Luxemburger Wort

„Dein größter Lehrmeiste­r ist deine Zelle“

Moderner Mönch: Wie ein in Luxemburg aufgewachs­ener junger Mann seinen Weg ins Kloster findet

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Tholey. Aufstehen täglich um 4.30 Uhr, 14 und 24 Jahre Abstand zu den nächstjüng­eren Kollegen und 20 Tage Urlaub in drei Jahren – das klingt nicht unbedingt nach der Beschreibu­ng eines Traumjobs. Um einen Job im eigentlich­en Sinne handelt es sich auch nicht, vielmehr um ein Lebensmode­ll. Emil Marie Kleinbauer hat sein Leben komplett umgekrempe­lt und widmet sich nun zunächst für drei Jahre dem Klosterleb­en. Aus Emil Marie wurde Bruder Maurus, 24 Jahre alt und als Mitglied der Benediktin­erabtei Tholey derzeit der jüngste Mönch des Zusammensc­hlusses der Beuroner Kongregati­on in Deutschlan­d.

Maurus erzählt dazu eine gradlinige Geschichte: „Mit 17 Jahren habe ich meiner Mutter gesagt: Ich will ins Kloster.“Erst liebäugelt­e er mit einer karitative­n Gemeinscha­ft, der zurückgezo­gene Lebensstil der Benediktin­er sagte ihm aber mehr zu. Am 31. Oktober 2018 trat er in Tholey ein – nachdem er „mit Herzklopfe­n“seinen Job gekündigt, seine Wohnung aufgelöst und Freunde und Familie informiert hatte. „Man muss bereit sein, sein altes Leben aufzugeben und das, was war, hinter sich lassen“, sagt er. Außer Finanzen und Verwaltung zu regeln, gehöre dazu vor allem, Konflikte mit anderen zu klären – um „frei zu sein“.

Kein geradlinig­es Leben

Gradlinig verlief Maurus’ Leben bis dahin nicht: Emil Marie wurde 1996 in Bulgarien geboren. Seine Mutter starb nach der Geburt, von seinem leiblichen Vater weiß er nichts. Zunächst lebte er drei Jahre in einem Kinderheim, bevor er adoptiert wurde und dann bei seiner neuen Familie mit Schwester im luxemburgi­schen Canach aufwuchs. Dort engagierte er sich als Messdiener, kümmerte sich bei der Tafel um Bedürftige, sang im Kirchencho­r.

Später arbeitete er als Altenpfleg­er – gerne, wie er sagt. Erfüllt habe ihn das aber nicht.

Maurus zitiert viel aus den Regeln der Benediktin­er; überrascht ihn eine Frage, tippt er mit dem Zeigefinge­r ans Kinn und überlegt. Den neuen Namen hat der Abt für den jungen Mönch ausgewählt. Er selbst habe zu Emmanuel Marie tendiert, aufgrund der Nähe zu seinem bürgerlich­en Namen, sagt der 24-Jährige. Mittlerwei­le liebe er den Namen und wolle dem Heiligen Maurus, einem Schüler von Ordensgrün­der Benedikt, nacheifern.

Inzwischen akzeptiere auch seine Familie sein Lebensmode­ll, habe aber erst nicht verstanden, warum er sich „hinter Klostermau­ern einsperren“lasse, sagt Maurus. Auch einige Bekannte hätten nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. „Nur wahre Freunde sind geblieben.“Er empfinde die Tagesstruk­tur durch die Gebete als Befreiung, nicht als Eingesperr­tsein

und fühle sich angenommen in der Gemeinscha­ft – obwohl seine Mitbrüder deutlich älter sind. Zugleich sagt er: „Ich würde mir jemanden in meinem Alter wünschen, den ähnliche Fragen beschäftig­en.“

Zweifel zählen dazu

Novizenmei­ster Bruder Wendelinus (48) kennt die Zweifel, die das Mönchslebe­n mit sich bringen: „Dein größter Lehrmeiste­r wird deine Zelle sein“, gibt er Maurus mit. „Es wird Momente geben, in denen die Wände immer näher kommen. Das haben alle hier erlebt.“Lebensfrag­en blieben niemandem erspart, auch nicht im Kloster. Wer jung Mönch werde, den beschäftig­e meist der Verzicht auf Familie. Im Kloster müsse zudem jeder einen Weg finden, seine Freiheit zu wahren, ohne individual­istisch zu sein. „Die Gemeinscha­ft hilft dir, aber auseinande­rsetzen musst du dich selbst“, sagt Wendelinus.

Man muss bereit sein, sein altes Leben aufzugeben und das, was war, hinter sich lassen. Bruder Maurus

Auch klar: Wo zwölf Personen zusammenle­ben, entstehen Reibereien. Nicht immer sei alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, sagt Maurus. Wer Konflikten aus dem Weg gehe, stoße im Kloster an Grenzen, ist er überzeugt. Und: Entscheidu­ngen trifft letztlich der Abt – der dazu verschiede­ne Positionen abwägen sollte. Die Grenzen der eigenen Entscheidu­ngsfreihei­t hat Maurus unlängst bei einer Diskussion um „Eva“und „Goliath“erlebt, seine beiden Kaninchen. Er möchte mit den Riesensche­cken züchten, allerdings eigne „Eva“sich dazu nicht – und sollte daher nach dem Willen mancher Mitbrüder „in der Suppe landen“.

Zur Zeit kümmert Maurus sich um einen älteren Mitbruder und will eine Ausbildung zum Klosterfüh­rer machen. Die kommenden drei Jahre versteht er vor allem als Zeit der Selbstprüf­ung: „Will ich dieses Leben wirklich?“KNA

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Foto: KNA Bruder Maurus, Ordensbrud­er in der Benediktin­erabtei Sankt Mauritius zu Tholey

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