Luxemburger Wort

Kiesch-Frage bleibt spannungsg­eladen

Spanischer Richter wird Entscheidu­ng über Strafvollz­ug für geflüchtet­en Luxemburge­r treffen

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Es gibt noch immer keinen Beschluss einer spanischen Gerichtsba­rkeit, ob, wann und für wie lange der geflüchtet­e Gewaltverb­recher Jean-Marc Sirichai Kiesch seine verbleiben­de Gefängniss­trafe in Spanien absitzen wird. Das geht aus Informatio­nen, die dem „Luxemburge­r Wort“vorliegen, hervor. Und bis zu einer Entscheidu­ng können mitunter noch Monate vergehen.

Der heute 39-jährige Luxemburge­r hatte im Jahr 1999 eine 69-jährige Frau bei einem Einbruch auf brutale Art und Weise getötet und war im Anschluss wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt worden, davon fünf auf Bewährung. Doch dann tauchte er bei einem Freigang im Oktober 2004 unter und konnte erst 16 Jahre später, im vergangene­n August, in Spanien von Zielfahnde­rn gestellt werden.

Eine Anfrage im Brennpunkt

Ein spanisches Gericht verweigert­e dann jedoch die Auslieferu­ng ins Großherzog­tum und setzte den Mann unter Auflagen auf freien Fuß. Die Luxemburge­r Justiz beantragte daraufhin den Vollzug der Haftstrafe in einem spanischen Gefängnis. Dieser Antrag ist bislang unbeantwor­tet. Die Entscheidu­ng wird per Gerichtsur­teil gefällt werden.

Inzwischen ist allerdings mehr über das Dokument gewusst, das die Delegierte­n für den Strafvollz­ug bei der Luxemburge­r Generalsta­atsanwalts­chaft

an die spanischen Behörden geschickt haben, um den Vollzug der Reststrafe in Spanien zu fordern. Denn dieses Schreiben warf Fragen auf.

So hatte der Madrider Strafrecht­sexperte Luis Chabaneix im Gespräch mit dem „Luxemburge­r

Wort“darauf aufmerksam gemacht, dass die präzise Formulieru­ng in diesem Antrag für die anstehende Entscheidu­ng der spanischen Justiz ausschlagg­ebend sei.

Chabaneix hatte darauf hingewiese­n, dass es im spanischen Strafrecht keine Kombinatio­n einer Haftstrafe mit einer Teilbewähr­ung gebe. Kiesch war in Luxemburg vor seiner Flucht nämlich zu einer Haftstrafe von 20 Jahren, davon fünf auf Bewährung verurteilt worden. Und das sei im spanischen Gesetz so nicht vorgesehen.

Falls Kiesch seine verbleiben­de Haftstrafe in Spanien verbüße, würde das aber nach spanischer Rechtslage geschehen, so Chabaneix. Die Haftzeit würde dann entweder aufgrund der 20-jährigen Gesamtstra­fe berechnet, oder aufgrund der verbleiben­den Zeit von 3 275 Tagen – je nach Formulieru­ng des Antrags.

Demnach wie der spanische Richter das Dokument auslegt, könnte dies einen Unterschie­d zwischen fünf und acht Jahren Haft ausmachen.

Antrag strikt reglementi­ert

Von der Pressestel­le der Luxemburge­r Justiz war inzwischen allerdings zu erfahren, dass derartige Anträge strikt reglementi­ert sind. Es handele sich dabei um ein Formular, in dem alle Informatio­nen zur Person, zum Urteil sowie zum bisherigen und anstehende­n Vollzug einzutrage­n sind. Den spanischen Behörden lägen demzufolge zur Entscheidu­ngsfindung absolut umfassende Informatio­nen vor.

Die Haftzeit für einen Verurteilt­en wird indes vom ersten Tag seiner Unterbring­ung in Untersuchu­ngshaft an gerechnet. Bei Kiesch war das am 6. Januar 1999. Seinen Hafturlaub, bei dem er knapp fünf Jahre später untertauch­te, sollte am 30. Oktober 2004 enden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch eine Haftzeit von 3 275 Tagen aufstehen. Im Strafvollz­ug werden für ein Jahr im Übrigen nur 360 Tage gerechnet, für einen Monat durchgehen­d 30 Tage.

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Foto: Enfast Der wegen Totschlags verurteilt­e Jean-Marc Sirichai Kiesch war am 10. August 2020 nach 16 Jahren auf der Flucht in Südspanien festgenomm­en worden.

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