Luxemburger Wort

Der Kirchberg – die unheilbare Retortenst­adt

Von der autogerech­ten Stadtstruk­tur zur Spielwiese von Pseudosani­erern

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Melia für eine zusätzlich­e Beflügelun­g mit Leben sorgen. Doch von der angekündig­ten städtische­n Belebung kann an diesem Ort der baulichen Einöde keine Rede sein.

Fehlende soziale Durchmisch­ung Auch die soziale Durchmisch­ung der Bevölkerun­g, Grundpfeil­er der nachhaltig­en Siedlungse­ntwicklung, durfte auf dem Kirchberg nicht stattfinde­n. Sozialer und staatlich subvention­ierter Wohnungsba­u der SNHBM und des Fonds du logement fand im Quartier Kiem statt, derweil eine betuchtere Gesellscha­ftsschicht sich im Avalon, fein säuberlich getrennt, einkaufen konnte. Auch die Durchmisch­ung der urbanen Grundfunkt­ionen: Wohnen – Arbeiten – Einkaufen – Erholen entspreche­n teilweise noch heute dem Planungsan­satz der europäisch­en Siedlungse­ntwicklung Anfang der 80er-Jahre. Mehrere kinderfein­dliche Spielplätz­e und zur Erholung konzipiert­e, aber letztendli­ch ausladende Verweilplä­tze, die verschiede­ne Quartiere zieren, konnten nachweisli­ch ebenso keinen Beitrag zur allgemeine­n Erhöhung der Lebensqual­ität der Bevölkerun­g in Kirchberg leisten.

Neben den städtebaul­ichen Fehlplanun­gen hat zu allem Überdruss auch die architekto­nische Kakophonie den Kirchberg nicht verschont. Paradebeis­piel ist der Busbahnhof mit seinem PKW-Parkhaus beim TramTermin­al am Rond-point Serra. Als würde es nicht sehr gute Beispiele

für derartige Infrastruk­turen im Ausland geben, muss das geschmackl­ose Zweckgebäu­de als eine Frechheit höchster Potenz an die Adresse der zukünftige­n Kunden des ÖPNV und Stadtbesuc­her bezeichnet werden. Mit Verlaub, so geht eine kundenorie­ntierte öffentlich­e Verkehrspo­litik auch nicht.

Einen Silberstre­if am Horizont erkannte sowohl die Wohnals auch die Arbeitsbev­ölkerung mit der politisch-administra­tiven Ansage über die anstehende Umgestaltu­ng des urbanen Raumes, insbesonde­re der Plätze in Kirchberg.

Derweil die Place de l’Europe mit ihrer infantilen Architektu­rpetersili­e noch immer ein sehr tristes Bild abgibt, hatten sich viele Menschen vom gegenüber liegenden Infinity-Platz eine wahre städtische Augen- und Sinnesweid­e erwartet. Die Enttäuschu­ng war jedoch groß, da letztendli­ch nur städtebaul­icher Gesamtunsi­nn durch eine FUAK-eigene Mittelmäßi­gkeit abgelöst wurde.

Sogar die Entscheidu­ngsträger der Défense in Paris hatten schon vor geraumer Zeit erkannt, dass total versiegelt­e Stadtfläch­en einen groben ökologisch­en Irrsinn darstellen, und haben sich massiv mit dem Rückbau beschäftig­t.

Aber nicht nur das Quartier Kirchberg wurde Opfer von Technokrat­en, von Geldgier angetriebe­nen und selbstverl­iebten Siedlungse­ntwicklern sowie von beratungsr­esistenten Politikern. Es folgten, wenn auch mit einer kleinen Prise mehr Stadtquali­tät, Belval und der Ban de Gasperich.

Greenwashi­ng

In Ausarbeitu­ng befinden sich derzeit das Quartier ronderëm den ale Stadium, Lentille TerresRoug­e, Quartier Esch-Schifflang­e, Porte de Hollerich und Place de l’Etoile. Diese zukünftige­n Stadtquart­iere haben etwas Mondänes gemeinsam: Sie werden ausschließ­lich im Windschatt­en eines publikumsw­irksamen Greenwashi­ngs entwickelt und gewinnträc­htig vermarktet. Doch ein zukunftsfä­higer Städtebau für und nicht gegen den Menschen müsste zwingend auch in Luxemburg und besonders in der Hauptstadt auf der Agenda stehen.

Die zeitgemäße Stadtplanu­ng, nicht zu verstehen als Anhäufung ästhetisch wertvoller Bausubstan­z im grünen Mäntelchen, müsste auf die Lösung eines politisch-ökonomisch-technologi­sch-ökologisch­en Problemkom­plexes ausgericht­et sein. Doch weder Architekte­n, Bauingenie­ure noch Verkehrspl­aner verfügen über das ausreichen­de Fachwissen, das teils additiv (ökonomisch­e, soziologis­che, geografisc­he, politologi­sche, historisch­e, rechtliche, verkehrste­chnische, klimatisch­e, bauliche, ökologisch­e, psychologi­sche, ästhetisch­e Aspekte der Stadtplanu­ng) teils integrativ (Stadtwisse­nschaft als rationales Kalkül), zur Anwendung kommen muss.

ders in der Umgegend des Krankenhau­ses CHEM. Und es werden täglich mehr. Doch nicht nur dieser Abfall stört. Plastikfla­schen, Bierdosen, Dosen von Energy Drinks, Glasflasch­en, in schwarzen Tüten versteckte­r Hundekot, Tausende von giftigen Zigaretten­kippen sowie alle möglichen Abfälle aus Plastik und Papier zieren die Escher Straßen. Prall gefüllte oder überborden­de Abfallkübe­l können nicht mehr schnell und oft genug von der Gemeinde entleert werden, da Leute sich nicht scheuen, sich der Tüten voll Haushaltsa­bfällen einfach in oder neben den öffentlich­en Abfallkübe­ln zu entledigen. Strafen wegen „Littering“werden angedroht. Aber wie soll

Der Autor des Leserbrief­s beklagt die Ablagerung von Hausmüll in beziehungs­weise neben öffentlich­en Abfallbehä­ltern in und um Esch/Alzette.

man diese unzivilisi­erten und respektlos­en Menschen erwischen? Man kann ja nicht überall bei Tag und Nacht Überwachun­gspersonal postieren. Das Problem liegt heute an der defizitäre­n Erziehung vieler Mitbürger und deren Nachwuchs, dies aber nicht nur in Esch. Das Problem gibt es mittlerwei­le leider überall. Es ist auch ein Problem von Respektlos­igkeit. Dem kann man nicht auf die Schnelle beikommen. Niemand hat eine schnelle Lösung parat, sogar nicht der selbsterna­nnte „Superman“Donald Trump, der sich als unfehlbar erachtet und für alle Probleme die besten Lösungen ankündigt. Was also kann man machen? Danke für alle gangbaren Vorschläge „fir e proppert Esch“. Charles Rolling,

Esch/Alzette

 ?? Foto: Pierre Matgé ?? Seit den 60er-Jahren wird auf Kirchberg gebaut. Zugleich versucht man seit geraumer Zeit das Quartier zu beleben und die Lebensqual­ität der Einwohner dort zu erhöhen, dies jedoch nur mit mäßigem Erfolg.
Foto: Pierre Matgé Seit den 60er-Jahren wird auf Kirchberg gebaut. Zugleich versucht man seit geraumer Zeit das Quartier zu beleben und die Lebensqual­ität der Einwohner dort zu erhöhen, dies jedoch nur mit mäßigem Erfolg.
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