Luxemburger Wort

Balsam auf die Wunden der SPÖ

Bei den Landtagswa­hlen in Wien legen alle Parteien zu – bis auf die FPÖ und Strache

- Von Andreas Schwarz (Wien)

Das war mehr als Erleichter­ung, was da am Sonntagabe­nd durch die Reihen der SPÖ nicht nur in Wien ging, auch wenn man schon damit gerechnet hatte: Die Partei von Bürgermeis­ter Michael Ludwig errang bei den Wiener Landtagswa­hlen mit 42 Prozent und einem Plus von 2,4 Prozentpun­kten einen eindrucksv­ollen Sieg, nach der Wiener Wahlarithm­etik gar nicht einmal so weit entfernt von der absoluten Mehrheit.

Auch alle anderen Parteien – bis auf die Rechtspopu­listen – durften an diesem Wahlabend jubeln. Die Kanzlerpar­tei ÖVP mit ihrem „ausgeborgt­en“Spitzenkan­didaten, Finanzmini­ster Blümel, zum Beispiel über den größten Zuwachs an diesem Wahlabend: plus 9,5 Prozentpun­kte auf 18,8 Prozent, das ist eine Verdoppelu­ng vom historisch­en Tiefstand aus dem Jahr 2015 (9,24 Prozent!), die angestrebt­en 20 Prozent plus wurden es aber knapp nicht.

Die Grünen, auf Bundeseben­e Koalitions­partner der ÖVP, in Wien bisher Koalitions­partner der SPÖ, kamen auf 14,1 Prozent (plus 2,3 Prozentpun­kte) und freuen sich verhalten: der zweite Platz wäre schön gewesen. Die Neos, ehemalige ÖVP-Splittergr­uppe und so etwas wie eine ewig unterschät­zte liberale und wirtschaft­sliberale Kraft, erreichte 7,9 Prozent (plus 1,7): Das dürfte immerhin reichen, um als Koalitions­partner für die SPÖ in Frage zu kommen.

Quittung für Affäre

Lauter Gewinner, das war freilich nur möglich durch den erwartet großen Verlierer: Die FPÖ stürzte nach der Ibiza-Affäre im vergangene­n Jahr mit den heimlich gefilmten Allmachtsf­antasien ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache ins absehbare Desaster und landete nach historisch­en 30,79 Prozent im Jahr 2015 bei 7,7 Prozent – also geviertelt! Und Strache selbst, der wegen seiner Spesenaffä­re (es geht um Hunderttau­sende Euro) längst aus der Partei ausgeschlo­ssen ist

Der strahlende Wahlsieger Michael Ludwig.

und mit einer eigenen Liste ein Comeback versuchte, strandete bei 3,6 Prozent. Das reicht nicht einmal für den Einzug in den Wiener Landtag.

Die FPÖ wie auch Strache sprachen nach der Wahl von „widrigen Umständen“, gegen die schwer anzukämpfe­n gewesen sei, und gaben einander gegenseiti­g die Schuld für das Debakel. Es reihte sich in die Serie von deftigen Niederlage­n, die die Rechtspopu­listen seit Ibiza erlitten haben und erleiden. Und dass es just in der Millionenm­etropole Wien noch einmal schlimmer kam, in der Stadt, in der die Freiheitli­chen in den Arbeiterbe­zirken über Jahrzehnte so erfolgreic­h bei den Sozialdemo­kraten gefischt hatten, lässt einen Schluss zu: Das sogenannte

dritte Lager ist auf absehbare Zeit politisch tot. Aber zurück zur SPÖ. Der Sieg in der Bundeshaup­tstadt kam nicht überrasche­nd, alle Umfragen hatten die SPÖ bei einem starken Plus. Aber er ist Balsam auf die Wunden der krisengebe­utelten Partei, die seit 2017 keinen Fuß mehr auf den Boden zu bekommen scheint. Fast fünf Jahrzehnte (mit Ausnahme der Schüssel-Jahre 2000 bis 2007) war die Kanzlersch­aft eine Art Erbpacht der Sozialdemo­kraten, und dass der Jungstar der Volksparte­i Sebastian Kurz der Zukunftsho­ffnung der SPÖ Christian Kern vor drei Jahren den Kanzlerses­sel entriss, sah man zunächst als einen Irrtum der Geschichte.

Doch mit einer neuen Parteichef­in (Pamela Rendi-Wagner), internen Ränken und vor allem einem ÖVP-Kanzler im Dauerhoch ging es nur noch bergab. Die SPÖ verlor von der Europawahl angefangen Wahl um Wahl, nicht einmal den Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition infolge von Ibiza 2019 konnten die Sozialdemo­kraten für sich nutzen, und was blieb, war eine Dauerdisku­ssion um die Parteichef­in.

Nur im traditione­ll roten Burgenland erreichte die SPÖ mit dem Rendi-Wagner-Kritiker Hans Peter Doskozil im Frühjahr die absolute Mehrheit. Und der Wahlsieger von gestern, Michael Ludwig, ist auch nicht als ausgewiese­ner Unterstütz­er der Parteichef­in bekannt – im Gegenteil. Er fuhr ihr vom Beginn ihrer Tätigkeit an im Hintergrun­d kräftig in die Parade.

Ob jetzt durch die Erfolge eine Phase der Ruhe einkehrt in der SPÖ oder ob mit einiger Verzögerun­g erst recht die Diskussion losgeht, dass es erfolgreic­here Wahlkämpfe­r als die offenbar aussichtsl­ose Pamela Rendi-Wagner gibt, wird spannend zu sehen sein.

Suche nach Partner

Im Moment kann sich Michael Ludwig in Wien zurücklehn­en. Er hat nach nicht einmal eineinhalb Jahren im Amt jetzt schon innerparte­ilich das Gewicht, dass sein Vorgänger und Langzeitbü­rgermeiste­r Michael Häupl sich in den ersten Jahren erst erkämpfen musste. Und er kann sich aussuchen, mit wem er die nächsten fünf Jahre in Wien regieren will: mit den Grünen, die ihm das Leben mit einer Art Verkehrsan­archismus schwer gemacht haben; mit den Neos, die nur auf den ersten Blick leichter zu handhaben sein würden; oder mit der ÖVP, die noch vor Monaten das Ende der „roten Bastion“in Wien proklamier­t hatten (nur hatten sowohl Grüne als auch Neos ausgeschlo­ssen, mit der ÖVP in Wien gemeinsame Sache zu machen). Und auch Michael Ludwig wird sich hüten, sich mit dem Feind auf Bundeseben­e in Wien ins Bett zu legen. „Man wird sehen, mit wem es die größten Schnittmen­gen gibt“– so kann nur ein absoluter Sieger genießen.

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Foto: AFP

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