Dem Virus zum Trotz
Die Chamber blickt auf eine arbeitsintensive parlamentarische Session zurück
„Diese Session war keine normale Session“, so Chamberpräsident Fernand Etgen (DP) zu Beginn der gestrigen Pressekonferenz, während der die Bilanz des heute auslaufenden Parlamentsjahres 20192020 gezogen wurde. Damit bezog er sich natürlich in erster Linie auf die Umstellungen durch die Covid-19-Pandemie. So war das Parlament gezwungen, aus seinen angestammten Räumlichkeiten am Krautmarkt provisorisch in den hauptstädtischen Cercle zu ziehen. Dabei habe es sich um eine große logistische und informatische Herausforderung gehandelt, die jedoch dank des Einsatzes des Chamberpersonals und der Beamten der Gemeinde Luxemburg bewältigt wurde. Es war dies seit dem Jahr 1860 erst der dritte Umzug des Hohen Hauses.
Trotzdem sei das Parlament zu jeder Zeit voll funktionsfähig geblieben und habe seine legislative Arbeit erfüllt. Dies habe zu einem großen Teil daran gelegen, dass die meisten Kommissionssitzungen per Videokonferenz abgehalten werden konnten. Die öffentlichen Sitzungen hätten indes von der Bevölkerung weiterhin per Fernsehen und Internet verfolgt werden können. Mit Blick auf die Zusammenarbeit mit dem Staatsrat meinte Etgen: „Die Rädchen zwischen den Institutionen unserer Demokratie haben zu jedem Zeitpunkt intensiv und gut gedreht.“
Um zu belegen, dass trotz Corona-Virus kräftig gearbeitet wurde, präsentierte Etgen eine ganze Reihe von Zahlen. So gab es in der abgelaufenen Session 60 öffentliche
Sitzungen, im Vergleich zu 34 im Zeitraum zwischen 2018 und 2019. In der Session 2017-2018 waren es 59.
Ebenfalls die Zahl der parlamentarischen Fragen steigt beständig an. Waren es 2017-2018 noch 740, steigerten sich die Abgeordneten 2018-2019 auf 1 297, um 20192020 schlussendlich bei 1 679 zu landen. Auf 1 650 Fragen wurde eine Antwort geliefert. Die Zahl der dringlichen Anfragen ist laut Etgen von 79 auf 190 „quasi explodiert“. 113 Mal wurde der dringliche Charakter zugestanden. Alleine im Ausnahmezustand wurden 80 dringliche Fragen eingereicht. „Die große Zahl der dringlichen parlamentarischen Fragen während des Ausnahmezustands zeigt, dass die Kontrolle der Regierung durch die Chamber zu jedem Moment garantiert war“, so Etgen.
Auch Petitionen hätten nach einer kurzen Unterbrechung wieder eingereicht werden können, weil es sich bei ihnen um ein wichtiges Instrument der Bürgerbeteiligung handele. In der vergangenen Session gab es sechs öffentliche Debatten zu Petitionen, noch in diesem Monat werden zwei weitere folgen. Etgen unterstrich zudem, dass man stets mit den Parlamenten anderer Nationen und den europäischen Institutionen in Kontakt gewesen sei. Mit Blick auf die kommende Session verwies er auf eine ganze Reihe von Debatten über Themen aus dem Gesundheitsbereich. Die nächste Debatte findet im November statt, dann wird das Thema Suizid behandelt.
Neues Chamberreglement
Auf die Frage nach der Qualität der Diskussionskultur im Parlament meinte Etgen, diese sei schon lange nicht mehr so ausgeprägt gewesen. Auch wenn es eigentlich nicht im Chamberreglement vorgesehen ist, dass ein Abgeordneter direkt auf die Aussagen eines anderen Parlamentariers reagiert, lasse er dies jedoch stets zu.
Derzeit wird an einem neuen Chamberreglement gearbeitet. Dass man sich hier nicht immer ganz einig ist, ließ CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen durchblicken. Sie nahm ebenso an der Pressekonferenz teil, wie die Fraktionschefs von Déi Gréng, DP und LSAP. Gesprächsbedarf besteht wohl in Bezug auf die Definition des Dringlichkeitsbegriffes bei den parlamentarischen Fragen. Josée Lorsché (Déi Gréng) warnte davor, dass sich zu viele Fragen negativ auf die Qualität der Antworten auswirkten.