Finanzielle Sorgen
Verweigerte Zahlung der TV-Gelder stürzt französische Fußballclubs in Existenzkrise
In normalen Jahren sind sie Legion, doch in diesem Sommer war Victor Osimhen der Einzige. Der Einzige, der die Ligue 1 für einen hohen Millionenvertrag in Richtung Ausland verließ: Der 21-jährige Mittelstürmer aus Lille wechselte für 70Millionen Euro nach Neapel. Sein Stürmerkollege Habib Diallo, dessen Verkaufspreis Metz schon fest in seinem Jahresetat eingeplant hatte, wartete wochenlang vergeblich auf ein lukratives Angebot. Letztendlich wechselte er für vergleichsweise bescheidene zehn Millionen Euro – nach Strasbourg.
Noch vor drei Jahren verließen Spieler für knapp 600 Millionen Euro die höchste französische Spielklasse, meist in eine der vier großen europäischen Ligen, doch aufgrund der Covid-Krise ist auch das sogenannte Spieler-Trading in eine Rezession geraten. Zum Glück, so dachten viele Fußballfans, hatte die französische Profiliga LFP ja ihre Fernsehrechte für den Rekordbetrag von gut einer Milliarde Euro pro Jahr verkauft. Allein, das Glück währte nur bis zum vergangenen Donnerstag.
Denn da kündigte Jaume Roures, der Präsident von Mediapro, in einem Zeitungsinterview an, den mit der LFP vereinbarten, vier Jahre geltenden Vertrag neu verhandeln zu wollen. Der spanische Medienkonzern hatte vor zwei Jahren den Hauptanteil der Fernsehrechte an der Ligue 1 und Ligue 2 für knapp 800 Millionen Euro pro Jahr erstanden.
Doch bereits im Vorfeld der neuen Saison mehrten sich die Störsignale: Die Verhandlungen mit den Internet-Dienstleistern verliefen schleppend und Canal Plus leitete im September sogar gerichtliche Schritte gegen Mediapro
ein. Angeblich hatten die Spanier von dem französischen Bezahlsender für die Weitergabe der TV-Rechte eine feste Anzahl an Abonnenten gefordert – und so das Geschäftsrisiko auf den Vertragspartner abgewälzt.
Nach eigenen Angaben benötigt Mediapro rund 3,5 Millionen Abonnenten,
um bei einem monatlichen Abo-Preis von 25 Euro auf seine Kosten zu kommen. Wie der Rundfunksender RTL vor einigen Tagen berichtete, haben bislang erst 278 000 Haushalte den von Mediapro gegründeten Fernsehsender Téléfoot abonniert – das wären noch nicht einmal 20 Prozent
der für das erste Jahr angestrebten 1,5 Millionen Abonnenten.
„Das ist mau“, gestand Roures in besagtem Interview, „die Lage ist komplizierter, als wir sie beim Erwerb der Rechte vor zwei Jahren erwartet hatten“. Deshalb werde die am 17. Oktober fällige zweite Rate über 172Millionen Euro nicht überwiesen, die Zeiten seien wegen der CoronaPandemie nun einmal schwierig. Der Geldhahn bleibt also vorerst zu.
Große Unsicherheit
Damit steckt der französische Profifußball in einer Existenzkrise, denn die LFP hatte es versäumt, unabhängige Bankbürgschaften einzufordern. Ein Punkt, der übrigens dazu führte, dass die italienische Serie A im Jahr 2018 Mediapro die bereits vergebenen Rechte wieder entzog. Für Frankreich trat als einziger Garant der chinesische Investmentfonds Orient Hontai Capital auf den Plan – der zugleich Mehrheitseigentümer von Mediapro ist.
Nun ist die Unsicherheit groß. Manche Branchenkenner mutmaßen, dass einige Clubs, sollte das Geld wirklich ausbleiben, das Kalenderjahr nicht überleben werden. Deshalb kündigte LFP-Präsident Vincent Labrune an, einen staatlich garantierten Kredit aufnehmen zu wollen, um die TV-Gelder wie vereinbart an die Vereine auszahlen zu können.
Die französischen Clubs sind aufgrund ihrer schwachen Marketingund Fanbasis überdurchschnittlich von den Einnahmen aus TV-Rechten und Spielerverkäufen abhängig, die bis zu 50Prozent ihrer Gesamterlöse ausmachen. Sinken die TV-Einnahmen, können sie nur hoffen, dass Osimhen eine Ausnahme war.