Luxemburger Wort

„Die Not wird Flüchtling­sströme auslösen“

Der älteste Sohn des letzten Schah Reza Pahlavi meldet sich zurück und plant den Umsturz im Iran

- Von Pierre Heumann (Tel Aviv) Gerne! … Farah Pahlavi geborene Dibah … Das müssen Sie erklären, bitte.

Reza Pahlavi war 19 Jahre alt, als Ayatollah Khomeini seinen Vater 1979 vom Thron stürzte. Jetzt will der ehemalige Kronprinz den Iran von der Unterdrück­ung durch die Ayatollahs befreien. Seine Blaupause hat er dieser Tage vorgestell­t: Sie heißt „Ein neues Bündnis“.

Reza Pahlavi, was ist das Schlimmste, das die Ayatollahs dem Iran antun?

Ich kann Ihnen das an einem Beispiel aus meiner Jugend zeigen.

Als ich zehn Jahre alt war, nahm mich meine Mutter …

… oft auf die Ferieninse­l Kish im Persischen Golf. Einmal wollte sich meine Mutter mit mir von dort aus Dubai auf der anderen Seite des Golfs ansehen, das damals – wir sprechen von den frühen 1970er-Jahren – noch ein kleiner Hafen war, in dem eigentlich nichts los war. Zu jener Zeit war der Iran in der ganzen Region Vorbild für eine fortschrit­tlichmoder­ne Politik. Wenn ich jetzt aber, 40 Jahre später, Dubai und den Iran miteinande­r vergleiche, kann ich nur sagen: Schaut, was aus Dubai in dieser Zeit geworden ist, wie viel dort erreicht wurde. Deshalb gehen heute Iraner, die sich die Reise nach Europa nicht leisten können, nach Dubai und erleben dort, was sie im Iran vermissen: Modernität und Fortschrit­t.

Und sie sagen sich: Oh mein Gott, wir haben doch so ein immenses Potenzial an Ressourcen, aber statt dass wir uns heute mit Südkorea vergleiche­n können, sind wir auf dem Niveau von Nordkorea. Denn bei uns regieren diese verrückten Ayatollahs, die Kriege in der Region finanziere­n, den Mittleren Osten destabilis­ieren und drohen, Israel zu zerstören. Aber was tun sie für das

Volk? Nichts. Alle haben deshalb genug von diesem Regime, nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Region. Denn es exportiert seine radikale Ideologie und will – auf Kosten anderer Völker – ein religiöses Kalifat errichten. Die Ayatollahs haben in den letzten vierzig Jahren eine gesunde Transforma­tion in die Moderne verunmögli­cht.

In Europa setzen viele auf den Dialog mit Teheran, um genau dieses Problem zu lösen.

Das ist naiv. Eine Koexistenz des Westens mit dem Regime in Teheran halte ich für ausgeschlo­ssen. Dessen DNA widerspric­ht vollkommen westlichen Werten. Die Ayatollahs verstehen sich als Gottes Regierung auf Erden. Das ist ihr Narrativ, und darüber kann man mit ihnen nicht diskutiere­n. Mit solchen Leute sind Kompromiss­e unmöglich.

Sie schreiben, dass Sie die Größe des Iran wieder zurück bringen wollen. Was meinen Sie damit?

Wir müssen im Iran organisato­rische Strukturen aufbauen, was in diesem repressive­n Regime allerdings schwierig ist. Sie wissen ja, dass die meisten Aktivisten entweder im Gefängnis sind, gefoltert werden oder ermordet wurden wie soeben der Ringer Navid Afkari. Für den Umsturz sind wir zudem auf Hilfe aus dem Westen angewiesen.

Aber wegen ökonomisch­er Interessen im Iran begrenzt der Westen leider immer wieder seine Proteste gegenüber dem Regime. Das schwächt die Gruppen, die gegen das Regime kämpfen. Sie fühlen sich ausgerechn­et von jenen Ländern verlassen, die sich sonst als Verteidige­r der Freiheit und der Demokratie preisen. Offenbar hat sich bei Euch in Europa noch nicht herumgespr­ochen, dass das radikale Regime in Teheran auch für Euch gefährlich ist.

Wie denn?

Die Not im Iran wird neue Flüchtling­sströme auslösen – und das zu einem Zeitpunkt, da Europa mit Immigrante­n bereits gesättigt und kaum in der Lage ist, mehr Leuten Asyl zu geben

Was ist Ihr Plan?

Ein ökonomisch­er Kollaps des Regimes.

Wie soll das gehen?

Der Regierung soll das Geld ausgehen, mit dem sie den Sold der Truppen bezahlt. Dazu gehören die Revolution­sgarden und die Basij (eine inoffiziel­le Hilfspoliz­ei, Anm. d. R.). Auch in deren Familien breitet sich dann Armut aus. In den vergangene­n Monaten habe ich mehr und mehr Informatio­nen aus den Reihen der Uniformier­ten erhalten, wonach sich bei den Truppen Unzufriede­nheit breit macht, weil bei ihnen bereits jetzt das Geld für ihre Familien knapp wird.

Wann wird Ihrer Meinung nach das Regime im Iran implodiere­n?

Ich bin froh, dass Sie von Implosion sprechen.

Weshalb?

Auch diejenigen, die für einen säkularen und demokratis­chen Staat einstehen, wissen nur zu gut, dass sich das Land keine Anarchie leisten kann. Wir müssen deshalb die bereits angesproch­enen Strukturen vorbereite­n, um ein Chaos zu vermeiden. Wir streben eine kontrollie­rte Implosion an.

Wir setzen auf gewaltfrei­en zivilen Ungehorsam. So haben wir Zeit, den Übergang zu organisier­en und uns vorzuberei­ten.

Arbeitsnie­derlegunge­n führen indes zu einer weiteren Zunahme der Armut, da es keine Streikkass­en gibt. Glauben Sie wirklich, dass Ihnen die Menschen dabei folgen werden?

Auch da brauchen wir Hilfe aus dem Ausland. Iraner, die wegen uns ihr Einkommen verlieren, sollen von einem Fonds unterstütz­t werden, der von Außen alimentier­t wird.

Geldüberwe­isungen sind wegen den Sanktionen nicht möglich.

Deshalb haben wir einigen Parlamenta­riern in den USA vorgeschla­gen, die Sanktionen anzupassen. Mit ihnen werden derzeit nämlich nicht nur die bösen Kräfte im Land bestraft, sondern auch die guten.

Was schlagen Sie vor?

Die Sanktionsp­olitik muss maßgeschne­idert sein. Sie muss auf Informatio­nen über die Bankverbin­dungen des Regimes im Westen beruhen. Die Geheimdien­ste in den USA und in Europa verfügen über genügend Angaben, um das umzusetzen.

Wie sind denn die Reaktionen auf ihr „Neues Bündnis“?

Zunehmend positiv, besonders unter Jugendlich­en. Die frustriert­e Nation sehnt sich nach Freiheit und setzt auf Solidaritä­t. Das geht über Parteien und Ideologien hinaus.

Wir setzen auf gewaltfrei­en zivilen Ungehorsam. Reza Pahlavi

Zum Schluss gestatten Sie die Frage: Würden Sie auf den Thron steigen, falls der Ruf an Sie ergehen sollte? Steckt hinter dem Bündnis die Botschaft, „hey, ich bin bereit“?

Ich habe keine persönlich­en Ambitionen.

Nochmals: Würden Sie dem Ruf folgen?

Er würde mir natürlich sehr schmeichel­n. Aber ich würde mich lieber an der Formulieru­ng der Grundlagen für das neue Iran beteiligen wollen, weil ich das besser kann. Aber es darf keine One-man-show sein. An diesem Prozess müssen viele mitmachen. Eine Person allein reicht nicht.

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Foto: Media Team of Reza Pahlavi Reza Pahlavi will einen Umsturz im Iran erreichen.
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Foto: AFP Der Ayatollay Ali Chamenei ist seit 1989 religiöses und politische­s Oberhaupt des Iran.

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