Balsam auf die Wunden der SPÖ
Bei den Landtagswahlen in Wien legen alle Parteien zu – bis auf die FPÖ und Strache
Das war mehr als Erleichterung, was da am Sonntagabend durch die Reihen der SPÖ nicht nur in Wien ging, auch wenn man schon damit gerechnet hatte: Die Partei von Bürgermeister Michael Ludwig errang bei den Wiener Landtagswahlen mit 42 Prozent und einem Plus von 2,4 Prozentpunkten einen eindrucksvollen Sieg, nach der Wiener Wahlarithmetik gar nicht einmal so weit entfernt von der absoluten Mehrheit.
Auch alle anderen Parteien – bis auf die Rechtspopulisten – durften an diesem Wahlabend jubeln. Die Kanzlerpartei ÖVP mit ihrem „ausgeborgten“Spitzenkandidaten, Finanzminister Blümel, zum Beispiel über den größten Zuwachs an diesem Wahlabend: plus 9,5 Prozentpunkte auf 18,8 Prozent, das ist eine Verdoppelung vom historischen Tiefstand aus dem Jahr 2015 (9,24 Prozent!), die angestrebten 20 Prozent plus wurden es aber knapp nicht.
Die Grünen, auf Bundesebene Koalitionspartner der ÖVP, in Wien bisher Koalitionspartner der SPÖ, kamen auf 14,1 Prozent (plus 2,3 Prozentpunkte) und freuen sich verhalten: der zweite Platz wäre schön gewesen. Die Neos, ehemalige ÖVP-Splittergruppe und so etwas wie eine ewig unterschätzte liberale und wirtschaftsliberale Kraft, erreichte 7,9 Prozent (plus 1,7): Das dürfte immerhin reichen, um als Koalitionspartner für die SPÖ in Frage zu kommen.
Quittung für Affäre
Lauter Gewinner, das war freilich nur möglich durch den erwartet großen Verlierer: Die FPÖ stürzte nach der Ibiza-Affäre im vergangenen Jahr mit den heimlich gefilmten Allmachtsfantasien ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache ins absehbare Desaster und landete nach historischen 30,79 Prozent im Jahr 2015 bei 7,7 Prozent – also geviertelt! Und Strache selbst, der wegen seiner Spesenaffäre (es geht um Hunderttausende Euro) längst aus der Partei ausgeschlossen ist
Der strahlende Wahlsieger Michael Ludwig.
und mit einer eigenen Liste ein Comeback versuchte, strandete bei 3,6 Prozent. Das reicht nicht einmal für den Einzug in den Wiener Landtag.
Die FPÖ wie auch Strache sprachen nach der Wahl von „widrigen Umständen“, gegen die schwer anzukämpfen gewesen sei, und gaben einander gegenseitig die Schuld für das Debakel. Es reihte sich in die Serie von deftigen Niederlagen, die die Rechtspopulisten seit Ibiza erlitten haben und erleiden. Und dass es just in der Millionenmetropole Wien noch einmal schlimmer kam, in der Stadt, in der die Freiheitlichen in den Arbeiterbezirken über Jahrzehnte so erfolgreich bei den Sozialdemokraten gefischt hatten, lässt einen Schluss zu: Das sogenannte
dritte Lager ist auf absehbare Zeit politisch tot. Aber zurück zur SPÖ. Der Sieg in der Bundeshauptstadt kam nicht überraschend, alle Umfragen hatten die SPÖ bei einem starken Plus. Aber er ist Balsam auf die Wunden der krisengebeutelten Partei, die seit 2017 keinen Fuß mehr auf den Boden zu bekommen scheint. Fast fünf Jahrzehnte (mit Ausnahme der Schüssel-Jahre 2000 bis 2007) war die Kanzlerschaft eine Art Erbpacht der Sozialdemokraten, und dass der Jungstar der Volkspartei Sebastian Kurz der Zukunftshoffnung der SPÖ Christian Kern vor drei Jahren den Kanzlersessel entriss, sah man zunächst als einen Irrtum der Geschichte.
Doch mit einer neuen Parteichefin (Pamela Rendi-Wagner), internen Ränken und vor allem einem ÖVP-Kanzler im Dauerhoch ging es nur noch bergab. Die SPÖ verlor von der Europawahl angefangen Wahl um Wahl, nicht einmal den Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition infolge von Ibiza 2019 konnten die Sozialdemokraten für sich nutzen, und was blieb, war eine Dauerdiskussion um die Parteichefin.
Nur im traditionell roten Burgenland erreichte die SPÖ mit dem Rendi-Wagner-Kritiker Hans Peter Doskozil im Frühjahr die absolute Mehrheit. Und der Wahlsieger von gestern, Michael Ludwig, ist auch nicht als ausgewiesener Unterstützer der Parteichefin bekannt – im Gegenteil. Er fuhr ihr vom Beginn ihrer Tätigkeit an im Hintergrund kräftig in die Parade.
Ob jetzt durch die Erfolge eine Phase der Ruhe einkehrt in der SPÖ oder ob mit einiger Verzögerung erst recht die Diskussion losgeht, dass es erfolgreichere Wahlkämpfer als die offenbar aussichtslose Pamela Rendi-Wagner gibt, wird spannend zu sehen sein.
Suche nach Partner
Im Moment kann sich Michael Ludwig in Wien zurücklehnen. Er hat nach nicht einmal eineinhalb Jahren im Amt jetzt schon innerparteilich das Gewicht, dass sein Vorgänger und Langzeitbürgermeister Michael Häupl sich in den ersten Jahren erst erkämpfen musste. Und er kann sich aussuchen, mit wem er die nächsten fünf Jahre in Wien regieren will: mit den Grünen, die ihm das Leben mit einer Art Verkehrsanarchismus schwer gemacht haben; mit den Neos, die nur auf den ersten Blick leichter zu handhaben sein würden; oder mit der ÖVP, die noch vor Monaten das Ende der „roten Bastion“in Wien proklamiert hatten (nur hatten sowohl Grüne als auch Neos ausgeschlossen, mit der ÖVP in Wien gemeinsame Sache zu machen). Und auch Michael Ludwig wird sich hüten, sich mit dem Feind auf Bundesebene in Wien ins Bett zu legen. „Man wird sehen, mit wem es die größten Schnittmengen gibt“– so kann nur ein absoluter Sieger genießen.