Innere und äußere Masken
Was von Roger Manderscheids Stück „Rote Nelken für Herkul Grün“zurückbleibt
Der Theateraufführung im Kasemattentheater fehlt am Ende irgend etwas – aber was? Die Inszenierung des einst geschmähten Bühnenstücks von Roger Manderscheid „Rote Nelken für Herkul Grün“ist korrekt. Man sieht, dass der Vielfachkünstler Serge Tonnar, ein Musiker, der vieles anpacken kann, auch dieser Aufgabe gewachsen ist. Seine Regiearbeit ist gepflegt und auch sehr ansprechend – zusammen mit Regieassistentin Sara Goerres und dem gesamten Schauspielerteam hat er in der Tat viel Mühe in diese Bühneninszenierung gesteckt. Eine richtige Herkulesarbeit – „das Komplizierteste, was ich je getan habe“, sagt er vor der Premiere dem „Luxemburger Wort“in einem Interview.
Leidenschaft im Einmachglas
Viel Arbeit, viel Aufwand, viel Kreativität – auch bei der Musik. Tonnar hat sie selbst komponiert. Es sind sehr rhythmische und doch etwas ungewohnte Klänge, weit entfernt von Tonnars üblicher Chansonmusik. Und auch die Schauspieler legen ihr ganzes Können an den Tag: Marie Jung, Nora Koenig, Nickel Bösenberg, Pitt Simon und Konstantin Rommelfangen verbringen den Theaterabend auf der Bühne. Die Kostüme und das Bühnenbild, bestehend aus vier bequemen Sesseln und einem Vorhang im Hintergrund, hat Dagmar Weitze entworfen. Die Videoarbeit kommt von Melting Pol aka Paul Schumacher.
Marie Jung und Nickel Bösenberg sowie Pitt Simon und Nora
Koenig spielen in diesem Stück zwei Ehepaare, die sich mit der Zeit voneinander entfernt haben, die glauben, ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen, die aber im Grunde bis ins Innere zerrüttet sind. Die emotionale, leidenschaftliche und romantische Seite der Liebe, für die im Stück wohl die roten Nelken stehen, ist ihnen abhanden gekommen, allenfalls „überwintert sie im Keller in einem Einmachglas“, so geht es aus dem Text von Manderscheid hervor. Herkul Grün, gespielt von Konstantin Rommelfangen, eine Heldenfigur, ein „Superjhemp“von anno damals, hinterfragt das Leben der beiden Paare.
Wenn es auf der Bühne nicht an der Inszenierung hapert und auch nicht am Schauspiel und man nach der Aufführung dennoch das Theater
mit leichtem Hunger verlässt, dann liegt es vermutlich am Stück selbst. Roger Manderscheid hat es 1974 als Auftragsarbeit für das Kasemattentheater geschrieben. Die Originalfassung wurde jedoch nie aufgeführt, was der Schriftsteller stets bedauert hat. Es wird vermutet, dies habe daran gelegen, dass es einigen Ensemble-Mitgliedern damals als zu gewagt für das konservative Luxemburg erschien. Aber war es wirklich nur das?
Vielleicht hat das Stück damals insgesamt enttäuscht und wurde auch deswegen abgelehnt. Und ganz sicher hat auch das Kasemattentheater zu lange gewartet, fast ein halbes Jahrhundert, um nun nach der Corona-Pause im Theater diese offene Rechnung mit dem Schriftsteller endlich zu begleichen. Die Vereinsamung des Menschen,
das Parasitenhafte im Luxemburger, seine Ausländerfeindlichkeit, so wie es bereits in Manderscheids Drehbuch „Stille Tage in Luxemburg“1973 beschrieben wurde, wird nun mit der Pandemie verknüpft. Der Mensch in seiner emotionalen Quarantäne trägt immer schon eine Maske. Und dieses Zusammenführen der äußeren und inneren Maske auf der Bühne scheint auf den ersten Blick auch sehr geschickt. Nur leider hat man den Eindruck, dass man wegen Corona nur auf Textkrümel des ursprünglichen Stücks stößt, was als Hommage an einen Schriftsteller doch leider etwas dünn wirkt.
„Rote Nelken für Herkul Grün“am 13., 14., 16., 17., 20., 21., 23. und 24. Oktober jeweils um 20 Uhr. Reservierung: ticket@kasemattentheater.lu