Weichenstellung und Wehmut
ADR-Nationalkongress nimmt Resolutionen zu Klima, Migration und Wohnen an – Gast Gibéryen verabschiedet
Auch in Zeiten der Corona-Pandemie wollte es sich die Oppositionspartei ADR nicht nehmen lassen, ihren Nationalkongress mit physischer Präsenz abzuhalten. Um die sanitären Sicherheitsmaßnahmen, allem voran den Mindestabstand, einhalten zu können, wurde das Treffen, das ursprünglich am 29. März im Südbezirk stattfinden sollte, in der Ettelbrücker Däichhal organisiert, wo sich gestern etwas weniger als 100 Parteimitglieder eingefunden hatten.
Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnung bestand in der Präsentation und Annahme von drei Resolutionen zu den Themenbereichen Klimaschutz, Asyl- und Migration sowie Wohnungsnot. Zunächst stellte Fred Keup die Resolution zum Klimaschutz vor. Die ADR verweigere sich der Panikmache von Grünen und Medien und gehe das Problem pragmatisch und realistisch an. Das Klima habe sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, wobei Warmzeiten tendenziell besser für die Menschheit seien. „Denkt nur an die Neandertaler, die durch eine Eiszeit dezimiert wurden und ausgestorben sind.“
Wachstum als Hauptproblem
Trotzdem liege der Partei der Umweltund Klimaschutz am Herzen. Man müsse sich jedoch die Frage stellen, was ein kleines Land wie Luxemburg tun könne. Für die ADR muss zunächst das unkontrollierte Wachstum beendet, der Verbrauch von Rohstoffen reduziert und an realistischen Alternativen zu fossilen Energieträgern geforscht werden. Als konkrete Maßnahmen nannte Keup den Konsum lokaler Produkte sowie eine Reduzierung der Mehrwertsteuer
auf Reparaturen von Elektrogeräten.
Fernand Kartheiser präsentierte die Resolution zur Asyl- und Migrationspolitik. Die ADR sei nicht per se gegen Migration, da Luxemburg diese als kleine und offene Ökonomie benötige. Allerdings wehre man sich gegen die massive Wirtschaftsmigration, die es seit 2015 nach Europa gebe.
Es müssten wieder die Genfer Flüchtlingskonvention von 1949 und die Asylrechtskonvention von 1951 gelten. Nur Menschen, die vor Krieg oder politischer Verfolgung auf der Flucht sind, dürften Asyl erhalten, andernfalls verliere das Asylrecht an Akzeptanz. Bei der Verteilung von Flüchtlingen sollten die Gemeinden entscheiden können, wen sie aufnehmen. In einer zweiten Rede, die er in seiner Funktion als neuer Fraktionschef hielt, rief Kartheiser für die
Nationalwahlen 2023 das Ziel aus, mindestens fünf Mandate zu erringen.
Der Abgeordnete Roy Reding ging auf die Wohnungsnot ein. „Wir wissen, dass das Wachstum die Quelle des Mangels an erschwinglichem Wohnraum ist“, so Reding. Zuletzt seien jährlich rund 13 000 Menschen nach Luxemburg eingewandert, was einem Bedarf von in etwa 6 500 Wohnungen entspreche. Steuererhöhungen seien nicht geeignet um die Situation in den Griff zu bekommen. Stattdessen müsse mehr Bauland erschlossen, die PAP-Prozeduren vereinfacht und mehr durch die Gemeinden gebaut werden. Alle drei Resolutionen wurden deutlich angenommen.
Parteipräsident Jean Schoos erteilte seinerseits den Überlegungen seines CSV-Pendants Frank Engel nach einer Erbschaftssteuer eine klare Absage. Stattdessen sollten die sogenannten Fonds d'investissement spécialisés (FIS) zur Kasse gebeten werden. Mit Blick auf die luxemburgische Parteienlandschaft bezeichnete er die ADR als einzige Partei, die rechts von der Mitte bürgerlich-konservative Werte vertrete. „Wir sind nicht nach rechts gerutscht, die anderen sind alle nach links weggelaufen.“
Gast Gibéryen wird Ehrenpräsident Am Ende stand der Kongress dann ganz im Zeichen von Gast Gibéryen, der sich nach 31 Jahren als Abgeordneter aus der Politik zurückzieht und für den am Mittwoch Fred Keup in die Chamber nachrückt. Schoos schlug vor, Gibéryen, der von 1987 bis 1989 an der Spitze der Partei gestanden hatte, zum Ehrenpräsidenten zu ernennen, was von den Parteimitgliedern mit Standing Ovations quittiert wurde.
Anschließend sorgte der künftige Politrentner für eine doppelte Premiere, erstmals fand er am Rednerpult keine Worte und konnte auch die Tränen nicht immer zurückhalten. „Ech kann Iech nëmme Merci soen“, meinte Gibéryen sichtlich bewegt. Er habe den Entschluss mit 70 Jahren aufzuhören schon vor einiger Zeit gefasst. Einerseits um selbstständig abtreten zu können, andererseits um seinem Nachfolger genügend Zeit zur Einarbeitung zu geben. Mit Blick auf die Zukunft mache er sich keine Sorgen, denn „Unsere Partei hat noch nie so gut funktioniert wie heute“.
Unsere Partei hat noch nie so gut funktioniert wie heute. Gast Gibéryen