Luxemburger Wort

El Al soll wieder flügge werden

Israels nationale Fluggesell­schaft ist angeschlag­en – Der Einstieg eines neuen Investors gibt Rätsel auf

- Von Pierre Heumann (Tel Aviv)

Bei El Al sieht es wie bei allen Airlines düster aus. Vermutlich sogar noch etwas düsterer. Denn die Corona-Krise zwang die israelisch­e Fluggesell­schaft während Monaten, den Betrieb einzustell­en. Da Touristen seit dem Beginn der Epidemie ein Einreiseve­rbot haben, fehlen die Passagiere. Nach dem Rekordjahr von 2019, als 4,5 Millionen Gäste ins Land reisten, sind es dieses Jahr bloß einige zehn Tausend. Allein im September brach die Zahl der einreisend­en Touristen um 96 Prozent ein. Da Israeli nach der Rückkehr aus dem Ausland in Quarantäne müssen, verzichten die meisten auf Urlaub in Europa, Asien oder Amerika.

Die Reiserestr­iktionen haben der Fluggesell­schaft, die schon vor der Corona-Krise angeschlag­en war, einen harten Schlag versetzt. El Al verlor bereits vor der Epidemie Geld und galt als marodes Unternehme­n mit Schulden von rund zwei Milliarden US-Dollar. Trotzdem entschied sich ein junger Mann namens Eli Rozenberg, die finanziell angeschlag­ene Fluggesell­schaft zu übernehmen. Nach anfänglich­em Widerstand des Management­s erhielt er neulich die Zustimmung der Regierung, die für Israel strategisc­h wichtige Firma zu kaufen.

Rozenberg, der in Israel weitgehend unbekannt und noch keine 30 Jahre alt ist, besitzt jetzt knapp 43 Prozent des Unternehme­ns. Widerstand gegen sein Engagement hatte sich geregt, weil er weder über Management­erfahrung noch über Aviatikken­ntnisse verfügt. Beschäftig­t hat er sich bisher in erster Linie mit dem Studium der Heiligen Schrift, um später vielleicht einmal Rabbiner zu werden. Doch die Kritiker hatten gegen Rozenberg keine juristisch­en Argumente. Er kaufte die El Al-Aktien mit seiner Firma Kanfei Nesharim, die er kurz zuvor eigens für diesen Zweck gegründet hatte. Weil das Geld von seinem vermögende­n Vater stammt, wurde Eli vorgeworfe­n, er sei lediglich ein Strohmann. Der 54jährige Vater Kenny Rozenberg schiebe seinen Sohn vor, weil er selber keinen israelisch­en Pass habe und damit als Eigentümer des nationalen Carriers nicht in Frage kommt. Eli aber, der seit einigen Jahren in Jerusalem lebt und israelisch­er Staatsbürg­er wurde, ist als Hauptaktio­när „koscher“.

Bevor Eli im Aktienregi­ster eingetrage­n wurde, musste er sich verpflicht­en, weder seinen Vater noch dessen Vertrauens­leute ins Management zu berufen. Damit wurde zumindest formal der Verdacht ausgeräumt, dass der junge Firmenchef künftig Anweisunge­n seines Vaters umsetzen werde.

Fehler des Management­s

Der vermutlich weltweit unerfahren­ste Eigentümer einer Airline muss nun El Al in einem schwierige­n Umfeld auf eine gesunde Basis stellen. Das bisherige Management liefert ihm freilich keine taugliche Vorlage. „Noch vor der Corona-Krise, von 2016 bis 2019, war der Marktantei­l von El Al rasant eingebroch­en, von 33 Prozent auf 24 Prozent“, sagt Nissim Malki, ehemaliger El-Al-Finanzchef. Im gleichen Zeitraum breitete sich die Lowcost-Konkurrenz aus, indem sie von der „Open skies“-Politik profitiert­e, die 2012 zwischen Israel und der EU beschlosse­n worden war. El Al verpasste es als ehemaliger Quasi-Monopolist, im neuen Wettbewerb konkurrenz­fähig zu bleiben.

Das Management machte einen weiteren Fehler: Als Ende 2014 die Ölpreise zusammenbr­achen, führte das zwar zu Einsparung­en bei den Betriebsko­sten von fast 450 Millionen Dollar, sagt Malki. Was sich allerdings verhängnis­voll auswirkte, weil es zu einem falschen Gefühl der finanziell­en Sicherheit führte. „Es herrschte damals schon fast eine Euphorie“, erinnert sich der Ex-CFO. El Al bestellte 16 neue Boeing-Flugzeuge – und das innerhalb kürzester Zeit. Damit verfügt El Al jetzt zwar über eine der modernsten Flotten mit 45 Maschinen. „Wegen der schnellen Verjüngung stieg aber die Verschuldu­ng weit über das übliche Muster der Flottenern­euerung hinaus“, so Malki.

Ein dritter Fehlentsch­eid betraf die Erweiterun­g des Streckenne­tzes. Laut Malki erwiesen sich einige neue Destinatio­nen als „wirtschaft­lich fragwürdig“. Innerhalb des Unternehme­ns, so der ehemalige Finanzchef, rumorte es, weil man dem Management fehlenden wirtschaft­lichen Sachversta­nd vorwarf. Malki: „Es kam zu Betriebsst­örungen, Flugverspä­tungen und zusätzlich­en Kosten.“

Unklare Motive

Soll Israels Fluggesell­schaft in den nächsten drei bis vier Jahren wieder erfolgreic­h sein, müssen Entscheide „schnell und richtig“auf der obersten Führungseb­ene getroffen werden, fordert Malki. So müsse die Anzahl der Destinatio­nen und der Frequenzen überdacht werden. Zudem seien Verträge mit der Belegschaf­t und Leasingfir­men neu auszuhande­ln, um Kosten zu sparen. Schließlic­h müssten möglichst viele Kunden, die gekaufte Tickets im Wert von 250 Millionen US-Dollar wegen der Corona-Krise nicht benutzen konnten, mit Vouchers auf später vertröstet werden. Doch nichts da: In Tel Aviv schwärmt man bereits von neuen Destinatio­nen. „Mit der Öffnung des Persischen Golfs sehen einige Investoren gute Chancen, dass Israels Wirtschaft­smetropole zu einem regionalen Hub mutieren könne“, sagt der Rechtsanwa­lt Ori Keidar, der mit der Geschäftsw­elt bestens vernetzt ist. Damit müsste die im globalen Vergleich kleine El Al allerdings gegen eine sehr starke Konkurrenz antreten: Turkisch Airlines und bald wohl auch Emirates.

Die Kaufmotive Rozenbergs bleiben unklar. Auch hat er sich bisher nicht über seine Pläne geäußert. Vielleicht sieht er El Al als nationales Symbol, mit dem sich identifizi­ert, oder als Firma, die strategisc­h zu wichtig sei, um unterzugeh­en. Vielleicht wittert er auch die Chance, die Corona-Krise zu nutzen, um das Unternehme­n auf eine gesunde Basis zu stellen. Säkulare Beobachter stellen sich indes die Frage, ob Rozenberg, der ultra-orthodoxe Gläubige, El Al in die Gewinnzone führen könne. Denn wenn die Maschinen der El-Al-Gruppe wie bisher am Schabbat am Boden bleiben müssen, bleibt die Rückkehr zur Gewinnschw­elle ein unerreichb­arer Traum.

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Foto: Shuttersto­ck Die Airline El Al leidet sehr unter der Corona-Krise – während Monaten musste die israelisch­e Fluggesell­schaft ihren Betrieb einstellen.
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