Spinne im Yucca
Einer meiner tiefsten Beweggründe, welcher mich den Beruf des Journalisten ergreifen ließ, ist der Wunsch nach Aufklärung. Ganz besonders eifrig gehe ich deshalb stets zu Werke, wenn Halbwahrheiten oder sogenannte Urban legends die Runde machen. Besonders in den 1990er-Jahren, noch lange vor Fake News und dem Siegeszug von Social media, waren die Geschichten der Schwester eines guten Freundes der absolute Renner. Und die hatte sie stets aus total zuverlässiger Quelle. Es gab sogar Sammelbände über diese mystischen Geschichten mit leichtem Gruselfaktor. So gehört die berühmte Vogelspinne, die sich in einer Yuccapalme, versteckt hielt und den armen Kleinbürger inmitten
Urban legends sind nicht kleinzukriegen.
seiner wohligen Wohnstubenatmosphäre überraschte, zu den Klassikern. Beliebt war auch der Anhalter, den man nachts an einer verlassenen Landstraße aufgelesen hatte und der dann urplötzlich vom Beifahrersitz verschwunden war. Später habe man dann gehört, dass genau diese Person vor Jahren an genau diesem Ort bei einem Verkehrsunfall verstarb. Die Geschichte gehört fast schon zum volkstümlichen Sagenschatz, wurde sie doch bereits im 19. Jahrhundert erzählt ... damals allerdings in einer Pferdekutschenversion. Geschockt haben uns in den 1980er-Jahren auch Meldungen über mit der Droge LSD behandelte Rückseiten von Klebebildern für Kinder. Alles zu schlimm, um wahr zu sein, genau so wie die Kidnapping-Geschichten in Parkhäusern mit anschließender Organentfernung. Alles erstunken und erlogen, aber je mehr derartige Geschichten dementiert werden, um so länger werden sie weitererzählt – oder im Internet verbreitet, der größten Verschwörungstheorie-Schleuder überhaupt. Ich für meinen Teil verlasse mich bei diesen Geschichten immer nur auf eine, absolut zuverlässige Quelle: Meinen Friseur. Der kennt sämtliche Geschichten, die mir bis dahin ein Rätsel waren. Und wenn die Haare zu Berge stehen, lassen sie sich denn auch besser schneiden. Jacques