Luxemburger Wort

„Ein bisschen Anonymität ist auch schön“

Schauspiel­er Jonas Nay über seine Rolle als Spion in „Deutschlan­d 89“, „99 Luftballon­s“und Ärger wegen falscher Tapete

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Der Mauerfall als Serie: Mit „Deutschlan­d 89“geht die internatio­nal gelobte Spionage-Trilogie über die Machenscha­ften der Geheimdien­ste zur Zeit der deutschen Teilung in ihre letzte Runde. Die finale dritte Staffel (neu bei Amazon Prime Video, acht Folgen) startet mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989 – der junge DDR-Agent Martin Rauch wird in tödliche Intrigen der konkurrier­enden Geheimdien­ste aus Ost und West verstrickt, die im Wende-Winter ein undurchsic­htiges Spiel treiben. Hauptdarst­eller Jonas Nay verkörpert den Spion wider Willen seit der ersten Staffel „Deutschlan­d 83“, die damals noch bei RTL lief, und erhielt für die Rolle den renommiert­en Grimme-Preis.

Jonas Nay, jahrelang haben Sie in der „Deutschlan­d“-Serie einen DDR-Spion im Kalten Krieg gespielt, jetzt startet die letzte Staffel. Welche Erfahrunge­n nehmen Sie mit?

Wahnsinnig viele. Ich habe mich lange mit meiner Rolle als Martin Rauch beschäftig­t und identifizi­ert, es war eine prägende Zeit für mich – menschlich, aber auch als Schauspiel­er. Es ist viel Wehmut dabei, wenn die Serie jetzt endgültig vorbei ist.

Die Serie hat Sie berühmt gemacht. Sind Sie manchmal dankbar, dass Sie wegen der Mund-Nasen-Bedeckung nicht überall gleich erkannt werden?

Das trifft ehrlich gesagt ziemlich ins Schwarze. Ich lebe ja in Lübeck, da werde ich schon öfter mal erkannt. Das ist oft supernett, weil die Reaktionen meistens positiv sind. Aber so ein bisschen Anonymität im Alltag ist manchmal auch schön. (lacht) Deshalb trage ich oft nicht nur in geschlosse­nen Räumen, sondern auch auf der Straße einen Mundschutz, weil ich dann weniger angestarrt werde. Davon abgesehen bin ich natürlich schon aus Gründen des Infektions­schutzes ein MaskenBefü­rworter.

Die finale Staffel „Deutschlan­d

89“dreht sich um den Fall der Mauer. Sie sind 1990 geboren, tut es Ihnen leid, dass Sie diesen emotionale­n Höhepunkt der deutschen Geschichte verpasst haben?

Dieser Moment der Maueröffnu­ng, dieser unglaublic­he Triumph einer friedliche­n Revolution, wirkt auf mich magisch. Aber ich bin mit meiner Generation ganz selbstvers­tändlich in diesem geeinten Deutschlan­d aufgewachs­en und möchte das nicht missen. Für mich war Deutschlan­d immer ein zusammenge­höriges Land. Dass ich das nie in Frage gestellt habe, bis ich mich für die Serie intensiver mit der deutsch-deutschen Geschichte befasst habe, ist ein Beleg dafür, wie erfolgreic­h die Wiedervere­inigung war.

Nehmen Sie noch Unterschie­de zwischen Ost und West wahr?

Klar gibt es strukturel­le Unterschie­de, und wer damals schon berufstäti­g war, ist durch die verschiede­nen Systeme komplett unterschie­dlich geprägt. Aber in meiner Generation ist das kein großes Thema mehr, da ist das nicht mehr so identitäts­stiftend.

Warum ist es Ihrer Ansicht nach trotzdem wichtig, sich 30 Jahre nach der Wiedervere­inigung mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte zu befassen?

Weil es eine sehr lehrreiche Zeit ist. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, wie wertvoll es ist, dass wir in Europa so friedlich miteinande­r leben, dass wir offene Grenzen haben – mal abgesehen von den Einschränk­ungen durch Corona. Schauen Sie sich doch das weltpoliti­sche Geschehen von heute an. In Amerika werden Mauern gebaut, der Konflikt zwischen Putins Russland und den Ländern des Westens flackert immer wieder neu auf. Wenn man sich die heiße Phase des Kalten Kriegs anschaut, sieht man, wie gefährlich das werden kann. Ich hoffe, dass unsere Serie die Leute aus meiner Generation dazu bringt, sich mit dieser Zeit auseinande­rzusetzen.

Ist das Thema in Ihrer Schulzeit nicht behandelt worden?

Im Schulunter­richt ist es zu kurz gekommen, ich erinnere mich nur an eine relativ kurze Abhandlung über den Sozialismu­s in der DDR und das Stasisyste­m, aber das war’s auch schon.

Was muss man beachten, wenn man als Schauspiel­er jemanden aus den 1980er-Jahren spielt?

Aspekte wie Kleidung, Mode, Architektu­r und Stand des technische­n Fortschrit­ts spielen für viele Gewerke eine große Rolle, für uns Schauspiel­er auch die Sprechweis­e. Das Vokabular muss der Zeit entspreche­n. Die Handlung spielt in der jüngeren Vergangenh­eit, deshalb gibt es noch viele Zeitzeugen, die all das bewusst erlebt haben, was ich selber nicht erlebt habe. Das macht es nicht einfacher. Gerade weil die Serie popkulture­ll inszeniert ist, melden sich immer wieder Kritiker zu Wort, die sagen: Moment, ich habe diese Zeit komplett anders erlebt. Jemand hat sich mal bei mir beschwert, weil in einer Szene seiner Meinung nach die Tapeten nicht gestimmt haben.

Die Musik von damals spielt in der Serie eine zentrale Rolle, Hits wie „99 Luftballon­s“. Haben Sie Nena auch auf Ihrer Playlist?

Nena hat es nie auf meine Playlist geschafft, aber generell war die Musik der 1980er-Jahre für mich immer sehr präsent, weil das die erste Musik war, die ich mit meinem Vater gemacht habe – er hat Gitarre gespielt, ich Klavier. Unsere ersten Songs waren von Billy Joel oder Elton John, 1980erJahr­e-Material, weil das die Musik seiner Jugend war.

Sie haben Musik studiert, singen in einer eigenen Band und sind auch ausgebilde­ter Filmkompon­ist. Haben Sie am Soundtrack zur „Deutschlan­d“-Trilogie mitgewirkt?

Für die letzte Staffel habe ich einen Song beigesteue­rt. Es gibt eine Schlüssels­zene, in der Martin Rauch in ein linksradik­ales Kollektiv eingeschle­ust wird, für diese Szene habe ich einen Jazz-Song komponiert. Ansonsten habe ich mich, was das angeht, rausgehalt­en, denn meine Beschäftig­ung mit dem Stoff und dieser Rolle haben mich wirklich vollauf ausgelaste­t.

Mit welchen Projekten geht es jetzt für Sie weiter?

Ich drehe gerade für die ARD die historisch­e Miniserie „Little America“, tüftle an verschiede­nen Filmmusike­n, und demnächst beginnt die Produktion eines weiteren Films. Mit meiner Kollegin Nikola Kastner, die ich bei „Deutschlan­d 83“kennengele­rnt habe, schreibe ich gerade eine eigene Serie, sie heißt „Alle meine Söhne“und wurde erst kürzlich von der Filmförder­ung Hamburg Schleswig-Holstein gefördert.

Ich habe keine Ambitionen, einer der jüngsten „Tatort“Kommissare zu werden.

Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, wie wertvoll es ist, dass wir in Europa so friedlich miteinande­r leben.

Und wenn als Nächstes das Angebot käme, dass Sie „Tatort“-Kommissar werden dürfen?

Damit würde ich mich neben meinen ganzen anderen Projekten zeitlich übernehmen, das ist für mich Zukunftsmu­sik. Ich habe keine Ambitionen, einer der jüngsten „Tatort“-Kommissare zu werden.

 ?? Foto: Matthias Balk/dpa ?? Als Schauspiel­er wurde er mit der „Deutschlan­d“-Trilogie berühmt – und singen kann er auch noch: Jonas Nay, hier während der Verleihung des Bayerische­n Fernsehpre­ises in der Residenz. Jonas Nay und David Grabowski wurden für den ARD-Zweiteiler „Der Club der singenden Metzger“in der Kategorie „Musik“mit dem blauen Panther ausgezeich­net.
Foto: Matthias Balk/dpa Als Schauspiel­er wurde er mit der „Deutschlan­d“-Trilogie berühmt – und singen kann er auch noch: Jonas Nay, hier während der Verleihung des Bayerische­n Fernsehpre­ises in der Residenz. Jonas Nay und David Grabowski wurden für den ARD-Zweiteiler „Der Club der singenden Metzger“in der Kategorie „Musik“mit dem blauen Panther ausgezeich­net.

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