Bistum Luxemburg, Krieg und Frieden
Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis die 1870 gegründete Diözese Luxemburg als gesellschaftsübergreifender Faktor auch in die Kriegsgeschehen, die das Land heimsuchten, mit einbezogen würde. (3/4)
Wirken stark eingeschränkt, doch blieb sie als einzige nationale Institution während des Krieges nahezu intakt.
Hitler wollte das öffentliche Leben „entkonfessionalisieren“und die Religion in die Privatsphäre abdrängen. Die katholischen Vereine wurden aufgelöst, die Seelsorge in den Hospitälern behindert, die Kirchenfabriken zu Miete für Kirchengebäude und Pfarrhäuser verpflichtet, die staatliche Besoldung der Kleriker abgeschafft und ersetzt durch eine die Gläubigen bindende Beitragsordnung nach deutschem Vorbild und unter Nazi-Kontrolle. Doch blieben die Luxemburger in ihrer überwältigenden Mehrheit der Kirche treu, und sei es nur aus innerem Widerstand gegen die Nazis. Der bezahlte Kirchenbeitrag führte sogar zu Überschüssen in der Bistumskasse.
Besonders stieß sich die Besatzung daran, dass die Kirche bei der Pflege der Luxemburger Identität und beim inneren Widerstand stark impliziert war, wenn auch mit Vorsicht und meist ohne direkte Angriffsflächen. Patriotische Texte, Lieder und Bekenntnisse waren verboten, der Religionsunterricht aus den öffentlichen Schulen entfernt, geistliche Professoren und Schwestern wurden entlassen. Glockenläuten wurde eingeschränkt, katholische Feste wie Christi Himmelfahrt und Allerheiligen abgeschafft. 1941 war das Priesterseminar gezwungen, nach Trier umzusiedeln.
Die „Entkonfessionalisierung“bezog sich auch auf die sozial-karitativen Einrichtungen. Der Chef der Zivilverwaltung wollte dem Führer ein „klosterfreies“Luxemburg schenken, daher ließ er 1941 alle Klöster aufheben und enteignen. Die Gemeinschaften wurden aufgelöst, die Gebäude beschlagnahmt und in Nazi-Anstalten umgewandelt. Die katholische Tageszeitung „Luxemburger Wort“wurde nationalsozialistisch umgeschaltet.
Patriotische Haltung und passive Resistenz machten die Kirche zu einer Art nationalem Rückgrat. Landesweit konnten überkommene ideologische Trennungslinien abgebaut wer
den, und es entstand eine starke innergesellschaftliche Solidarität. Pfarrer und Kapläne, aber auch Pfadfinder standen der Zivilbevölkerung im Widerstand helfend zur Seite. Der Glaube stieß auf hohe Akzeptanz. 1941 wurden 25 Geistliche von den Nazis verhaftet und ins unbesetzte Frankreich deportiert, andere in Konzentrationslager gebracht; 16 kamen dabei um. Die Amtsträger wurden auf ihren Posten bespitzelt und in der Ausübung ihres Amtes behindert.
Unmittelbar nach dem deutschen Überfall vom 10. Mai 1940 hatte Papst Pius XII. Beileidstelegramme an die Staatschefs der drei Benelux-Länder gerichtet und durch Veröffentlichung in der offiziösen Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“seine Anteilnahme vor der Welt bekundet.
Bischof Joseph Philippe (1935-56), Nachfolger von Nommesch, trat gegenüber der Besatzung diskret auf und legte ebenso seinem Klerus Zurückhaltung nahe. So konnten Seelsorge und das liturgisch-sakramentale Leben während der Kriegszeit aufrechterhalten bleiben, wenn auch in Formen und Umfang eingeengt und reduziert. Ebenso wurde die Muttergottes-Oktave in ihren äußeren Manifestationen eingeschränkt. Prozessionen waren verboten, doch wurde die Oktave im Inneren der Kathedrale sowie in den Pfarreien umso inbrünstiger gefeiert.
Aufs Ganze gesehen konnte die Luxemburger Kirche hierarchisch, pastoral und in Symbiose mit der Bevölkerung die Besatzungszeit und den Kriegsterror fast unbehelligt überstehen. Doch waren die menschlichen Opfer beklagenswert und die materiellen Verluste hoch. Von 470 Kirchen und Kapellen waren 230 beschädigt oder zerstört worden. Klöster, Vereinshäuser und Bibliotheken waren in Mitleidenschaft gezogen worden, das Vermögen der katholischen Vereine konfisziert.
Unter Bischof Philippe erfolgte mit Systematik der kirchliche Wiederaufbau bis in die Fünfzigerjahre. Doch lebten nun auch die alten weltanschaulichen Trennungslinien wieder auf, und die Kirche grenzte sich gegenüber Sozialismus und Kommunismus, so wie bereits vor dem Krieg, scharf ab. Insgesamt dominierten in der Nachkriegszeit die hoffnungsvollen Töne, nicht zuletzt im neu entstehenden, auch christlich geprägten Europa.
Vom Bischof wurde die Neuentstehung der Katholischen Aktion (KA) stark gefördert. Der französisch-belgische Einfluss wurde dabei vorherrschend, der deutsche ging zurück. Die Reform wurde im Sinne der spezialisierten Aktion durchgezogen, die das jeweilige sozio-professionelle Milieu im Visier hatte (Arbeiter, Dorfbevölkerung, Mittelklassen), mit zusätzlichen Unterteilungen nach Berufssparten oder Altersgruppen. Die KA wurde unterteilt in einen männlichen und einen weiblichen Zweig, für die Kinder entstand die „Luxemburger Kinderaktion“. Waren die fünfziger Jahre der Höhepunkt der KA, so erschlaffte sie in den sechziger Jahren – Bischof Lommel (1956-71) war, im Unterschied zu seinem Vorgänger, kein großer Förderer der KA. Viele der katholischen Vereinigungen blieben nur noch auf dem Papier bestehen um nachher ganz zu verschwinden.
Die christliche Gesellschaft bewegte sich in den Fünfzigerjahren langsam aber sicher auf die nach dem Konzil (1962-65) zutage tretende „Krise“zu: eine immer greifbarer werdende Rückentwicklung im volkskirchlichen Geschehen und besonders bei der Sonntagspraxis und dem Sakramentenempfang. Ursache und Korollarien waren: wirtschaftliche Entwicklung und zunehmender materialistischer Zeitgeist, Konsumdenken und Ersetzen traditioneller Lebensformen durch neue, religiöse Gleichgültigkeit und Zurückschrauben des Religiösen im gesellschaftlichen und privaten Leben mit seinen ethischen Ausläufern und moralischen Verbindlichkeiten. Dieser Trend hält bis heute an – er hat im Übrigen die ganze westliche Welt erfasst. In Luxemburg war die Entwicklung gekoppelt mit der wachsenden Mobilität der Menschen. Die traditionellen dörflichen Strukturen, bis dahin Wiege des Volkskatholizismus, gingen verloren. Katholisches Milieu und kirchliche Bindung erodierten progressiv und immer augenscheinlicher. Wurde der Sonntagsgottesdienst in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre von um die 54 % der Luxemburger besucht, so waren es 1964 nur noch 45 %, 1977: 33 %, 1988: 22 %. 1999 gaben 21 % in einer Umfrage an, wöchentlich zu praktizieren, 2008 waren es 13 %.
Zusammen mit vielen katholischen Organisationen, LCGB usw. hatte die Trias Kirchechristliche Partei-„Luxemburger Wort“als Koordinatensystem mit fließenden Übergängen und wirksamer Aktionseinheit seit Beginn des 20. Jahrhunderts die politische Bühne bestimmt. Im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg wurden die Karten neu gestückt, die christlichen Gesellschaftsträger entflechteten sich progressiv bei bleibender weltanschaulicher Übereinstimmung. Die katholische Tageszeitung „Luxemburger Wort“wurde, so wie im 19. Jahrhundert, wieder zu einem eigenständigeren
Wiederaufbau, Blüte... ... und Niedergang