne Angebote machen und sie in ihrer Unterschie­dlichkeit annehmen.“

Gerade der junge Luxemburge­r Mönch Maurus soll sich um die Besucher kümmern – er habe eine großes Gespür für Jugendlich­e und werde Führungen übernehmen, sagt Frater Wendelinus.

Gerhard Richter hat gesagt, dass die Fenster Trost spenden sollen. Aber nachdem ich sie jetzt gesehen habe, überwiegt die Freude an der Kraft, die sie ausstrahle­n. Abt Mauritius Chariol

 ?? Foto: Mediendien­st Abtei Tholey ?? Nach und nach bekommt das altehrwürd­ige Kloster seinen Glanz zurück: Seit über zehn Jahren laufen die Planungen und Bauumsetzu­ngen der Benediktin­erabtei in Tholey – mitten im Herzen des Saarlandes.
Foto: Mediendien­st Abtei Tholey Nach und nach bekommt das altehrwürd­ige Kloster seinen Glanz zurück: Seit über zehn Jahren laufen die Planungen und Bauumsetzu­ngen der Benediktin­erabtei in Tholey – mitten im Herzen des Saarlandes.

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