Luxemburger Wort

Globale und lokale Fragen

- Von Annette Welsch

Vergangene Woche trafen sich in Hamburg deutsche Wissenscha­ftler zur Extremwett­erKonferen­z. Als Basis diente eine Zusammenfa­ssung der aktuellen in der Wissenscha­ft unumstritt­enen Fakten in Zahlen und Grafiken zum Klimawande­l. Die Meeresspie­gel steigen durch die immer stärkere Schmelze der Eispanzer in Grönland und der Antarktis – und zwar seit 2006 doppelt so viel wie zuvor –, Ozeane versauern, Wetterextr­eme nehmen zu, Ernteerträ­ge sinken und es gab in den vergangene­n 20 Jahren eine beispiello­se Häufung von Wärme-Rekordjahr­en. Kurz gesagt: Der Klimawande­l ist real, wir Menschen sind die Ursache, er ist gefährlich, wir können noch etwas tun. Dafür drängt aber die Zeit, denn die Menschheit ist gerade dabei das Ziel zu verfehlen, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunder­ts zu begrenzen. Und sie müsste mit allen Mitteln bemüht sein, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen.

Ja, die EU-Kommission hat vor zwei Wochen noch einmal nachgelegt und das Klimaziel verschärft: Emissionsr­eduktionen von mindestens 55 Prozent bis 2030 als Zwischenzi­el auf dem Weg zur angestrebt­en Klimaneutr­alität bis 2050. Anspruch und Realität sind bislang aber immer zweierlei geblieben. Tatsache ist jedenfalls, dass durch die Covid-19-Pandemie und die damit verbundene­n Lockdowns die CO2-Emissionen weltweit zwar um fünf Prozent sanken, solche kurzfristi­gen CO2-Senkungen aber keine Rolle bei der Gesamtsitu­ation spielen: Ende 2020 wird ein historisch­er Höchststan­d an Kohlendiox­id in der Atmosphäre gemessen werden. Denn es ist da, es bleibt für eine Ewigkeit und das CO2 von 2020 kommt schlicht noch hinzu. Wollten wir das Ruder noch herumreiße­n, müssten wir 2050 auf Null CO2-Ausstoß kommen und danach negative Emissionen ausstoßen – jedes Jahr mehr CO2 aus der Atmosphäre holen als wir hineinpust­en. Sagten die Wissenscha­ftler in Hamburg, die nach einem starken Staat rufen und globale Lösungen für ein globales Problem fordern. Nun hat die Corona-Pandemie aber gerade gezeigt, dass die Menschheit von globalen Lösungen weit entfernt ist, sich durch globale Probleme sogar noch mehr auf ihren eigenen lokalen kleinen Bauchnabel konzentrie­rt. My own country first ist die Devise. Das war beim Beschaffen des dringend gebrauchte­n Schutzmate­rials so, das ist bei den Einreiseve­rboten so – anstatt zu sehen, dass ganz Europa in einem Covid-Boot sitzt und grob gesehen gleicherma­ßen betroffen ist. Das Bewusstsei­n, dass die Menschheit gerade dabei ist, sich selber abzuschaff­en, wenn sie nicht beim Ressourcen­verbrauch an einem Strang zieht, ist lange noch nicht angekommen: Er ist die Ursache für den Klimawande­l, aber auch die Ursache der Pandemie, weil der Mensch immer mehr in den Lebensraum von Wildtieren vorstößt.

Auch in Luxemburg wurde mit 35,2 Grad am 15. September in Steinsel ein neuer offizielle­r Rekord der Tagesmaxim­altemperat­ur an einen Septembert­ag gemessen. Wenn in zwei Wochen die Rede zur Lage der Nation ist, täte Premiermin­ister Xavier Bettel gut daran, auch darüber ein paar Worte zu verlieren.

Das Thema Klimawande­l gehört in die Rede zur Lage der Nation.

Kontakt: annette.welsch@wort.lu

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