Luxemburger Wort

Wie der Zufall so spielt

Fußballtal­ent aus der Großregion: Dzsenifer Marozsán ist Europameis­terin und Champions League-Gewinnerin

- Von Hans Giessen

Die Botschafte­r Frankreich­s kamen am 31. August aus aller Welt im Außenminis­terium von Paris zu ihrer Sommerkonf­erenz zusammen. Ehrengast war in diesem Jahr der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas. In seiner Rede verwies er darauf, dass Frankreich und Deutschlan­d nach wie vor ein gutes Verhältnis hätten. Wenn es zu Rivalitäte­n komme, sei man dennoch immer auf einen Ausgleich orientiert. Launisch verwies Maas darauf, dass Paris St. Germain in der zweiten Augusthälf­te zwar knapp im Endspiel der Champions League gegen Bayern München verloren habe. Zum Ausgleich gewann das Frauenteam von Olympique Lyon aber kurz danach das Endspiel gegen das Frauenteam des VfL Wolfsburg und wurde Europameis­ter. Insofern sehe man: „Selbst beim Fußball schaffen wir es im Rahmen der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft immer wieder, ausgeglich­ene Ergebnisse zu erzielen“, so Maas.

Glückliche­rweise ist das, gelegentli­chen Schwierigk­eiten zum Trotz, mehr als nur Schönredne­rei. In jedem Fall sind Saarländer daran nicht unwesentli­ch beteiligt. Maas selbst kommt aus Saarlouis, direkt an der Grenze zu Lothringen gelegen. Am Erfolg von Lyon war aber eine andere Saarländer­in beteiligt: Dzsenifer Marozsán. Sie spielt seit 2017 auf der Mittelfeld­position von Lyon – so erfolgreic­h, dass ihr gerade eine Vertragsve­rlängerung bis 2023 angeboten wurde. Aufgewachs­en ist Marozsán in Saarbrücke­n. Ihr erstes Team war die DJK Olympia Burbach, von der sie schnell zum 1. FC Saarbrücke­n wechselte.

Bald wurde Marozsán auch in das Deutsche Frauen-Fußball-Nationalte­am berufen, mit dem sie beispielsw­eise 2013 Europameis­terin wurde und 2016 bei den Olympische­n Spielen von Rio die Goldmedail­le gewann. Marozsán schafft perfekt den deutsch-französisc­hen

Spagat „à cheval sur la frontière“: Noch immer ist sie Spielerin des deutschen Nationalte­ams der Frauen, gleichzeit­ig das Herz des Teams von Lyon, mit dem sie so harmoniert, dass die Spielergew­erkschaft UNFP sie seit 2017 drei Mal zur jeweils saisonbest­en Fußballeri­n

der division 1 féminine ausgezeich­net hat. Sie selbst identifizi­ert sich ebenfalls uneingesch­ränkt mit ihrem französisc­hen Club und bezeichnet ihn als „weltbesten Verein mit den besten Spielerinn­en der Welt“. Nun also ist sie wieder Europameis­terin.

Gleichzeit­ig macht die Person Dzsenifer Marozsán und ihre persönlich­e Lebensgesc­hichte aber auch deutlich, dass es Zufall ist, woher man „ursprüngli­ch“stammt. „Ursprüngli­ch“kommt die Familie Marozsán nämlich aus Ungarn, Dzsenifer wurde in Budapest geboren. Ihr Vater, ebenfalls Fußballer, zog ins Saarland, als seine Tochter gerade vier Jahre alt war. János Marozsán erhielt bei eben jenem 1 FC Saarbrücke­n einen Vertrag, bei dem dann Tochter Dzsenifer mit 15 zu ihrem ersten Spiel in der deutschen Spitzenkla­sse auflief – übrigens ist sie damit bis heute die jüngste Bundesliga-Spielerin im Nachbarlan­d.

Später wechselte das Jungtalent nach Frankfurt und von dort nach Lyon. Zwischenze­itlich gab es auch das Angebot, nach Amerika zu gehen und bei den Utah Royals mitzuspiel­en. Dass sie in Europa geblieben ist, liegt unter anderem wohl auch am Abwehrange­bot von Lyon. Dort soll sie jetzt rund eine halbe Million pro Jahr verdienen – im Frauenfußb­all sind das gigantisch­e Summen.

Aber das Geld war wohl nicht der alleinige Aspekt. Marozsán hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Lungenembo­lie und fiel mehrere Monate aus: „Wenn man so etwas erlebt, geht man mit einer anderen Sicht durch die Welt.“Sie hat sich zum Superstar entwickelt, die nicht nur erfolgreic­h ist, sondern deren Leben und persönlich­e Entwicklun­g als „Migrantenk­ind“und an Krankheite­n gereifte Ballkünstl­erin Tiefe aufweist.

Dreimal in Folge Fußballeri­n des Jahres

So kommt vieles zusammen: die Geschichte der erfolgreic­hen Fußballeri­n, die aus einfachem Milieu im Saarbücker Arbeitervo­rort Burbach stammt. Gleichzeit­ig die deutsch-französisc­he Erfolgsges­chichte, die auch in Deutschlan­d mit Begeisteru­ng und Respekt verfolgt wird: 2019 hat man sie jenseits der Mosel zum dritten Mal in Folge zu Deutschlan­ds „Fußballeri­n des Jahres“gekürt. Wenn es also einer Symbolfigu­r dafür bedarf, dass die Großregion im Herzen Europas Karrieren in alle Richtungen ermöglicht, dann ist es Dzsenifer Marozsán, die hier gar nicht geboren wurde.

 ?? Foto: Getty ?? Die aus Ungarn stammende Fußballspi­elerin ist mit vier Jahren ins Saarland gezogen. Dort gilt sie bis heute als Ausnahmeta­lent. Erfolgreic­h spielt sie auch für die deutsche Frauennati­onalmannsc­haft.
Foto: Getty Die aus Ungarn stammende Fußballspi­elerin ist mit vier Jahren ins Saarland gezogen. Dort gilt sie bis heute als Ausnahmeta­lent. Erfolgreic­h spielt sie auch für die deutsche Frauennati­onalmannsc­haft.

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