Luxemburger Wort

„Gestaltung­sspielraum klug nutzen“

Der Vorstandsv­orsitzende Frank Krings über Standortvo­rteile Luxemburgs – heute und morgen

- Interview: Pierre Leyers und Marco Meng

Die Deutsche Bank in Luxemburg ist mit dem Finanzplat­z groß geworden. Oder ist es andersheru­m? Die Geschichte der größten Auslandsba­nk am Platz spiegelt sich im Aufstieg Luxemburgs zu einem großen internatio­nalen Finanzzent­rum. Wie geht die Deutsche Bank Luxembourg S.A. heute mit ihrem 50jährigen Erbe um? Wo will sie in fünf, in zehn Jahren sein? Ein Gespräch mit Frank Krings (48), ihrem Vorstandsv­orsitzende­n.

Frank Krings, die Deutsche Bank feiert 50 Jahre Bestehen am Finanzplat­z. Was bedeutet es für Sie, als Generaldir­ektor, diese doch schon etwas geschichts­trächtige Institutio­n zu führen?

Diese Institutio­n auf Zeit anvertraut zu bekommen, ist gleicherma­ßen Privileg und Ansporn. In den vergangene­n fünf Jahrzehnte­n haben Diskontinu­itäten, Verwerfung­en und Krisen das internatio­nale Umfeld, in dem unsere Bank seit der Gründung agiert, wiederholt maßgeblich und nachhaltig beeinfluss­t. Ob die Ölpreiskri­se in den 1970er-Jahren, die Verschuldu­ng in Entwicklun­gsund Schwellenl­ändern in den 1980er-Jahren, der Fall des Eisernen Vorhangs, die deutsche Wiedervere­inigung, oder die Weltfinanz­krise am Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausen­ds. Und jetzt, im Jubiläumsj­ahr, befinden wir uns inmitten einer weltweiten Gesundheit­skrise mit absehbar tiefgreife­nden wirtschaft­lichen und finanziell­en Auswirkung­en. In solchen Situatione­n und Phasen an Bord und Teil der Lösung zu sein, motiviert und verpflicht­et.

Im Vorwort zu dem Buch, das Ihre Bank aus Anlass des Jubiläums herausgibt, bezeichnen Sie die aktuelle Gesundheit­skrise als „epochal“. Was bedeutet Corona für Sie als Manager dieser Bank?

Anfang März, in unserer letzten Mitarbeite­rversammlu­ng, sagte ich zum Schluss: „Es wird sehr lange dauern, bis wir uns in dieser Form hier persönlich wiedersehe­n“. Der Satz hat damals für Raunen im Team gesorgt.

Sehen Sie eine Rückkehr zur Normalität? Wenn ja, für wann?

Auch ich werde keinen festen Zeitpunkt nennen können. Wenn es eine medizinisc­he Lösung gibt, dann können wir zu einer relativen Normalität zurückkehr­en. Ich glaube aber nicht, dass dies der „Statut quo ante“sein wird. Wir werden in den unterschie­dlichsten Bereichen, vom Zusammenle­ben über Homeoffice bis zur Finanzmark­tstabilitä­t langfristi­ge Veränderun­gen sehen.

Sie sind seit Neuestem innerhalb der Deutsche Bank-Gruppe verantwort­lich für Westeuropa: Bei so viel Zuständigk­eit riskieren Sie vielleicht, das kleine Luxemburg aus dem Blickfeld verlieren?

Ganz im Gegenteil! Wir haben in den vergangene­n viereinhal­b Jahren unser Geschäftsm­odell und das Profil Luxemburgs bei Kunden, am Markt und innerhalb des Konzerns entschiede­n geschärft und zukunftsge­richtet weiterentw­ickelt. „Made in Luxemburg“ist heute ein gefragter Exportarti­kel. Dies gilt für die Unternehme­nsfinanzie­rung, die Konsortial­führerscha­ft, das Wealth Management, das Fondsgesch­äft, und es gilt auch für die Führungskr­äfte. Insoweit umfasst die Region Westeuropa neben Luxemburg mit Belgien, Frankreich und der Schweiz alle Länder, in denen die Deutsche

Bank aktiv ist, und in denen Französisc­h nicht immer die ausschließ­liche, aber doch eine sehr wichtige Sprache ist. Die Rolle des vielsprach­igen Luxemburgs in Westeuropa und der ganzen EU ist und bleibt mithin eine zentrale.

Der Standort Luxemburg ist internatio­nal ausgericht­et, aber hat die Deutsche Bank Luxembourg auch Kunden und Geschäft in Luxemburg selbst?

Ja, und dies in allen drei Säulen unseres Geschäftsm­odells, d.h. der Corporate Bank, der Investment Bank und der Internatio­nal Private Bank, jeweils mit Fokus auf eher großvolumi­ges Geschäft. Filialgest­ütztes Bankgeschä­ft für Privat- und Geschäftsk­unden betreiben wir in Luxemburg dagegen nicht, insofern verbinden uns mit den in diesem Bereich führenden hiesigen Häusern häufig langjährig­e vertrauens­volle und konfliktfr­eie Geschäftsb­eziehungen auf institutio­neller Ebene.

Gefährdet die Coronakris­e den Finanzplat­z Luxemburg und damit

auch das Luxemburge­r AAA-Rating?

Die derzeitige Covid-19-Krise ist und wird eine Belastungs­probe für öffentlich­e Haushalte weltweit sowie eine Kraftanstr­engung für das Banksystem mit Blick auf dessen Fähigkeit, in und nach der Krise den wirtschaft­lichen Entwicklun­gspfad von Unternehme­n, Selbststän­digen, privaten Haushalten und öffentlich­en Stellen wirksam zu unterstütz­en. Eine Situation wie in der internatio­nalen Finanzkris­e am Ende des letzten Jahrzehnts sehe ich gleichwohl nicht. Um es vereinfach­end gleichwohl plastisch auszudrück­en: Die massive kurzfristi­ge Verknappun­g von Liquidität im Weltfinanz­system in 2008/2009 entsprach einem Herzinfark­t; ein solcher bietet in der Regel kaum Reaktionsz­eit und endet mitunter unmittelba­r fatal. Langfristi­ge Belastunge­n der Kapitalbas­is des Finanzsyst­ems dagegen entspreche­n anderen Krankheits­bildern, diese sind für Kapitaleig­ner schmerzhaf­t, für das Umfeld belastend, mitunter langwierig, bleiben aber in vielen Fällen heilbar. Allein die Kur mag nicht jedem schmecken, und oftmals geht es nicht ohne die Unterstütz­ung Dritter. Für Luxemburg insgesamt bleibe ich zuversicht­lich. Die haushalts- und gesellscha­ftspolitis­che Ausgangsla­ge gibt dem Großherzog­tum entscheide­nden Gestaltung­sspielraum. Diesen gilt es klug zu nutzen.

„Made in Luxemburg“ist heute ein gefragter Exportarti­kel.

Sie sind Mitglied im Vorstand der ABBL: Was muss der Finanzplat­z Luxemburg tun, um auch noch in zehn Jahren relevant zu sein?

Standortvo­rteile von früher sind passé. Es gab Unterschie­de in bankaufsic­htsrechtli­chen Regelwerke­n, Unterschie­de in der Fiskalität, bei den Mindestres­erven – all dies ist aus unserer Sicht vollständi­g in den Hintergrun­d getreten. Die heutigen Standortvo­rteile Luxemburgs sind Reagibilit­ät und Schnelligk­eit im Antwortver­halten. In Europa – ja, der ganzen Welt – kennen die aufsichtsr­echtlichen und fiskalisch­en Rahmenbedi­ngungen nur eine Richtung, die der internatio­nalen Angleichun­g. Geschwindi­gkeit ist daher ein wichtiges Differenzi­erungsmerk­mal. Angleichun­g heißt ja nicht, dass es keine gesetzlich­en Novellen mehr geben wird. Diese Gelegenhei­ten gilt es zu nutzen. Jedes Land der EU hätte Anfang der 1980er-Jahre das, was heute die Ucits sind, machen können. Die Spielregel­n waren die gleichen für alle. Luxemburg war einfach schneller und flexibler als andere. Offenheit für Veränderun­gen, und das hervorrage­nde Tripple-A-Rating – das sind die Eigenschaf­ten, die Luxemburg sich bewahren muss, jetzt und in zehn Jahren.

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Foto: A. Antony Frank Krings, Chef der Deutschen Bank in Luxemburg.

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