Öllampe gegen Hochtechnologie
Zwischen französischer Regierung und Grünen ist ein Streit um den Mobilfunkstandard 5G entbrannt
Emmanuel Macron ist Fan des Boxkampfes, den er hinter den Mauern des Elysée mit seinen Leibwächtern praktiziert. Hin und wieder holt der Präsident auch verbal aus, um seinen politischen Gegnern eine Breitseite zu verpassen. Das passierte am Montag, als der 42-Jährige gegen die Grünen austeilte, die vor gut zwei Monaten bei den Kommunalwahlen die Rathäuser fast aller Großstädte gewonnen hatten. In einem Zeitungsbeitrag hatten die Bürgermeister von Europe Écologie Les Verts (EELV) zusammen mit anderen Politikern des linken Spektrums ein einjähriges Moratorium für den neuen Mobilfunkstandard 5G gefordert. Die Rückkehr zur Öllampe sei keine Lösung, ätzte Macron daraufhin, als sei er schon im Wahlkampf. „Ich glaube nicht, dass das Modell der Amischen die derzeitigen ökologischen Probleme lösen kann“, stellte der Staatschef die Unterzeichner auf eine Stufe mit der Glaubensgemeinschaft, die Telefon und Fernsehen ablehnt.
Kritik am 5G-Netz
Zweieinhalb Monate hatte Macron auf eine Retourkutsche gegen die „Écolos“gewartet, die bei den Kommunalwahlen auf Kosten seiner Partei La République en Marche LREM punkten konnten. Der Zeitungsbeitrag bot ihm den Anlass, die Grünen zusammen mit ihren potenziellen Verbündeten als technikfeindlich und hinterwäldlerisch hinzustellen. Die Unterzeichner hatten sich nicht pauschal gegen das 5G-Netz ausgesprochen,
In Bordeaux gingen bereits die Gelbwesten auf die Straßen, um u. a. gegen das 5G-Netz zu demonstrieren. Die Grünen und andere Politiker des linken Spektrums fordern ein einjähriges Moratorium für den neuen Mobilfunkstandard. sondern eine öffentliche Debatte gefordert. Die Entscheidung für die Vergabe der ersten Lizenzen Ende September sei gefallen, ohne dass vorher klimatische und ökologische Konsequenzen bewertet worden seien, kritisierten die 70 Politiker der Grünen, der Sozialisten und der Linkspartei La France Insoumise. Weniger sachlich hatte der grüne Bürgermeister von Grenoble, Eric Piolle, zuvor schon über das 5GNetz gelästert, das es vor allem erlaube, Pornofilme in HD-Qualität im Fahrstuhl zu gucken. Mit markigen Sprüchen machten auch andere grüne Bürgermeister von sich reden. So zog Piolles Kollege Grégory Doucet über die Tour de France her, die für die Franzosen zur nationalen Identität gehört. Das Sportspektakel sei „machohaft und umweltschädlich“, kritisierte Doucet in der Zeitung „Le Progrès“. Die sportliche Großveranstaltung produziere Berge an Müll durch die am Rande verteilten Werbegeschenke der Sponsoren. Außerdem verpeste die Autokarawane, die das weltberühmte Radrennen begleitet, die Luft. „Es ist nicht mehr hinnehmbar, große Sportereignisse auszutragen, die nicht vorrangig nach ihrem ökologischen Fußabdruck fragen.“Schon lange wird die Tour auch als frauenfeindlich abgestempelt, da die Rolle der Frauen lediglich darin besteht, den Siegern das Trikot und den Blumenstrauß zu überreichen.
Negativer Effekt auf Umfragewerte Noch mehr Empörung als Doucet verursachte sein Kollege Pierre Hurmic, der eine Einrichtung abschaffen will, an der die meisten Franzosen noch mehr hängen als an der Tour de France: den Weihnachtsbaum. Der Bürgermeister von Bordeaux kündigte an, dass auf dem Platz Pey Berland vor dem Rathaus in diesem Jahr auf den traditionellen „Sapin de Noël“verzichtet werden solle. „Ich habe die Erinnerung an diesen toten Baum, den man jedes Jahr kommen ließ. Das ist überhaupt nicht unser Konzept der Begrünung“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Statt dessen sollten lieber lebende Bäume dekoriert werden.
Die provokanten Äußerungen schaden den Grünen in Umfragen. So kam der bekannteste GrünenVertreter, der Europaabgeordnete Yannick Jadot, auf gerade einmal fünf Prozent bei der Frage, welchem Politiker die Franzosen eine Verbesserung ihrer Lage zutrauen. „Was in Frage steht, ist die Fähigkeit der Grünen, einen umfassenderen Diskurs zu führen“, sagte der Meinungsforscher Bernard Sananès in der Zeitung „Les Echos“. Denn zumindest Tannenbaum und Tour de France werden wohl nicht die nächsten Wahlen entscheiden.