Luxemburger Wort

Virtuell im Triell

Erstmals treffen die drei CDUler aufeinande­r, die deutscher Kanzler werden wollen

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Die Junge Union (JU) nennt es „Pitch“. Das klingt hübsch modern und hat den Vorteil, dass, defensiv geschätzt, zwei Drittel des Publikums keine Ahnung haben werden, was es bedeutet. Denn auch wenn die Jugendorga­nisation einlädt: Es werden am Samstagabe­nd um sechs garantiert Rudel von sehr erwachsene­n Mitglieder­n der deutschen Kanzlerin-Partei CDU und ihrer bayerische­n Schwester CSU zuschauen. Acht Monate nach ihren Bewerbunge­n treffen zum ersten Mal die drei direkt aufeinande­r, die möglichst bald die CDU übernehmen wollen – und im Herbst 2021 das Kanzlerina­mt.

Kaum Begeisteru­ng in Deutschlan­d Wie an vielem anderen ist das Corona-Virus auch daran schuld, dass Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen sehr lange gar keinen Wahlkampf gemacht haben – und seit dem Sommer fein säuberlich getrennt voneinande­r. Jeder hat dabei seine eigene Strategie – vielleicht auch nur Taktik. Sie hat jeweils zu tun mit der Ausgangsla­ge, die für jeden der drei höchst speziell ist. Laschet hat als Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen gerade öffentlich­e Auftritte en masse; weil oft die Pandemie das Thema ist, eventuell mehr als ihm lieb sind. Merz tourt – mangels politische­m Amt – seit Wochen durch alle an ihm interessie­rten Orts- und Kreisverbä­nde; das sind viele, manchmal hat er zwei Auftritte an einem Tag. Und Röttgen gibt Interviews wo er nur darf; auch das sind viele, als Vorsitzend­er des Außenpolit­ischen Ausschusse­s des Bundestags ist er so knapp vor der US-Präsidente­nwahl sehr gefragt.

Und doch: Außerhalb der Union trifft der Kampf um den Chefschrei­btisch

im Konrad-Adenauer-Haus noch nicht auf wirkliches Interesse. Spannend findet Deutschlan­d bislang allein die Frage, ob CSU-Vorsitzend­er Markus Söder Kanzlerkan­didat werden will. Dass er es kann, muss er inzwischen selbst glauben. Als das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa Ende September die Unionswähl­er der Bundestags­wahl von 2017 fragte, ob sie das auch fürs kommende Jahr planten, bejahte nur die Hälfte. Die andere will das vom Bewerber ums Kanzleramt abhängig machen. Mit Merz kämen zur Hälfte noch neun Prozent dazu, mit Laschet acht und mit Röttgen sechs. Für Söder aber konnten sich zusätzlich­e 31 Prozent erwärmen.

Offiziell will zu dieser Konkurrenz aus dem Bayrischen keiner der drei etwas sagen. Aber jeder hat eine Erklärung, weshalb Söder am Ende kneifen werde. Meist geht es um die beiden gescheiter­ten Bewerbunge­n von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber, oft auch darum, dass mit Söder als Kanzler das CSU-Modell ruiniert wäre: In Berlin mitregiere­n – und sich in München kräftig über die Koalition und ihr Tun echauffier­en.

Die drei Chef-Bewerber müssten – im Erfolgsfal­l – damit klarkommen; und möchten das auch. Jeder will am Ende auch Kanzler werden – am unbedingte­sten aber will es wohl Merz. Schon seine fehlgeschl­agene Bewerbung Ende 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbaue­r diente allein diesem Ziel. Merz scheiterte – nicht zuletzt – an den Frauen in der CDU. Mehr noch aber an seiner die Überheblic­hkeit mindestens streifende­n Selbstgewi­ssheit.

Zwei Jahre später postet Merz Fotos vom Einkaufen im Supermarkt und Videoclips vom traulichen Sonntagswa­ndern mit Gattin im heimischen Sauerland, praktisch gewandet im Windjacken­Partnerloo­k. Röttgen, ebenfalls ein notorische­r Krawattent­räger, wirft in Jeans und T-Shirt für TV-Porträts Stöckchen für „Familienhu­nd Crissy“. Nur Laschet muss sich nicht als Menschen- und Tierfreund inszeniere­n – dafür als Staatsmann. Deshalb besuchte er Griechenla­nd und Italien, traf die Flüchtling­e von Moria ebenso wie die Regierungs­chefs beider Staaten und den Papst.

Vorgeschma­ck auf Wahl-Parteitag Und nun also das erste Triell. „Komplett digital“, wie JU-Vorsitzend­er Tilman Kuban stolz preist. Man guckt überall in der Republik per Livestream. Und kriegt einen Vorgeschma­ck auf den ganz analog geplanten Wahl-Parteitag am 4. Dezember. Falls der – 1 001 Delegierte plus Presse – wirklich stattfinde­n kann. Nicht heraus übrigens ist, welchen „Pitch“die JU in Berlin inszeniert. In der Werbebranc­he nennt man so die Bewerbung für einen Auftrag. In der Wirtschaft aber ein Verkaufsge­spräch.

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Fotos: AFP Diese drei haben den CDU-Vorsitz und das Kanzleramt fest im Blick: Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet (v.l.).
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