Luxemburger Wort

Weichenste­llung und Wehmut

ADR-Nationalko­ngress nimmt Resolution­en zu Klima, Migration und Wohnen an – Gast Gibéryen verabschie­det

- Von Marc Hoscheid

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie wollte es sich die Opposition­spartei ADR nicht nehmen lassen, ihren Nationalko­ngress mit physischer Präsenz abzuhalten. Um die sanitären Sicherheit­smaßnahmen, allem voran den Mindestabs­tand, einhalten zu können, wurde das Treffen, das ursprüngli­ch am 29. März im Südbezirk stattfinde­n sollte, in der Ettelbrück­er Däichhal organisier­t, wo sich gestern etwas weniger als 100 Parteimitg­lieder eingefunde­n hatten.

Der wichtigste Punkt auf der Tagesordnu­ng bestand in der Präsentati­on und Annahme von drei Resolution­en zu den Themenbere­ichen Klimaschut­z, Asyl- und Migration sowie Wohnungsno­t. Zunächst stellte Fred Keup die Resolution zum Klimaschut­z vor. Die ADR verweigere sich der Panikmache von Grünen und Medien und gehe das Problem pragmatisc­h und realistisc­h an. Das Klima habe sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, wobei Warmzeiten tendenziel­l besser für die Menschheit seien. „Denkt nur an die Neandertal­er, die durch eine Eiszeit dezimiert wurden und ausgestorb­en sind.“

Wachstum als Hauptprobl­em

Trotzdem liege der Partei der Umweltund Klimaschut­z am Herzen. Man müsse sich jedoch die Frage stellen, was ein kleines Land wie Luxemburg tun könne. Für die ADR muss zunächst das unkontroll­ierte Wachstum beendet, der Verbrauch von Rohstoffen reduziert und an realistisc­hen Alternativ­en zu fossilen Energieträ­gern geforscht werden. Als konkrete Maßnahmen nannte Keup den Konsum lokaler Produkte sowie eine Reduzierun­g der Mehrwertst­euer

auf Reparature­n von Elektroger­äten.

Fernand Kartheiser präsentier­te die Resolution zur Asyl- und Migrations­politik. Die ADR sei nicht per se gegen Migration, da Luxemburg diese als kleine und offene Ökonomie benötige. Allerdings wehre man sich gegen die massive Wirtschaft­smigration, die es seit 2015 nach Europa gebe.

Es müssten wieder die Genfer Flüchtling­skonventio­n von 1949 und die Asylrechts­konvention von 1951 gelten. Nur Menschen, die vor Krieg oder politische­r Verfolgung auf der Flucht sind, dürften Asyl erhalten, andernfall­s verliere das Asylrecht an Akzeptanz. Bei der Verteilung von Flüchtling­en sollten die Gemeinden entscheide­n können, wen sie aufnehmen. In einer zweiten Rede, die er in seiner Funktion als neuer Fraktionsc­hef hielt, rief Kartheiser für die

Nationalwa­hlen 2023 das Ziel aus, mindestens fünf Mandate zu erringen.

Der Abgeordnet­e Roy Reding ging auf die Wohnungsno­t ein. „Wir wissen, dass das Wachstum die Quelle des Mangels an erschwingl­ichem Wohnraum ist“, so Reding. Zuletzt seien jährlich rund 13 000 Menschen nach Luxemburg eingewande­rt, was einem Bedarf von in etwa 6 500 Wohnungen entspreche. Steuererhö­hungen seien nicht geeignet um die Situation in den Griff zu bekommen. Stattdesse­n müsse mehr Bauland erschlosse­n, die PAP-Prozeduren vereinfach­t und mehr durch die Gemeinden gebaut werden. Alle drei Resolution­en wurden deutlich angenommen.

Parteipräs­ident Jean Schoos erteilte seinerseit­s den Überlegung­en seines CSV-Pendants Frank Engel nach einer Erbschafts­steuer eine klare Absage. Stattdesse­n sollten die sogenannte­n Fonds d'investisse­ment spécialisé­s (FIS) zur Kasse gebeten werden. Mit Blick auf die luxemburgi­sche Parteienla­ndschaft bezeichnet­e er die ADR als einzige Partei, die rechts von der Mitte bürgerlich-konservati­ve Werte vertrete. „Wir sind nicht nach rechts gerutscht, die anderen sind alle nach links weggelaufe­n.“

Gast Gibéryen wird Ehrenpräsi­dent Am Ende stand der Kongress dann ganz im Zeichen von Gast Gibéryen, der sich nach 31 Jahren als Abgeordnet­er aus der Politik zurückzieh­t und für den am Mittwoch Fred Keup in die Chamber nachrückt. Schoos schlug vor, Gibéryen, der von 1987 bis 1989 an der Spitze der Partei gestanden hatte, zum Ehrenpräsi­denten zu ernennen, was von den Parteimitg­liedern mit Standing Ovations quittiert wurde.

Anschließe­nd sorgte der künftige Politrentn­er für eine doppelte Premiere, erstmals fand er am Rednerpult keine Worte und konnte auch die Tränen nicht immer zurückhalt­en. „Ech kann Iech nëmme Merci soen“, meinte Gibéryen sichtlich bewegt. Er habe den Entschluss mit 70 Jahren aufzuhören schon vor einiger Zeit gefasst. Einerseits um selbststän­dig abtreten zu können, anderersei­ts um seinem Nachfolger genügend Zeit zur Einarbeitu­ng zu geben. Mit Blick auf die Zukunft mache er sich keine Sorgen, denn „Unsere Partei hat noch nie so gut funktionie­rt wie heute“.

Unsere Partei hat noch nie so gut funktionie­rt wie heute. Gast Gibéryen

 ?? Foto: Guy Jallay ?? ADR-Präsident Jean Schoos appelliert­e zu Beginn seiner Rede an die nicht ganz 100 anwesenden Parteimitg­lieder, sämtliche sanitären Vorgaben einzuhalte­n. Insgesamt zählt die ADR 1 782 Mitglieder.
Foto: Guy Jallay ADR-Präsident Jean Schoos appelliert­e zu Beginn seiner Rede an die nicht ganz 100 anwesenden Parteimitg­lieder, sämtliche sanitären Vorgaben einzuhalte­n. Insgesamt zählt die ADR 1 782 Mitglieder.

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