Fragwürdige Geschäfte mit „Goldenen Pässen“
Laut Medienberichten wird die EU-Kommission im Oktober Vertragsverletzungsverfahren gegen Zypern, Malta und Bulgarien einleiten
Seit Jahren scheffelt das EU-Land Zypern Milliarden mit dem Verkauf von Staatsbürgerschaften – offenbar auch an Kriminelle. Der Inselrepublik droht deshalb jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission. Auch zwei andere Mitgliedsstaaten hat die Kommission im Visier.
Eine Frage des Geldes
Wer Staatsbürger der Republik Zypern werden möchte, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Für Neth Savoeun dürfte das kein Problem gewesen sein, als er 2017 zyprische Pässe für sich, seine Gattin und seine beiden erwachsenen Töchter beantragte. Als Polizeichef des Königreichs Kambodscha konnte er wohl die benötigten Papiere selbst ausstellen. Auch eine andere Hürde nahm General Neth mühelos: Er investierte mindestens zwei Millionen Euro in eine Immobilie auf Zypern – einer Insel, die er nie betreten hat. Der Kambodschaner und seine Familie gehören zu rund 7 000 Nicht-EU-Bürgern, die Zypern seit 2013 eingebürgert hat. Mit dem weinroten Pass der Republik Zypern genießen sie Freizügigkeit in allen 27 EU-Staaten. Wer den zyprischen Pass bekommt, ist eine Frage des Geldes: Man muss mindestens zwei Millionen Euro in Zypern investieren, davon 500 000 Euro in eine Wohnimmobilie. Außer dem Investor haben auch sein Ehepartner und Kinder im Alter von bis zu 28 Jahren Anspruch auf zyprische Pässe.
Das zyprische Pass-Programm sei schnell, günstig und habe eine hohe Bewilligungsquote, heißt es auf den Internetseiten von Dienstleistern, die sich mit der Abwicklung der Anträge befassen. Genau das ist das Problem. Es mangelt offenbar bei der Prüfung der Anträge an Sorgfalt. Bereits 2019 hatte die Nachrichtenagentur Reuters über Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der „Goldenen Pässe“berichtet. Danach bürgerte Zypern unter anderem Kriminelle ein, die in ihrer Heimat wegen Steuerhinterziehung, Betrugs, Geldwäsche, Korruption oder anderer Verbrechen vorbestraft sind oder gesucht werden. Aktenkundig ist der Fall eines von Zypern eingebürgerten kenianischen Milliardärs, nach dem in seiner Heimat wegen Schmuggels gefahndet wird. Auch ein russischer Oligarch, der mit US-Sanktionen belegt ist, ein Chinese, dem Handel mit gefälschten Goldbarren vorgeworfen wird, und ein malaysischer Geschäftsmann, der Gelder aus einem Staatsfonds abgezweigt haben soll, bekamen zyprische Pässe.
„Es gibt Hunderte dubiose Fälle“, sagt ein mit den Einbürgerungspraktiken vertrauter Unternehmensberater auf der Insel. „Wer genauer hinsieht, entdeckt viele Unregelmäßigkeiten“.
Zypern führte das Programm 2013 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ein, um ausländisches Kapital anzuziehen. Neben Zypern bieten Malta und Bulgarien Investoren aus Drittländern Staatsbürgerschaften an. Weitere 18 EUStaaten locken Investoren mit Aufenthaltsgenehmigungen.
Große Beliebtheit bei Briten
Die EU-Kommission kritisiert diese Programme seit Jahren. Die Vergabe von Staatsbürgerschaften fällt zwar in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Betroffen sind aber alle EU-Länder, da man sich mit einem EU-Pass in jedem der 27 Staaten niederlassen und Geschäfte betreiben kann. Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova sieht darin „für die Union Sicherheitsrisiken sowie Gefahren im Zusammenhang
mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption“, wie sie im November 2019 an die zyprische Regierung schrieb. Zypern versprach damals, das Programm zu überarbeiten. Tatsächlich wurden einige Änderungen beschlossen. Sie gehen der Kommission aber offenbar nicht weit genug. Anfang Oktober werde sie deshalb Vertragsverletzungsverfahren gegen Zypern, Malta und Bulgarien einleiten, berichtete jetzt das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Regierung in der Inselhauptstadt Nikosia versucht indes, dem drohenden Verfahren zuvorzukommen.
Zypern will trotz der Kritik an dem Programm festhalten. Seit 2013 kamen mit dem Passverkauf geschätzt sieben Milliarden Euro ins Land. Das Programm erfreut sich gerade jetzt wachsender Beliebtheit. Vor allem Briten entdecken nun die einstige Kolonie als Refugium: Sie beantragen zyprische Pässe, um ihre vom Brexit bedrohte EU-Freizügigkeit zu retten.
Seit 2013 kamen mit dem Passverkauf geschätzt sieben Milliarden Euro nach Zypern.