Den Koalas droht neue Gefahr
Durch das Abholzen von Wäldern verkleinert sich der Lebensraum der seltenen Beuteltiere
Aus der Entfernung sehen viele verbrannte australische Wälder fast wieder grün aus. Nach winterlichem Regen sind an den noch stehenden schwarz verkohlten Stämmen der Eukalyptusbäume grün glänzende Blättchen ausgeschlagen. Grasbäume, zarte Orchideen und hellgrüne Gräser schießen aus dem grauen Aschenboden. Doch das dichte Blätterdach der Baumkronen und das Unterholz sind verschwunden und damit die Tiere, die einst dort lebten – darunter auch die Koalas.
Fast 190 000 Quadratkilometer Wald sind bei den verheerenden Bränden im letzten Sommer verbrannt. Sie begannen vor einem Jahr und wüteten monatelang. 33 Menschen kamen in den Flammen um und schätzungsweise drei Milliarden Tiere.
Mühsam wieder aufgepäppelt
Gegenwärtig ist auf der südlichen Hemisphäre Frühling. Zu dieser Jahreszeit sollte aus dem Wald um das Haus der Tierretterin Inga Schwaiger, 110 Kilometer südwestlich von Sydney, das laute Brunftgebell männlicher Koalas erklingen. Stattdessen hört sie das Kreischen von Kreissägen und das Krachen umstürzender Baumriesen. Nach den furchtbaren Bränden holzen verängstigte Nachbarn rund um ihre Häuser vorbeugend alle Bäume ab. Andere nutzen die Gelegenheit, unter dem Deckmantel von Aufräumarbeiten ganze Waldstücke in baumloses Brachland zu verwandeln, das leichter als Bauland eingezont und teuer verkauft werden kann.
Koalas gibt es hier nicht mehr. Inga Schwaiger und ihre Mitstreiter haben nach den Bränden einige verletzte Tiere gefunden und zu spezialisierten Tierärzten gebracht. In Koala-Hospitals und Zoos wurden die geretteten Tiere über Wochen und Monate mithilfe Tausender Freiwilliger mühsam wieder aufgepäppelt.
Zehntausende Menschen aus der ganzen Welt spendeten Millionen für die Rettungsaktionen. Doch die überlebenden Tiere sind weiterhin gefährdet. Noch immer werden ganze Urwaldflächen in Australien mit riesigen Forstmaschinen, Bulldozern oder zwischen Traktoren gespannten Ketten kurzerhand umgelegt. In den stürzenden Trümmern uralter Baumriesen kommen weiterhin Tausende Tiere um.
Damit verkleinert sich der Lebensraum der Koalas auch nach den Bränden weiter. Eine überparteiliche parlamentarische Kommission, die die Situation der Koalas nach den Bränden im Gliedstaat New South Wales (NSW) untersuchte, kam zu dem Schluss, dass allein dort mindestens 5 000 der seltenen Beuteltiere verbrannten, ihren Verletzungen erlagen oder in zerstörten Wäldern verhungerten. In einigen Gegenden verschwanden 70 bis 90 Prozent der Tiere, 80 Prozent des KoalaHabitats wurden zerstört. Das Fazit der Kommission: Ohne verstärkten Schutz der überlebenden Tiere sterben die Koalas in New South Wales bis spätestens 2050 aus. Die Leiterin der Untersuchungskommission, Cate Faehrmann, forderte die Regierung auf, geschützte Lebensräume für Koalas erheblich auszuweiten. „Unsere einzigartigen Koalas brauchen mehr Schutz gegen vermehrtes Abholzen der Forstindustrie und den ungezügelten Ausbau von Bergbauprojekten und Bauvorhaben.“Bauern, die die Tiere auf ihrem Land schützten und dadurch Teile ihrer Wälder nicht nutzten, müssten angemessen entschädigt werden.
Minister legt Schutzplan vor
Aufgerüttelt durch das Ergebnis der Untersuchungskommission, hat der Umweltminister von New South Wales, Matt Kean, neue
Schutzgesetze für die überlebenden Koalas vorgeschlagen. „Die Koalas sind das deutlichste Beispiel für unser Versagen gegenüber der Umwelt“, klagte der Minister. Nationalparks und Schutzzonen für Koalas in staatlichen Wäldern sollen in Zukunft ausgeweitet werden. 65 Futter- und Wohnbaumarten für Koalas sollen in Zukunft geschützt, 100 000 Koala-Bäume neu gepflanzt und 120 Kilometer Zäune zum Schutz der Tiere errichtet werden. Umweltschützer und Koala-Freunde haben die Schutzpläne des Umweltministers vorsichtig begrüßt.
Doch in der Forstindustrie, bei den großen Bau- und Bergbauunternehmen und selbst in der eigenen Regierung des Umweltministers gibt es heftigen Widerstand gegen diese Pläne. Da auch viele Baumplantagen bei den Waldbränden vernichtet wurden, gehen den Sägewerken in vielen Teilen Australiens die Bäume aus. Lieferverträge für Sägemehl für die Papierproduktion in Japan und China müssen erfüllt werden. Daher greift die Forstindustrie vermehrt auf Waldflächen zurück, die teilweise oder ganz von den Flammen verschont wurden.
Der Umwelt-Professor David Lindenmayer von der Australian National University warnt vor den Folgen für die dezimierte Tierwelt. „Die Forstunternehmen suchen sich vor allem große, alte Bäume aus, die für die Tiere, die den Flammen entkommen sind, besonders wichtig sind.“Alte Baumriesen mit großen Astlöchern und selbst ganz oder teilweise verbrannte gefallene Bäume böten vielen einzigartigen australischen Tieren eine Zuflucht. Die Blattsprösslinge, die sich nach den Bränden an den Stämmen und Ästen selbst sterbender Eukalyptusbäume bildeten, versorgten Tiere wie Koalas und Kängurus mit Nahrung. Einzelne kleine Bauminseln, die man teilweise um entdeckte Koalas stehen lasse, reichten auf die Dauer nicht zum Überleben der Tiere.
Die Koalas sind das deutlichste Beispiel für unser Versagen gegenüber der Umwelt. Matt Kean, Umweltminister NSW
In das Koala Hospital in Port Macquarie werden auch nach den Bränden verletzte und kranke Tiere eingeliefert.
In das Koala Hospital in Port Macquarie werden auch nach den Bränden fast täglich verletzte und kranke Tiere eingeliefert. „Durch den Verlust des Lebensraums müssen viele Koalas auf immer kleinerem Raum immer enger zusammenleben. Dadurch verbreiten sich rasch Krankheiten unter den Tieren, die bereits durch Lärm und Maschinen gestresst sind“, klagt die Hospital-Präsidentin Sue Ashton. Auf der Suche nach Wasser und neuen Futterbäumen außerhalb schwindender Habitate würden traumatisierte Koalas auf Straßen angefahren oder in der Nähe von Siedlungen von Hunden angefallen.
Widerstand von Unternehmen
Doch der politische Widerstand gegen den Schutz der Koalas wächst. Verteidiger der großen Bau-, Bergbau- und Agrarunternehmen im Parlament drohten wegen der Koala-Schutzgesetze gar die Regierung des Gliedstaates platzen zu lassen. Der von den Medien als „Koala-War“bezeichnete Kampf um das Recht, Koalas zu beseitigen, wenn ihr Schutz unternehmerische Entscheidungen beschränken könnte, kommt bei der großen Mehrheit der Australier jedoch nicht gut an. Umweltverbände und Tausende Australier bitten nun in Petitionen die australische Bundesregierung darum, einzugreifen und die überlebenden Koalas zu gefährdeten Tieren zu erklären. Damit würden sie automatisch besser geschützt. Doch die Bundesregierung hält sich pfleglich aus dem Streit heraus und verweist lieber darauf, dass die Durchsetzung des Artenschutzes in Australien eine Sache der Gliedstaaten sei.