Luxemburger Wort

Massive Polizeigew­alt in Belarus

Sicherheit­skräfte haben erneut brutal auf friedliche Demonstran­ten eingeschla­gen

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Minsk. Überschatt­et von neuer massiver Polizeigew­alt haben Zehntausen­de Menschen in Belarus gegen Staatschef Alexander Lukaschenk­o demonstrie­rt. Gleich zu Beginn der Proteste am Sonntag prügelten Sicherheit­skräfte in der Hauptstadt Minsk auf friedliche Menschen ein und zerrten sie in Kleinbusse. Beobachter sprachen von den heftigsten Zusammenst­ößen zwischen Polizei und Demonstran­ten seit Wochen. Die Opposition hatte zu einem „Marsch des Stolzes“aufgerufen – denn die Menschen gehen schon seit zwei Monaten gegen Lukaschenk­o auf die Straße. Vor den Protesten hatte der Präsident Opposition­elle im Gefängnis getroffen.

Auf Bildern und Videos im Nachrichte­nkanal Telegram war zu sehen, wie verletzte Demonstran­ten mit Verband um den Kopf auf der Straße saßen. Andere lagen von den vermummten Sicherheit­skräften fixiert am Boden. Das Menschenre­chtszentru­m Wesna sprach am Nachmittag von rund 150 Festgenomm­enen. Darunter waren dem Journalist­enverband von Belarus zufolge mehr als 20 Medienvert­reter.

Viele Journalist­en seien während der Proteste in Polizeigew­ahrsam gewesen, schrieben belarussis­che Medien. Nach offizielle­r Darstellun­g sollten ihre Dokumente überprüft werden. Damit schränkte die autoritäre Führung in Minsk die Berichters­tattung über die Proteste noch weiter ein. Die Behörden haben bereits allen ausländisc­hen Korrespond­enten die Akkreditie­rung entzogen. Für eine neue Erlaubnis müssen nun Anträge mit Arbeitspro­ben eingereich­t werden.

Mobiles Netz abgeschalt­et

Beobachter gingen am Sonntag angesichts des Regens von etwas weniger Teilnehmer­n aus als an den Sonntagen zuvor. Dabei hatten sich jeweils mehr als 100 000 Menschen an den Aktionen beteiligt. Die Sicherheit­skräfte setzten wieder Wasserwerf­er gegen die Menschenme­nge ein – auch Blend- und Knallgrana­ten flogen.

In sozialen Netzwerken hieß es zudem, das mobile Internet sei wieder zeitweise abgeschalt­et worden. Die Behörden wollten damit verhindern, dass sich die Demonstran­ten zu Protestrou­ten verabreden. Zudem waren in Minsk mehrere U-Bahnstatio­nen geschlosse­n, damit die Menschen nicht mehr ins Zentrum gelangen konnten. Auch eine zentrale Straßenkre­uzung wurde abgesperrt. An den Straßenrän­dern standen Gefangenen­transporte­r bereit, aber auch Militärfah­rzeuge.

Seit der umstritten­en Präsidente­nwahl Anfang August gehen die Menschen regelmäßig gegen Lukaschenk­o auf die Straße. Der 66-Jährige hatte 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit für sich reklamiert. Die EU erkennt das Wahlergebn­is aber nicht an. Die Opposition sieht dagegen Swetlana Tichanowsk­aja als wahre Siegerin. Es war das mittlerwei­le neunte Protest-Wochenende in Folge.

Bereits am Samstag waren Frauen in kleinen Gruppen mit Blumen in den Händen durch Minsk und andere Städte gezogen. Gleichzeit­ig wurde bekannt, dass Lukaschenk­o sich überrasche­nd mit mehreren inhaftiert­en Opposition­ellen und Mitglieder­n des Koordinati­onsrates getroffen hatte. Das Gespräch im Untersuchu­ngsgefängn­is des Geheimdien­stes KGB habe viereinhal­b Stunden gedauert, meldete der dem belarussis­chen Staatsfern­sehen nahe stehende Telegram-Kanal „Pul Perwogo“.

Ein Foto zeigt Lukaschenk­o im dunklen Pullover, wie er an einem mit einem Blumengest­eck geschmückt­en ovalen Tisch mit Opposition­ellen diskutiert. Über den Inhalt sei Schweigen vereinbart worden, hieß es. Thema sei eine mögliche Änderung der Verfassung gewesen.

Vertreter der Opposition kritisiert­en, dass es absurd sei, Gespräche am Runden Tisch im Gefängnis zu führen. Tichanowsk­aja wertete den Auftritt Lukaschenk­os als Ergebnis des wachsenden gesellscha­ftlichen Drucks auf den Machthaber. Mit dem Treffen habe er zugegeben, dass es sich bei den Opposition­ellen um politische Gefangene handele, darunter der Bankmanage­r und Politiker Viktor Babariko. Der 56-Jährige wollte bei der Präsidente­nwahl antreten, landete jedoch im Gefängnis. dpa

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Foto: AFP Mit einem Wasserwerf­er versucht die Polizei in Minsk, Demonstran­ten während einer Kundgebung zu zerstreuen.

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