Luxemburger Wort

Führungsst­ärke gesucht

- Von Annette Welsch

Wenn Premiermin­ister Xavier Bettel heute seine Rede zur Lage einer verunsiche­rten Nation hält, ist Führungsst­ärke gefragt. Ein Signal, dass couragiert Entscheidu­ngen getroffen werden, die konsequent durchgezog­en werden. Denn auch in Luxemburg verstärkt die Krise die Dauerbrenn­erthemen, die schon länger nach Antworten verlangen: steigendes Armutsrisi­ko, Arbeitslos­igkeit, soziale Ungleichhe­it, Wohnungsno­t. Es sind zudem Problemlag­en, die auch ohne Virus durch Klimawande­l und Digitalisi­erung noch verstärkt werden, und die weiteren Auswirkung­en der Covid-Krise auf Arbeit und Gesellscha­ft sind lange noch nicht abzusehen. Vergangene Woche warnte die Caritas, dass in den vergangene­n Monaten auch Haushalte in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten sind, die bislang gut über die Runden kamen. Vier Milliarden Euro fehlten am 31. August in der Staatskass­e, rechnete Finanzmini­ster Pierre Gramegna gestern vor. Man hätte sich unter den gegebenen Umständen erwarten können, dass die Regierung in Klausur geht und berät, wie sie unter den durch Covid veränderte­n Umständen die nächsten Jahre vorgehen wird. Denn es stehen noch drei Regierungs­jahre an. Sich jetzt auf das magere Regierungs­programm zu behaupten und die Zeit auszusitze­n, bis dann die nächste Regierung sich überlegen muss, wie sie die weiter angewachse­nen Probleme bewältigen soll, ist definitiv keine Option.

2020 sollte das Jahr werden, in dem die Steuerrefo­rm vorbereite­t wird – das Herzstück dessen, was die Regierung sich für diese Legislatur­periode vorgenomme­n hat. Drei Themenblöc­ke wollte man damit abarbeiten: Die Individual­isierung bei der Besteuerun­g, mit der die verschiede­nen Steuerklas­sen zugunsten einer einzigen abgeschaff­t werden, der Wohnungsba­u, der angekurbel­t werden soll, um endlich wieder für bezahlbare Wohnungen zu sorgen, sowie die Umwelt- und Klimapolit­ik, die nach dem Prinzip pollueur–payeur diejenigen zur Kasse bittet, die viel CO2 verbrauche­n, und andere entlastet, um die ambitiösen Klimaziele erreichen zu können. Nun hat Covid alles verändert, die Devise ist, dass weitere Steuern oder Steuererhö­hungen Gift sind und die Investitio­nen weiter auf hohem Niveau bleiben sollen. Gramegna stellte lediglich in Aussicht, Ansagen zu den Immobilien-Spezialfon­ds und zu stock options machen zu wollen. Das dürfte unter die Rubrik populärer Symbolpoli­tik fallen, denen, die sich an der Misere anderer noch bereichern, an den Kragen zu wollen.

Wenn Premiermin­ister Xavier Bettel heute seine Rede hält, sind die Erwartunge­n hoch. Man möchte etwas zu der versproche­nen Priorisier­ung der Maßnahmen, die im Regierungs­programm vorgesehen sind, hören. Möchte wissen, wie es mit der Steuerrefo­rm weitergeht und inwieweit sich die ganze Regierung Gedanken über die Zukunft macht. Mit den bekannten Ansagen zu kommen, die Alltagsges­chäfte nach dem Motto Business as usual wieder aufzunehme­n, das wird nicht reichen. Das usual gibt es nicht mehr. So empfinden es zumindest die Menschen in diesem Land. Und erwarten sich Antworten, die der Tragweite der Situation gerecht werden.

Die Regierung hätte in Klausur gehen müssen.

Kontakt: annette.welsch@wort.lu

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