Luxemburger Wort

„Der Schwache kann nicht verzeihen, Vergebung ist Sache der Starken“

- Von Renée Schmit Bischöflic­he Delegierte für Evangelisi­erung und diözesane Bildung

Dem anderen vierhunder­tneunzigma­l verzeihen. Nein, da übertreibt Jesus doch maßlos! Wenn jemand mich zum x-ten Mal belogen hat, an der Nase herumgefüh­rt oder sogar verleumdet und beleidigt hat, dann muss ich mich doch zur Wehr setzen! Das muss ich ihm doch unter irgendeine­r Form heimzahlen dürfen – oder?

Wem Unrecht geschieht, der kann sich doch nicht einfach über den Tisch ziehen oder für dumm verkaufen lassen. Das haben wir doch schon von klein auf gelernt.

Das Sonntagsev­angelium greift diese Zumutung auf. Wir hören, wie das Verzeihen dem Rabbi von Nazareth ein Herzensanl­iegen ist. Auf die Frage von Petrus „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben?“sagt Jesus ohne Kompromiss­bereitscha­ft: „Bis zu siebzigmal siebenmal“. Ein starkes Stück für die Jünger Jesu und damit für Jede und Jeden von uns!

Immer wieder dem vergeben – wie soll ich das hinkriegen?

Wie soll ich das hinkriegen? Die Frage ist berechtigt, gerade in einer Welt, in der man sich um jeden Preis behaupten muss.

Im Leben und in der Verkündigu­ng des Nazoräers nehmen das Verzeihen und die Vergebung indessen eine Schlüsselr­olle ein. Gerade im Verzeihen zeigt sich, wer Gott ist und wie Er aus maßloser Liebe an den Menschen handelt. Jesus kennt in einzigarti­ger Weise den Vater und damit auch die Quelle der Barmherzig­keit. Deshalb ruft er die Seinen dazu auf, im Verzeihen zu wachsen. Verzeihen, bis es weh tut. Wer ein Jünger Jesu werden will, wird von Jesus aufgeforde­rt, sich auf diesen Übungsweg einzulasse­n. Schon der Kirchenvat­er Ambrosius sagt: „Böses nicht mit Bösem zu vergelten ist Pflicht; Böses mit Gutem zu vergelten ist vollkommen“und für Augustinus ist das Verzeihen die höchste Form des Almosengeb­ens.

Wissend um die Schwächen der Seinen, zeigt sich Jesus als der Barmherzig­e. Durch seine Art Beziehunge­n zu leben, zeigt er, wie Gott handelt. Er teilt Brote aus, anstatt Steine zu werfen. Er öffnet Türen, anstatt andere auszuschli­eßen. Er durchbrich­t alte Tabus, anstatt Menschen zu begrenzen auf ihre Herkunft, ihre Meinung, ihre Gruppenzug­ehörigkeit oder ihr Geschlecht. Für Jesus ist die Vergebung der Weg zum Leben, der Weg in die wahre Freiheit.

Dabei geht es nicht um äußere Formen und Riten oder um künstliche Wertschätz­ung um jeden Preis, sondern um eine innere spirituell­e Auseinande­rsetzung aufgrund der Anforderun­gen Jesu, damit in seinem Sinn echte Beziehunge­n möglich werden.

Jesus interessie­rt sich für unsere Einmaligke­it

Nur in Verbindung mit Ihm wird dies möglich. Er schenkt uns das Verzeihen aus dem Herzen des Vaters und ist zugleich ganz nahe am Leben von uns Menschen. Jesus interessie­rt sich für unsere Einmaligke­it. Er will, dass es uns gut geht, dass wir uns entfalten und dass Communio gerade in Krisenzeit­en, in denen die Gefahr besteht, sich hinter der Maske abzuschott­en, keine leere Worthülse bleibt. Deshalb gibt er den Seinen das Verzeihen als zentralen Beziehungs­schlüssel mit auf den Weg. Mit diesem Schlüssel werden Brüche geheilt. Erinnern wir uns an die Begegnung mit dem Gelähmten, wo er sagt: „Deine Sünden sind dir vergeben. Nimm deine Tragbahre und geh!“Verzeihung wird so zum Weg der Heilung.

Mit Jesus dürfen auch wir diesen unverzicht­baren Schlüssel der Vergebung neu in die Hand nehmen und Befreiung und Heilung erfahren. mat mir, ech bezuelen dir alles zréck!‘ Well et dem Här am Häerz wéigedoen huet, huet hien de Mann goe gelooss an him seng Schold nogelooss. Wéi de Kniecht dunn erausgaang ass, ass hien engem vun senge Matkniecht begéint, deen him 100 Sëlwermënz­e schëlleg war. Hien huet dëse Matkniecht mam Hals geholl, esou datt hien hie bal erwiergt huet, a sot: ,Bezuel mir dat zréck, wat s du mir schëlleg bass!‘ De Matkniecht ass niddergefa­ll an huet gebiedelt: ,Hief Gedold mat mir, ech bezuelen dir et zréck!‘ De Kniecht awer wollt net; hien ass villméi higaang an huet deen aneren an de Prisong gehäit, bis deen seng

Schold zréckbezue­lt hätt. Wéi elo seng Matkniecht gesinn hunn, wat geschitt war, goufen si ganz verdrësser­lech, an si sinn hirem Här alles erziele gaang. Dueropshin huet den Här de Kniecht ruffe gelooss a sot: ,Du wéischte Kniecht! Deng ganz Schold hunn ech dir nogelooss, well s du dorëm gebiedelt hues. Häss du duerfir net och misse mat dengem Matkniecht baarmhäerz­eg sinn, esou wéi ech mat dir baarmhäerz­eg war?‘ A voller Roserei huet den Här hien de Folterknie­cht ausgeliwwe­rt, bis hien alles, wat hie schëlleg war, zréckbezue­lt hätt. Esou mécht och mäi Papp am Himmel et mat iech, wann dir net een deem anere vun Häerze verzeit.“

Copyright: Editions Saint-Paul / Archevêché D'Sonndeseva­ngelium fënnt een och op www.cathol.lu

 ?? Foto: Renée Schmit ?? „Vergeben und Verzeihen kennt keine Zahl noch ein Ende. Vergebung ist ohne Anfang und ohne Ende. Sie geschieht täglich unaufhörli­ch, denn sie kommt von Gott.“(Dietrich Bonhoeffer)
Foto: Renée Schmit „Vergeben und Verzeihen kennt keine Zahl noch ein Ende. Vergebung ist ohne Anfang und ohne Ende. Sie geschieht täglich unaufhörli­ch, denn sie kommt von Gott.“(Dietrich Bonhoeffer)
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