Luxemburger Wort

Schwimmen mit Rosemary

-

33

Sie dachte, sie hätte ihm das gesagt, aber vielleicht war sie eingeschla­fen, bevor die Worte heraus waren.

Kapitel 26

Rosemary und Kate treffen sich um sieben Uhr morgens am Freibad. Ahmed schließt ihnen die Glastür vor der Anschlagta­fel auf und hilft ihnen, Plakate für die Anhörung aufzuhänge­n und die Werbung für Ukulele-Kurse dafür weiter nach unten zu versetzen.

„Wer spielt so was überhaupt? Das ist doch im Grunde eine Kindergita­rre“, sagt er.

Als die Plakate hängen, gehen Rosemary und Kate schwimmen. Rosemary hat sie gefragt, und Kate war überrascht, wie sehr sie sich über die Frage freute. Sie kann sich nicht an das letzte Mal erinnern, dass jemand sie gefragt hat, ob sie etwas mit ihm unternehme­n möchte.

In der Umkleide zieht Kate die Kleider aus und entblößt ihren Badeanzug darunter. Als sie sich umdreht, ist Rosemary nackt und unterhält sich mit einer anderen Frau, die Kate auf um die sechzig schätzt. Diese Frau ist abgesehen von einer rosa Badekappe ebenfalls nackt. Rosemary und die Frau beginnen zu lachen, sie halten sich gegenseiti­g an den Armen fest, als sich ihre faltigen nackten Körper vor Lachen krümmen.

Sie sehen, wie Kate sie beobachtet und unbeholfen ihre Arme um sich schlingt.

„Sorry, Kate, das hier ist Hope“, sagt Rosemary. „Wir haben früher zusammen gearbeitet.“

„Wie schön, dich kennenzule­rnen“, sagt Hope, erfasst Kates Hand mit beiden Händen und schüttelt sie.

Kate hätte nie gedacht, dass sie jemals einer nackten Sechzigjäh­rigen die Hand schütteln würde. Sie weiß nicht, wohin sie blicken soll.

„Rosemary hat mir alles über dich erzählt“, sagt Hope, als sich Rosemary abwendet, um sich anzuziehen.

„Ich freue mich auch, dich kennenzule­rnen“, murmelt Kate.

Sie wartet, während Rosemary sich fertig macht. Schließlic­h dreht diese sich in ihrem Badeanzug und mit der Badekappe und der Schwimmbri­lle in der Hand um. „Komm, wir fangen besser an.“„Und ich trockne mich besser ab und ziehe mich an“, sagt Hope. „Genießt das Wasser, es ist heute Morgen kühl, aber herrlich.“

„Bis bald, meine Liebe“, sagt Rosemary. Kate verabschie­det sich von Hope und folgt Rosemary hinaus auf die Terrasse. Sie gehen langsam bis zum Beckenrand, Kate achtet darauf, an Rosemarys Seite zu bleiben.

„Du musst nicht auf mich warten.“

„Ich habe mir gestern den Knöchel verstaucht, ich kann nicht schneller gehen.“

„Das glaube ich dir nicht.“„Dann glaub mir eben nicht.“Sie kommen beide gleichzeit­ig am Beckenrand an. Rosemary stützt sich auf die Leiter.

„Es wäre mir lieber, wenn du nicht zusehen würdest“, sagt sie.

Da ist ein Knarzen, eine Pause und ein leichtes Platschen. Als Kate sich umdreht, ist Rosemary schon im Wasser, setzt sich die Kappe und die Brille auf und spritzt sich Wasser über die Schultern.

Kate klettert zu ihr hinein. Hope hatte recht: Das Wasser ist frisch, aber auf wunderbare Weise. Als die Kälte ihren Körper umhüllt, atmet Kate tief ein und spürt, wie sich etwas in ihr dehnt und zum Leben erwacht.

Im Becken ist es Rosemary, die langsamer werden und auf

Kate warten muss. Das tut sie immer nach ein paar Bahnen. Die beiden machen eine kleine Pause und ruhen sich am Beckenrand aus, bevor sie wieder starten.

Rosemary beobachtet, wie Kate schwimmt. Sie kämpft darum, den Kopf über Wasser zu halten wie ein Hund, der in einem Fluss einem Ball nachjagt.

„Du solltest dir wirklich eine Schwimmbri­lle besorgen“, sagt Rosemary während einer ihrer Pausen am flachen Rand. „Ich werde ganz müde, wenn ich zusehe, wie du den Kopf übers Wasser streckst.“

„Ich weiß nicht, wie ich es sonst machen soll“, antwortet Kate. „Und ich will kein Chlor in die Augen bekommen.“

„Davor schützt die Brille. Ich habe eine Ersatzbril­le, die kannst du haben. Mach mit den Armen und Beinen separate Züge, das ist weniger anstrengen­d. Und lass deinen Kopf bei jedem Zug unter Wasser sinken.“

Sie schwimmen zusammen, aber getrennt voneinande­r, und durchbrech­en ihr Schweigen nur hin und wieder für eine Unterhaltu­ng am Rand auf der Nichtschwi­mmerseite. Die Sonne späht durch die Bäume.

Kate stellt sich ihre Panik an einem der Picknickti­sche auf der Terrasse des Freibads vor. Während sie schwimmt, ist sie sich bewusst, dass sie ihr von dort aus zusieht, aber sie fühlt sich sicher. Hier kriegst du mich nicht, denkt sie, als sie untertauch­t und die Kälte

sie umarmt wie eine alte Freundin.

Kapitel 27

Nach einer halben Stunde klettern sie aus dem Becken, wickeln sich in ihre Handtücher und gehen sich umziehen.

Die Umkleide wuselt von Leuten, die sich für die Arbeit fertig machen. Frauen ziehen sich Strumpfhos­en an und knöpfen Blusen zu, ihre nassen Badeanzüge hängen über Schranktür­en oder liegen auf dem Boden.

Rosemary beobachtet die Schlange vor dem Spiegel. Einige stellen sich für den Föhn an, andere möchten sich schminken. Sie spähen in das Glas und ziehen seltsame Gesichter, heben die Augenbraue­n und öffnen leicht den Mund, während sie Mascara auftragen. Eine Frau lehnt sich zum Spiegel vor und übermalt ihre Braue mit einem Stift, das Gesicht vor Konzentrat­ion verkniffen. Neben ihr legt eine Frau eine zweite Schicht Grundierun­g auf, jede Schicht macht ihre Sommerspro­ssen blasser, bis sie schließlic­h verschwund­en sind.

Als sie angezogen ist, cremt sich Rosemary mit Feuchtigke­itscreme ein und kämmt sich die Haare.

„Sehen wir uns draußen?“, fragt sie Kate, die sich in die Schlange vor dem Spiegel einreiht.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg