Kiesch-Frage bleibt spannungsgeladen
Spanischer Richter wird Entscheidung über Strafvollzug für geflüchteten Luxemburger treffen
Luxemburg. Es gibt noch immer keinen Beschluss einer spanischen Gerichtsbarkeit, ob, wann und für wie lange der geflüchtete Gewaltverbrecher Jean-Marc Sirichai Kiesch seine verbleibende Gefängnisstrafe in Spanien absitzen wird. Das geht aus Informationen, die dem „Luxemburger Wort“vorliegen, hervor. Und bis zu einer Entscheidung können mitunter noch Monate vergehen.
Der heute 39-jährige Luxemburger hatte im Jahr 1999 eine 69-jährige Frau bei einem Einbruch auf brutale Art und Weise getötet und war im Anschluss wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt worden, davon fünf auf Bewährung. Doch dann tauchte er bei einem Freigang im Oktober 2004 unter und konnte erst 16 Jahre später, im vergangenen August, in Spanien von Zielfahndern gestellt werden.
Eine Anfrage im Brennpunkt
Ein spanisches Gericht verweigerte dann jedoch die Auslieferung ins Großherzogtum und setzte den Mann unter Auflagen auf freien Fuß. Die Luxemburger Justiz beantragte daraufhin den Vollzug der Haftstrafe in einem spanischen Gefängnis. Dieser Antrag ist bislang unbeantwortet. Die Entscheidung wird per Gerichtsurteil gefällt werden.
Inzwischen ist allerdings mehr über das Dokument gewusst, das die Delegierten für den Strafvollzug bei der Luxemburger Generalstaatsanwaltschaft
an die spanischen Behörden geschickt haben, um den Vollzug der Reststrafe in Spanien zu fordern. Denn dieses Schreiben warf Fragen auf.
So hatte der Madrider Strafrechtsexperte Luis Chabaneix im Gespräch mit dem „Luxemburger
Wort“darauf aufmerksam gemacht, dass die präzise Formulierung in diesem Antrag für die anstehende Entscheidung der spanischen Justiz ausschlaggebend sei.
Chabaneix hatte darauf hingewiesen, dass es im spanischen Strafrecht keine Kombination einer Haftstrafe mit einer Teilbewährung gebe. Kiesch war in Luxemburg vor seiner Flucht nämlich zu einer Haftstrafe von 20 Jahren, davon fünf auf Bewährung verurteilt worden. Und das sei im spanischen Gesetz so nicht vorgesehen.
Falls Kiesch seine verbleibende Haftstrafe in Spanien verbüße, würde das aber nach spanischer Rechtslage geschehen, so Chabaneix. Die Haftzeit würde dann entweder aufgrund der 20-jährigen Gesamtstrafe berechnet, oder aufgrund der verbleibenden Zeit von 3 275 Tagen – je nach Formulierung des Antrags.
Demnach wie der spanische Richter das Dokument auslegt, könnte dies einen Unterschied zwischen fünf und acht Jahren Haft ausmachen.
Antrag strikt reglementiert
Von der Pressestelle der Luxemburger Justiz war inzwischen allerdings zu erfahren, dass derartige Anträge strikt reglementiert sind. Es handele sich dabei um ein Formular, in dem alle Informationen zur Person, zum Urteil sowie zum bisherigen und anstehenden Vollzug einzutragen sind. Den spanischen Behörden lägen demzufolge zur Entscheidungsfindung absolut umfassende Informationen vor.
Die Haftzeit für einen Verurteilten wird indes vom ersten Tag seiner Unterbringung in Untersuchungshaft an gerechnet. Bei Kiesch war das am 6. Januar 1999. Seinen Hafturlaub, bei dem er knapp fünf Jahre später untertauchte, sollte am 30. Oktober 2004 enden. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch eine Haftzeit von 3 275 Tagen aufstehen. Im Strafvollzug werden für ein Jahr im Übrigen nur 360 Tage gerechnet, für einen Monat durchgehend 30 Tage.